Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 710

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 710 (NJ DDR 1957, S. 710); hat, ist ebenfalls zu verneinen. Nach dem Sachverhalt hat die Gisela F. als Wirtschafts geh ilf in beim Angeklagten gearbeitet. Sie hat dort gewohnt und in vollem Umfang an der Verpflegung innerhalb der Familie des Angeklagten teilgenommen. Diese materielle Sicherstellung oblag dem Angeklagten und dessen Ehefrau aus dem Landarbeiterschutzgesetz. Sie hätte auch gewährt werden müssen, wenn Gisela F. das Schutzalter des § 174 StGB, also 21 Jahre, überschritten hätte. Allein aus diesen Umständen ein Aufsichts- oder Be-treungsverhältnis herzuleiten, ist unrichtig. Hätten irgendwelche Absprachen zwischen den Eltern der Zeugin und dem Angeklagten und dessen Ehefrau stattgefunden in der Form, daß von den Eltern geäußert worden wäre: „Kümmert euch etwas mit um das Mädel“, so wäre möglicherweise ein Betreuungsverhältnis entstanden. In diesem Fall kann aber davon nicht gesprochen werden. Ebenso verhält es sich mit einem Aufsichtsverhältnis. Gisela F. konnte über ihre Freizeit verfügen, wie sie wollte, ebenso über ihre Barmittel, ohne daß der Angeklagte ihr zwingende Vorhalte machen konnte. Wäre dem Angeklagten eine Aufsicht in dieser Art übertragen worden, so könnte von einem Aufsichtsverhältnis wenn auch im beschränkten Umfang gesprochen werden. So haben aber die Eltern der Gisela F. überhaupt nicht in dieser Richtung mit dem Angeklagten gesprochen und das Verhältnis ihrer Tochter zu der Familie P. dem Selbstlauf überlassen. Das Kreisgericht hat sich in seiner Entscheidung bereits sehr ausführlich mit der Bestimmung des § 174 StGB auseinandergesetzt. Der Senat folgt diesen Ausführungen und verweist, um Wiederholungen zu vermeiden, auf diese. Anmerkung : 1. Den Entscheidungen des Bezirksgerichts und des Kreisgerichts kann weder in ihrem Ergebnis noch in ihrer Begründung zugestimmt werden. Beide Gerichte verneinten das Vorliegen sämtlicher in § 174 Ziff. 1 genannten Verhältnisse. Vorbehaltlos beigetreten werden kann ihnen hierin nur insoweit, als sie es abgelehnt haben, daß das Mädchen dem Angeklagten zur Ausbildung anvertraut war, denn ein Berufsausbildungsvertrag hat unzweifelhaft nicht bestanden. Problematisch ist aber bereits die Frage, ob der Angeklagte Gisela F. zu erziehen hatte. Der Senat verneinte diese Frage lediglich mit der Begründung, daß kein Erziehungsvertrag zwischen den Eltern des Mädchens und dem Angeklagten abgeschlossen worden sei. Diese Feststellung hätte einereingehenderenUntersuchungund eines näheren Beweises bedurft. Die Ausführungen des Bezirksgerichts zu diesem und nicht nur zu diesem Punkt sind dadurch charakterisiert, daß sie nicht oder nicht genügend die tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigen, sondern im Formalen steckenbleiben. Vergegenwärtigen wir uns doch den Sachverhalt: Die Mutter der damals gerade vierzehn Jahre und vier Monate alten Gisela F. vereinbarte mit der Frau des Angeklagten, daß ihre Tochter dort arbeiten, wohnen und verpflegt werden sollte. Waren damit nicht auch gewisse elterliche Rechte und Pflichten, so z. B. die, das Kind nicht materiell und moralisch verkommen zu lassen, auf das Bauernehepaar übergegangen? Diese Frage hätte einer gründlichen Erörterung bedurft. Diese wurde jedoch von beiden Gerichten unterlassen; sie haben statt dessen das Vorliegen eines Erziehungsverhältnisses ohne weiteres in Bausch und Bogen abgelehnt. Noch offensichtlicher wird die Unzulänglichkeit der Urteile bei den Ausführungen, die sich auf das Nichtbestehen eines Betreu ungs Verhältnisses beziehen. Hier zeigt sich besonders deutlich das für beide Urteile typische Kleben an der Form, das Außerachtlassen der wirklichen Gegebenheiten. Fest stand wie bereits ausgeführt daß die Mutter der Gisela F. mit der Ehefrau des Angeklagten vereinbart hatte, daß das Mädchen dort wohnen, schlafen und beköstigt werden sollte. Der Angeklagte und seine Frau haben in der Folgezeit auch entsprechend dieser Vereinbarung gehandelt. Die Behauptung des Strafsenats, es hätten keine Absprachen stattgefunden, wird also durch die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nicht nur nicht bestätigt, sondern direkt widerlegt. Die Ansicht des Bezirksgerichts muß in der Praxis zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß die Tat- bestandsmäßigkeit nach §174 Ziff. 1 StGB und damit der strafrechtliche Schutz der Jugendlichen vor sexuellem Mißbrauch davon abhängen, ob zwischen den Eltern des Jugendlichen und der Person, welcher er zur Betreuung anvertraut ist, eine juristisch präzise, ins einzelne gehende Vereinbarung vorliegt oder nicht. Das bedeutet aber, die Anwendung dieses Tatbestands vom Zufall abhängig zu machen und den Schutz Jugendlicher vor geschlechtlichen Delikten in schädlicher Weise einzuengen. Auch die Feststellung des Bezirksgerichts, daß bei erwachsenen Landarbeitern Verpflegung und Wohnung ebenfalls hätten gewährt werden müssen, spricht nicht dagegen, daß im vorliegenden Fall ein Betreuungsverhältnis gegeben war. Geschlechtlicher Mißbrauch von Jugendlichen ist für deren Entwicklung besonders schädlich; demzufolge müssen sie vor allem davor geschützt werden, daß Personen, die ihnen gegenüber besondere Erziehungs-, Aus-bildungs-, Betreuungs- oder Aufsichtspflichten haben, ihre Autorität und die ihnen dadurch gebotene Gelegenheit zu sexuellen Übergriffen ausnutzen. Bei Betreuungsverhältnissen gegenüber Erwachsenen liegen die Dinge jedoch anders; deshalb ist das erwähnte Argument des Senats nicht stichhaltig. 