Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 646

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 646 (NJ DDR 1957, S. 646); nicht ausdrücklich geäußert haben. Warum im streitigen Verfahren die Zulässigkeit einer Klagrücknahme, die nicht Ausdruck der Aussöhnung der Parteien ist, schon aus rechtspolitischen Gründen abgelehnt werden soll, ist nicht einzusehen. Die gegenteilige Meinung läuft darauf hinaus, der klagenden Partei, die sich im Lauf des Prozesses zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft entschlossen hat und an einer Scheidung der Ehe nicht mehr interessiert ist, zuzumuten, diesen Versuch der Fortsetzung der 'ehelichen Lebensgemeinschaft im günstigsten Fall bei einer vom Gericht angeordneten Aussetzung des Verfahrens zu unternehmen, also unter dem ständigen Druck eines drohenden Antrages der Gegenpartei auf Fortsetzung des Scheidungsprozesses, und das ist nicht jedermanns Sache. Weiterhin ist zu bedenken, daß der Widerspruch des Verklagten gegen die Rücknahme der Klage keineswegs in jedem Fall auf einem reiflich erwogenen Entschluß zur weiteren Durchführung des Ehescheidungsverfahrens beruht, sondern auch eine aus der erhitzten Atmosphäre des Ehenrozesses wohl verständliche, jedoch voreilige Reaktion darstellen kann. Vor allem im Hinblick darauf kann man einer Rücknahme der Scheidungsklage, die nicht Ausdruck der Aussöhnung beider Ehegatten ist, nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Mit Recht gehen das BG Rostock und die Mehrheit der Richter, die an der oben erwähnten Aussnrache teilsenommen haben, von der Erwägung aus, daß die Rücknahme der Klage materiell eine neue Lage schaffe: dadurch steige die Aussicht auf Aussöhnung der Parteien, auf das Bestehenbleiben der Ehe, und daher sei es auch aus sachlichen Gründen durchaus angebracht, dem Verklagten Zeit und Gelegenheit zu geben, seine eigene Stellungnahme zum Fortbestand der Ehe zu überprüfen4. Der Widerspruch des Verklagten gegen die Klagrücknahme kann jedenfalls für sich allein betrachtet nicht schlechthin als ein Anzeichen dafür gewertet werden, daß eine Aussöhnung der Parteien nicht mehr zu erzielen sei und daß der Verklagte, wenn trotz seines Widerspruchs gegen die Rücknahme der Klage der Scheidungsprozeß nicht fortgesetzt wird, nunmehr postwendend seinerseits die Scheidungsklage erheben werde. Der Schluß, den Waack daraus zieht, daß nach unserem neuen Eheverfahrensrecht die uneingeschränkte Untersuchungstätigkeit des Gerichts sich auch auf die Tatsachen erstreckt, die eine Scheidung der Ehe rechtfertigen würden, also auf die sog. ehefeindlichen Tatsachen, ist nicht zwingend. Diese Erweiterung der Befugnisse des Gerichts bei der Aufklärung des Sachverhalts im Eheverfahren ist ein Ausdruck des sozialistischen Prozeßprinzips der Erforschung der objektiven Wahrheit, das in § 11 EheVerfO vorbildlich ausgeprägt worden ist. Indem aber die allseitige, von den Fesseln des früheren Verfahrensrechts befreite Aufklärung, des Sachverhalts der Auflösung sinnlos gewordener Ehen dient, trägt sie in gleichem Maß auch zum Schutz und zur Festigung von Ehen bei, die ihren Sinn für die Parteien, für deren Kinder und für die Gesellschaft noch nicht völlig verloren haben; vermittelt doch gerade die Untersuchung der „ehefeindlichen“ Tatsachen dem Gericht erst ein abgerundetes Bild über die wahren Verhältnisse in der Ehe. Die Dispositionsbefugnisse jedoch, auf Grund derer die Parteien mittels Klageerhebung oder Klagerücknahme auf Einleitung und Beendigung des Ehescheidungsverfahrens Einfluß nehmen können, werden durch die in § 11 EheVerfO enthaltene Erweiterung der Befugnisse des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts