Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 633

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 633 (NJ DDR 1957, S. 633); Jugendlichen seinerzeit ausschließlich in den Händen der Mutter lag und diese es offensichtlich nicht verstanden hat, entsprechend auf ihren Sohn einzuwirken und ihn zu führen und zu lenken. Anstatt die Schularbeiten anzufertigen, war er nach seinen eigenen Angaben im Bad oder beim Spiel mit Freunden anzutreffen. In den späteren Schuljahren hat er das Klassenziel erreicht, und im ersten Lehrjahr in der Betriebsberufsschule des VEB K. zeigte er durchschnittliche Leistungen. Seine praktische Arbeit wurde besser als seine theoretischen Leistungen beurteilt. Sowohl der Zeuge H., der den Jugendlichen seit frühester Kindheit kennt und ihn mehrere Jahre als Lehrer unterrichtet hat, als auch die Zeugin J. vom VEB K. bekundeten übereinstimmend, daß er mehr hätte leisten können und den Anforderungen gerecht geworden wäre, wenn er sich mehr bemüht und „dahintergesetzt“ hätte. Er hat stattdessen gern Lausbubenstreiche und „Dummheiten“ gemacht. Aus dem bisherigen Entwicklungsgang des Jugendlichen ergeben sich also keine Anzeichen für eine erhebliche Unterbegabung. Auch sein Verhalten während seiner Tätigkeit beim VEB B. und nicht zuletzt der persönliche Eindruck des Jugendlichen in der Hauptverhandlung haben keine Anhaltspunkte für eine geistige Unreife ergeben. Der Sachverständige hat auf Grund dieser Umstände und der von ihm durchgeführten Prüfung mit Recht lediglich eine geringfügige Unterbegabung festgestellt, die jedoch vom Normalen nicht erheblich abweicht. Die Charakteranlagen des Jugendlichen sind in mehrfacher Hinsicht durch ungünstige Umwelteinflüsse geformt und gestaltet worden. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, daß es an einer ausreichenden Erziehung im Elternhaus gemangelt hat, obwohl beide Elternteile glaubten, das Richtige zu tun. Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe hat mit Recht auf die Zwiespältigkeit in der elterlichen Erziehung hingewiesen. Während der Vater den Jungen gelegentlich verprügelte, hat die Mutter in Gegenwart des Sohnes solche Erziehungsmaßnahmen verworfen. Sie hat ihn bei jeder Gelegenheit in Schutz genommen. Das führte im Laufe der Jahre dazu, daß der Vater, wie er einmal dem Zeugen K. gegenüber äußerte, nicht mehr Herr über seinen Sohn zu werden glaubte. Die Mutter hatte nach den Worten des Zeugen K. eine „Affenliebe“ zu ihrem Jungen, der nach dem Tode seiner sechs Geschwister nun noch ihr „Letztes“ war. Trotzdem hat aber der Jugendliche die richtige Elternliebe und ein wahres Eltern-Kind-Verhältnis nicht kennengelernt, und ein Vertrauensverhältnis ist insoweit nicht zustande gekommen. Bezeichnend sind die einmal gegenüber dem Leiter des Referats Jugend-hilfe/Heimerziehung ausgesprochenen Worte des Vaters: „Was sollen wir mit ihm reden, wenn er nach Hause kommt?“ Dem Jugendlichen sind auch insoweit ist der Verteidigung zuzustimmen vom Elternhaus nur in unzureichendem Maße ppsitive Wertbegriffe vermittelt worden. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß beide Elternteile nach Kräften bemüht waren wenn auch unzulänglich , schädliche Einflüsse von ihrem Sohn fernzuhalten. Dem Jugendlichen fehlte sowohl während der Schulzeit als auch später die führende und lenkende Hand. Er ist deshalb sehr weitgehend auf seine Art selbständig geworden. Die von ihm ausgeführten Lausbubenstreiche und sog. Dummheiten bieten in diesem Zusammenhang nichts besonders Auffälliges, zumal von den zahlreich vernommenen Zeugen keiner konkrete Angaben machen konnte. Auch das während der Lehrzeit im VEB K. als rüpelhaft bezeichnete Benehmen läßt auf eine besondere Abartigkeit unter Berücksichtigung der dort seinerzeit vorhanden gewesenen Umstände (Fehlen ausreichend qualifizierter Lehrkräfte, Zusammensetzung der Berufsschulklässe) nicht schließen. Die beiden Diebstahlshandlungen, auf Grund deren der Jugendliche zweimal vorbestraft ist, lassen an sich noch nicht den Schluß auf eine sittliche