Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 64

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 64 (NJ DDR 1957, S. 64); In der Klassengesellschaft erfolgt diese Normierung im Interesse der herrschenden Klasse, die bestimmte sexuelle Beziehungen als nützlich erlaubt, andere als ihrem Interesse zuwiderlaufend verbietet und auf Verstöße gegen das Verbot mit (meist sehr strengen) moralischen oder rechtlichen Sanktionen reagiert. Solche Verbote können aus dem Grunde ergehen, weil das sexuelle Verhältnis für einen der Partner wegen seiner fehlenden körperlichen und geistigen Reife schädlich ist (Sexualverbrechen an Kindern) oder weil es durch Gewalt oder andere Mittel wie Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses herbeigeführt wurde. In der Ausbeutergesellschaft spielen bei der gesellschaftlichen Regelung der sexuellen Beziehungen die politischen und Vermögensverhältnisse eine große Rolle, die allerdings durch eine Fülle ethischer und religiöser Begründungen und Anschauungen verdeckt wird. Z. B. wurden im Interesse der Aufrechterhaltung der politischen und ideologischen Macht der Kirche eine ganze Reihe sexueller Beziehungen verboten und mit harten Strafen belegt. So gibt es also ein ganzes System moralischer und rechtlicher Normen, durch welche die herrschende Klasse eine ganz bestimmte Ordnung auf dem Gebiet der sexuellen Verhältnisse festlegt. Und der Verstoß gegen diese Ordnung macht soweit sie durch Strafrechtsnormen geschützt ist das eigentlich Gesellschaftsgefährliche und Strafbare beim Sexualverbrechen aus. Aus diesem Grunde ist auch der Ausdruck „Sittlichkeitsverbrechen“ falsch, denn die Strafbarkeit kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß eine Handlung gegen die „Sittlichkeit“, d. h. gegen ein System moralischer Normen, verstößt. Die Moralnormen sind ja selbst nur etwas Abgeleitetes und dienen auch dem Schutz gesellschaftlicher Verhältnisse, wenn auch in anderem Umfange und mit anderen Sanktionen. Sie bedürfen genauso der Erklärung aus den gegebenen Verhältnissen und Interessen einer Klasse wie die Straf rechtsnormen, so daß eine Strafrechtsnorm niemals mit Hinweisen auf eine Moralnorm allein erklärt werden kann1). Übrigens zieht man bei keiner anderen Verbrechensart den Verstoß gegen die „Sittlichkeit“, d. h. die entsprechenden Moralnormen, zur Begründung der Strafbarkeit heran. Niemand wird z. B. die Strafbarkeit des Diebstahls damit begründen, daß eine solche Handlung gegen die „Sittlichkeit“ hinsichtlich des Eigentums verstößt. Die „Sittlichkeitsverbrechen“ sollte man daher wissenschaftlich exakt als „Sexualverbrechen“ oder als „Verbrechen gegen die sozialistischen Geschlechtsbeziehungen“ bezeichnen. Da das Wesen dieser Verbrechen darin besteht, daß sie die im jeweiligen Staat anerkannten und gebilligten sexuellen Verhältnisse gefährden die Gefährdung besteht darin, daß geschlechtliche Beziehungen eingegangen werden, welche die im Interesse der herrschenden Klasse erlaubten und geschützten sexuellen Verhältnisse zu zersetzen und aufzulösen geeignet sind , kann natürlich keine Rede davon sein, daß sie sich ausschließlich gegen persönliche Interessen oder „höchstpersönliche Rechtsgüter“ wenden. Auch wenn die einzelnen Verbrechen verschiedene Personen zum Gegenstand haben, ist das angegriffene gesellschaftliche Verhältnis und Interesse das gleiche. Insofern bilden die Sexualverbrechen gegenüber anderen Verbrechen keine Ausnahme. Es besteht daher kein Grund, den Fortsetzungszusammenhang nur aus dem Grunde abzulehnen, weil sich die einzelnen Handlungen gegen verschiedene Personen gerichtet haben. 2. Das Urteil des Bezirksgerichts Dresden berührt weiterhin das Problem, ob zwischen zwei verbrecherischen Handlungen auch dann Fortsetzungszusammenhang angenommen werden kann, wenn zwischen ihnen ein großer Zeitraum (im vorliegenden Fall 7 bis 10 Jahre) liegt. Bei der Beantwortung dieser Frage muß man vom Sinn und Zweck des Rechtsinstituts des Fortsetzungszusammenhangs ausgehen. Es soll ermöglichen, mehrere gleichartige Straftaten, die in einem tatsächlichen Zusammenhang stehen, als einen Komplex von Handlun- i) i) Das hat auch der bürgerliche Kriminalist F e r r i erkannt, wenn er schrieb: „ sind die sittlichen Geiühle nur ein indirektes Kriterium iür die Beurteilung von Handlungen, sie sind nur aus einem anderen Kriterium abgeleitet, nämlich den jedesmal gegebenen Existenzbedingungen.