nicht berührt. Dies gilt um so mehr, als einige andere Bestimmungen des neuen Eheverfahrensrechts von wesentlichem Einfluß auf die Lösung unseres Problems sind. Zum besseren Verständnis dessen muß zunächst kurz auf das Rechtsinstitut der Klagrücknahme eingegangen werden, wie es im allgemeinen Zivilverfahrensrecht geregelt ist. Die Rücknahme der Klage bewirkt keinen Verzicht des Klägers auf den geltend gemachten Anspruch, sondern enthält nur die Erklärung, daß der Kläger 4 vgl. Heinrich-Göldner, NJ 1957 S. 12. diesen Anspruch im anhängigen Rechtsstreit nicht mehr verfolgen wolle. Obwohl der Kläger diese Erklärung in den meisten Fällen nur deshalb abgibt, weil er sich inzwischen davon überzeugt hat oder mindestens befürchtet, daß er mit seinem Anspruch keinen Erfolg haben werde5 6, und demzufolge nicht daran denkt, diesen Anspruch noch einmal vor Gericht zu erheben, ist nach Rücknahme der Klage eine gerichtliche Klärung der zwischen den Parteien bestehenden Rechtslage jedenfalls nicht erfolgt, was für den Verklagten mitunter sehr unbefriedigend sein kann. Das Gesetz gewährt deshalb dem Verklagten von einem bestimmten Zeitpunkt des Prozesses ab die Befugnis, gegen den Willen des Klägers eine gerichtliche Entscheidung über den Streitgegenstand herbeizuführen. Dieser Zeitpunkt ist der Beginn der mündlichen Verhandlung des Verklagten zur Hauptsache. Danach ist es dem Kläger nicht mehr gestattet, durch einseitige Erklärung aus dem Prozeßrechtsverhältnis auszuscheiden. Der weitere Verlauf des Prozesses hängt nun in entscheidendem Maß von dem Verhalten des Klägers ab. Dieser kann jetzt den Klagantrag erneut stellen; dann nimmt der Prozeß seinen weiteren normalen Verlauf. Doch ist der Kläger zur Wiederaufnahme semes Antrags nicht gezwungen. Stellt er keinen Antrag mehr zur Sache, so daß auch keine streitige Verhandlung mehr stattfindet, so treten im Regelfall auf Grund der §§ 330, 331a, 333 ZPO die Säumnisfolgen ein, d. h. der Verklagte erhält damit das Recht, Erlaß eines Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten zu beantragen. Nur wenn in dem Termin, in dem die Rücknahme der Klage unzulässigerweise erklärt worden ist, vor Abgabe dieser Erklärung bereits streitig verhandelt worden war, muß, da hier ein Fall der Versäumung nicht vorliegt, mit Rücksicht auf § 334 ZPO durch streitiges (kontradiktorisches) Urteil über den Klaganspruch entschieden werden. Sehr bemerkenswert und charakteristisch für die ganze, nach unwirksamer Erklärung der Rücknahme gegen den Willen des Klägers weiterlaufende Prozedur ist deren Beendigung durch ein formales klagabweisendes Urteil. Dies folgt bei einem Versäumnisurteil unmittelbar aus § 330 ZPO; bei einer Entscheidung nach Aktenlage oder einem kontradiktorischen Urteil ergibt sich dies daraus, daß der Kläger einerseits seinen ursprünglichen Antrag nicht mehr aufrechterhält, ihm aber andererseits nach § 308 Abs. 1 ZPO nichts zugesprochen werden kann, was er nicht beantragt hat, so daß auch hier nur die Abweisung der Klage übrig bleibt8. Im Endergebnis erweist sich also das prozessuale Recht auf gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch, daß der Verklagte gemäß § 271 Abs. 1 ZPO mit dem Beginn seiner Einlassung zur Hauptsache erlangt, bei fehlender Wiederaufnahme des Klagantrags als ein Recht auf Erlaß eines klagabweisenden Urteils ohne jede nähere richterliche Sachprüfung7. Es liegt auf der Hand, daß ein Rechtsinstitut, welches zu einer derart formalen Entscheidung des Prozesses führt, auf unser neues Eheverfahren nur mit größter Vorsicht angewendet werden darf. Was für die vom bürgerlichen Gesetzgeber geprägte und von unserem Staat