2. Sowohl das Bezirks- als auch das Kreisgericht haben ferner das Vorliegen eines Aufsichts Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und der Gisela F. verneint. Sie haben damit die allgemeine Frage berührt und im negativen Sinne entschieden, ob das arbeitsrechtliche Vorgesetztenverhältnis gegenüber jugendlichen Arbeitern und Angestellten (nicht Lehrlingen denn diese sind der Autoritätsperson stets zur Ausbildung anvertraut) ein Aufsichtsverhältnis i. S. des §174 Ziff. 1 StGB darstellt oder nicht. Das Ergebnis, zu welchem Strafkammer und Senat in diesem Fall gelangt sind, entspricht im wesentlichen der bis jetzt in der Rechtsprechung der Gerichte der DDR vorherrschenden Auslegung des §174 Ziff. 1 StGB. So führte z. B. das ehemalige OLG Halle im Urteil vom 10. Juli 1952t aus:, „Beim Vorliegen eines einfachen Arbeitsverhältnisses, nicht eines Lehr- oder Erziehungsverhältnisses, kann nicht angenommen werden, daß die beschäftigte jugendliche Arbeitskraft dem Angeklagten zur Aufsicht anvertraut ist. Die Zeugin Sch. war nicht Lehrling, war also auch dem Angeklagten nicht zur Ausbildung oder Erziehung anvertraut. Der Angeklagte hatte dieser Zeugin gegenüber eine wesentlich andere Stellung als gegenüber den Lehrlingen der von ihm geleiteten Lehrwerkstatt. Aus jedem Arbeitsverhältnis zu jugendlichen Personen unter 21 Jahren ein Aufsichts- oder Betreuungsverhältnis abzuleiten, führt nach Ansicht des Senats zu zu weitgehenden Folgerungen. Der Ansicht der Strafkammer zu folgen, würde bedeuten, daß in der Endkonsequenz nicht nur jeder Betriebsleiter, Abteilungsleiter und Meister, sondern auch jeder Vorarbeiter und Brigadier gegenüber mit ihnen zusammen arbeitenden Personen unter 21 Jahren ein über die Arbeitstätigkeit und Arbeitsaufsicht hinausgehendes Betreuungs- und Aufsichtsverhältnis hat. Selbst unter Berücksichtigung der Förderung und des Schutzes unserer Jugend in der Deutschen Demokratischen Republik kann der Sinn des § 174 Ziff. 1 nicht der sein, jede sich aus einem Arbeitsverhältnis ergebende Arbeitsaufsicht oder Arbeitsanleitung als Aufsicht i. S. des §174 StGB zu betrachten.“ Das Oberste Gericht gelangte in seiner nicht veröffentlichten Entscheidung vom 25. November 19542 zu dem gleichen Ergebnis, allerdings ohne seine Rechtsansicht näher zu begründen. In der Strafrechtswissenschaft unserer Republik wurde diese Meinung ebenfalls vertretens. Nicht alle Gerichte haben jedoch den §174 Ziff. 1 StGB in diesem Sinne ausgelegt. So verurteilte z. B. das ehemalige Kreisgericht Potsdam (Stadtbezirk III) einen Vorarbeiter, der mit einer ihm unterstehenden jugendlichen Arbeiterin geschlechtlich ver- 1 2 3 1 NJ 1932 S. 526. 2 2 Zst III 226/54. In dem Urteil heißt es: „Nach den Ausführungen im Urteil hat das Bezirksgericht richtig erkannt, daß dem Angeklagten als Brigadier nicht die Ausbildung, Aufsicht und Erziehung der ihm arbeitsmäßig unterstellten Arbeiterinnen (die 16 bis 17 Jahre alt waren H. W.) i. S. des § 174 Ziff. 1 oblag.“ 3 vgl. Dreßler/Naundorf, Verbrechen gegen die Person, Berlin 1957, S. 154/55. Auch der Verfasser dieser Zeilen hat früher diese Ansicht geteilt (vgl. dazu: Frenzel/Weber, Der strafrechtliche Schutz der Persönlichkeit in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1956, S. 117). 710;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 710 (NJ DDR 1957, S. 710) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 710 (NJ DDR 1957, S. 710)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Hausordnung - erarbeitet auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister Gemeinsame Festlegung der Hauptabteilung und der Abteilung insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe Zugeführter; das kameradschaftliche Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Gericht bei der raschen Verwirklichung getroffener Entscheidungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden. Barunter befinden sich Antragsteller, die im Zusammenhang mit ihren Ubersiedlungsbestrebungen Straftaten begingen, erhöhte sich auf insgesamt ; davon nahmen rund Verbindung zu Feind-sentren auf und übermittelten teilweise Nachrichten. Besonders aktiv traten in diesem Zusammenhang auch dann objektiv weiteruntersucht, wenn dabei Staatssicherheit , konkret vom PührungsOffizier, subjektiv verursachte Fehler in der inoffiziellen Zusammenarbeit eine Rolle spielen.

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