“ (Das Verbrechen als sociale Erscheinung, Grundzüge der Kriminal-Soclologie, Leipzig 1896, S. 42.) gen in ihrer Gesamtheit einzuschätzen und mit einer einheitlichen Strafe (ohne Festsetzung von Einzelstrafen und Gesamtstrafenbildung) zu belegen. Von diesem Standpunkt aus hätte m. E. eine derartige Zusammenfassung von Handlungen oder Handlungskomplexen, die in Wirklichkeit deutlich voneinander abgehoben und getrennt sind, wenig Sinn. Sie würde nur eine reale Einschätzung der Verbrechen und eine richtige Strafzumessung erschweren. In solchen Fällen wie dem vorliegenden wäre es sinnvoller, jeden der so weit auseinander liegenden Handlungskomplexe für sich zu beurteilen; denn es ist sehr wohl möglich, daß bei dem großen Zeitraum eine Reihe tatsächlicher Umstände, die für die Strafzumessung wichtig sein können, sich geändert haben. Das gleiche gilt für bestimmte Eigenschaften des Täters. Solche Verschiedenheiten der Tatumstände würden bei einer künstlichen Zusammenfassung zum Fortsetzungszusammenhang verwischt werden, worunter die Einschätzung der Verbrechen durch das Gericht und die Strafzumessung in ihrer Gründlichkeit und Genauigkeit leiden müßten. Es empfiehlt sich daher, in derartigen Fällen für die einzelnen Handlungen bzw. Gruppen von Handlungen, die miteinander im Fortsetzungszusammenhang stehen, Einzelstrafen auszuwerfen und dann gern. § 74 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden. Für die Ablehnung des Fortsetzungszusammenhangs in solchen Fällen spricht auch der Umstand, daß dadurch eine bessere Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit der betreffenden Handlungen ermöglicht wird. Es ist doch ein Unterschied, ob der Täter nach einer längeren Zeit, in der er keine verbrecherischen Handlungen beging und sich über sein Tun klar werden konnte, sich erneut verbrecherisch betätigt oder ob eine Einzelhandlung nur Teil eines Gesamtverhaltens ist, das zwar nicht einem Gesamtvorsatz entspringt, aber doch zumindest durch eine gewisse Gewohnheit auf der subjektiven Seite verbunden wird, so daß der Entschluß zur Begehung der einzelnen Tat' nicht so schwer wiegt wie in dem oben geschilderten Falle. Die subjektiven Momente, welche die Schwere der Tat beeinflussen, wiegen bei den einzelnen Straftaten, die miteinander im Fortsetzungszusammenhang stehen, nicht so schwer wie bei mehreren Einzelverbrechen, zwischen denen ein solcher Zusammenhang nicht besteht. Es ist daher berechtigt und geboten, einen Täter, der nach jahrelangen Unterbrechungen einen neuen verbrecherischen Willensentschluß gefaßt hat, schwerer zu bestrafen als einen; bei dem verschiedene Einzelverbrechen nur der Ausdruck derselben subjektiven Einstellung sind. Nur so ist die aus der Annahme des Fortsetzungszusammenhanges folgende Strafmilderung, die sich aus dem Wegfall der Gesamtstrafenbildung ergibt, zu erklären und zu recht-fertigen. Eine solche Milderung wäre aber in Fällen wie dem vorliegenden unangebracht, da sie dem Umstand nicht gerecht würde, daß der Täter nach einer langen Unterbrechung seiner verbrecherischen Tätigkeit erneut den Entschluß gefaßt hat, strafbare Handlungen zu begehen. 3. Zutreffend weist das Bezirksgericht darauf hin, daß Handlungen, die zueinander im Fortsetzungszusammenhang stehen, dadurch nicht ihren Charakter als selbständige Handlungen verlieren und daß demzufolge durch die Zusammenfassung solcher Verbrechen im Fortsetzungszusammenhang die Verjährungsfristen der' einzelnen Verbrechen nicht beeinflußt werden. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aus dem oben dargelegten Zweck des Rechtsinstituts des Fortsetzungszusammenhangs. Der Fortsetzungszusammenhang hat mit den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verbrechens (Tatbestandsmäßigkeit) überhaupt nichts zu tun. Verjährungsfristen, Antragsfristen, Privatklagefristen (bei fortgesetzter Beleidigung) und zeitlicher Geltungsbereich der Strafgesetze werden durch den Fortsetzungszusammenhang in keiner Weise berührt. Dieses Rechtsinstitut dient nur dazu, mehrere gleichartige Verbrechen, die in der Wirklichkeit in einem bestimmten Zusammenhang stehen, einheitlich zu beurteilen und zu bestrafen. Hans Weber, wiss. Aspirant am Institut für Strafrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ 64;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 64 (NJ DDR 1957, S. 64) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 64 (NJ DDR 1957, S. 64)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. sstu. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter ergeben; sich aus verschiedenen Rechtsnormen: Verfassung der - Strafprozeßordnung Gemeinsame Anweisung des GeneralStaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit erfolgt nach den gleichen Grundsätzen und auf den gleichen rechtlichen Grundlagen wie der Untersuchungshaftvollzug in der außerhalb Staatssicherheit . Die aufgeführten Besonderheiten im Regime des Vollzuges der Untersuchungshaft treten jedoch vielfältige Situationen auf, die es im operativen Interesse des gebieten, in bestimmten Fällen von TrennungsW grundsätzen abzuweichen. In bestimmten Situationen, die sich aus der Direktive des Ministers für Staatssicherheit auf dem Gebiet der spezifisch-operativen Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ergeben, wird festgelegt: Die Planung, Vorbereitung und Durchführung der Aktionen Kampfbündnis und Dialog, Jubiläum, des Turn- und Sportfestes in Leipzig, des Festivals der Jugend der und der in Gera sowie weiterer gesellschaftspolitischer Höhepunkte beizutragen. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Angehörigen des Zentralen Medizinischen Dienstes und der Medizinischen,Dienste der ist deshalb zu sichern, daß Staatssicherheit stets in der Lage ist, allen potentiellen Angriffen des Gegners im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

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