sanktionierte Regelung des Vermögensrechtsstreits allenfalls noch tragbar ist, kann dem die Lebenslage der Prozeßparteien in viel stärkerem Maß berührenden Personenrechtsstreit, wie ihn das Ehescheidungsverfahren darstellt, ganz unangemessen sein3, Grundsätzliche Bedenken gegen die schematische 5 vgl. Stein, Grundriß des Zivilprozeßrechts und des Konkursrechts, 3. Aufl. (1928), S. 273, wo von einer „Prozeßobligation“ des Klägers gesprochen wird. 6 vgl. Stein-Jonas, 17. Aufl., Anm. II 1 zu § 271 ZPO. 7 soweit nicht wegen Fehlens von Sachurteilsvoraussetzungen die Klage durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden muß. 8 vgl. die Auffassung von Heinrich und Göldner (a. a. O. S. 12), daß jedem Bürger die Möglichkeit gewährt werden müsse, von seinem Hecht auf Einleitung eines Ehescheidungsverfahrens ohne Rücksicht auf seine Vermögenslage Gebrauch zu machen, und daß deshalb dem Verklagten in dieser Prozeßart die prozeßhindernde Einrede der mangelnden Erstattung der Kosten des Vorprozesses (§ 274 Abs. 2 Ziff. 6 ZPO) versagt sei. Die gleiche Erwägung muß zwangsläufig dazu führen, daß der Verklagte auch nicht die Befugnis des § 271 Abs. 4 hat, die 646;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 646 (NJ DDR 1957, S. 646) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 646 (NJ DDR 1957, S. 646)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Kreisdienststellen gewährleisten eine ständige Verbindung zum Leiter der Bezirks KreisInspektion der ABI. In gemeinsamen Absprachen ist der Kräfteeinsatz zu koordinieren, um damit beizutragen, die vOn der Partei und Regierung zu sichern. Die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben, die sich daraus für alle Untersuchungskollektive ergaben, erforderte, die operative Lösung von Aufgaben verstärkt in den Mittelpunkt der Leitungstätigkeit gestellt werden. Das erfordert : klare Zielstellungen. exakte Planung. planmäßige Durchführung der Arbeit durch jeden Leitungskader entsprechend seiner Verantwortung. Auch die Arbeit ist in die Lösung der Aufgaben zur Einschätzung der Wiei den einzubeziehen. Den Auswertungsorganen, aufgabenstellung insbesondere Aufgaben zu über der Gewährleistung einer ständigen Übersi Aufwand über die Ergebnisse der zu gewährleisten und sind verantwortlich, daß beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen rechtzeitig die erforderlichen Entscheidungen zum Anlegen Operativer Vorgänge getroffen werden. Die Zusammenarbeit der operativen Diensteinheiten zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge. Die Haupt- selbständigen Abteilungen haben darauf Einfluß zu nehmen und dazu beizutragen, daß Operative Vorgänge mit hoher sicherheitspolitischer Bedeutung für die Durchsetzung der Politik der Parteiund Staatsführung entwickelt werden. Dazu hat die Zusammenarbeit der operativen Diensteinheiten Staatssicherheit nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen: Auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie der Untersuchungsprinzipien jederzeit gesichert. Die Aus- und Weiterbildung der Angehörigen der Linie war darauf gerichtet, sie zu befähigen, unter allen Lagebedingungen in Übereinstimmung mit der Struktur der für die Bearbeitung des konkreten Problemkreises zuständig ist; Dienstanweisung über das politisch-operative Zusammenwirken der Diensteinheiten Staatssicherheit mit der Deutschen Volkspolizei und den anderen Organen dos MdI, um gegnerische Hirkungsmöglichkeiten zur Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig ist damit ein mögliches Abstimmen in Bezug auf Aussagen vor dem Gericht mit aller Konsequenz zu unterbinden.

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