Unreife zu. Aus ihnen kann nicht entnommen werden, daß der Jugendliche seine gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht zu erkennen in der Lage wäre. Im ersten Fall hat er seine Arbeitskollegen bestohlen, weil das ihm zur Verfügung gestellte Taschengeld für seine Ausgaben nicht reichte. Im zweiten Fall hat er einen Einbruchsdiebstahl des- halb begangen, weil er Hunger hatte und sich etwas Eßbares verschaffen wollte. Die Entwicklung des Jugendlichen und die genannten .Erziehungsmängel erklären zu einem wesentlichen Teil die vom Sachverständigen festgestellte mangelhafte Gefühlsentwicklung, die Gemütsschwäche und Gefühlsarmut. Diese Merkmale sind vom Vater in der Hauptverhandlung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht und damit die Feststellungen des Sachverständigen unterstrichen worden. Der Vater hat nämlich erklärt, daß sein Sohn „hart“ sei und nie geweint habe. Er drückte sich weiter dahin aus: „Er hat nur dann geschrien, wenn er zu Unrecht bestraft worden war.“ Von diesem „Hartsein“ konnte sich auch der Senat in der Hauptverhandlung überzeugen und ebenso davon, daß der Jugendliche sich auflehnt, wenn ihm etwas Unrichtiges unterstellt wird. . Diese nach außen in Erscheinung tretende mangelhafte Gefühlsentwicklung und Gefühlsarmut, die auch bei der Vorbereitung und Ausführung der Tat zum Ausdruck gekommen sind, weichen zwar vom Normalen ab, begründen aber allein keinesfalls eine sittliche Unreife. Dabei ist unter Berücksichtigung der zuvor gemachten Erörterungen darauf hinzuweisen, daß der jugendliche Angeklagte kein Einzelgänger ist und stets Kontakt zu seiner Umwelt gefunden hat. Er besitzt ein durchaus durchschnittliches Auffassungs- und Beurteilungsvermögen. Auch hat er sich nach den Bekundungen der Zeugen S. und W. in das Kollektiv seiner letzten Arbeitsstelle gut eingelebt und sich in jeder Beziehung zugänglich und einsichtig gezeigt. Auch aus den Aussagen des als Zeugen vernommenen Abschnittsbevollmächtigten ergibt sich, daß der Jugendliche auf Vorhaltungen und Ermahnungen reagiert und sein Verhalten, wenn auch infolge Fehlens der lenkenden Hand in der Erziehung nur für kurze Zeit, danach eingerichtet hat. Die Maßregelungen seitens seines Vaters sind ebenfalls nicht gänzlich ohne Erfolg geblieben. Nach den Feststellungen der Jugendgerichtshilfe hat der Jugendliche nach beiden Verurteilungen gut gearbeitet. Ausschlaggebend ist worauf der Sachverständige mit Recht hingewiesen hat , daß während der gesamten bisherigen Entwicklung des Jugendlichen irgendwelche Auffälligkeiten, die Anzeichen einer sittlichen Unreife darstellen könnten, von keiner Seite bemerkt worden sind. Auch während der Strafvollstreckung im Jugendhaus sind nach dem Bericht der Jugendgerichtshilfe irgendwelche besonderen Abnormitäten nicht entdeckt worden. Aufschlußreich ist auch die vom Jugendlichen selbst vorgenommene Bewertung der von ihm gelesenen Schundliteratur. Völlig zwanglos hat er im Verfahren wiederholt sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß dort nur gefährliche und gemeine Verbrechen in der verschiedensten Art geschildert werden. Ebenso richtig hat er andererseits z. B. das Buch „Der Weg ins Leben“ von Makarenko eingeschätzt und seinen Sinn erfaßt; das beweist seine Äußerung, daß dort die Erziehungsmethoden gegenüber Jugendlichen im Vordergrund stünden. Nicht unbeachtlich ist schließlich auch die Bewertung seines Verhaltens nach Ausführung der Tat. Der Jugendliche fürchtete nämlich, wie er sich ausdrückte, nicht so sehr die Strafe als die Schande; ihn beeindruckte am meisten, daß die Dorfbewohner und seine Freunde von ihm nun schlecht denken und ihn als Verbrecher betrachten. Der jugendliche Angeklagte ist, wie der Senat aus all diesen Umständen schließt, derart in die Gesellschaftsordnung hineingewachsen, daß er die dem einzelnen Bürger obliegenden Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft erkannt und einen ausreichenden Stand der sittlichen Reife erreicht hat, um die allgemeinen gesellschaftlichen Normen anerkennen zu können. Er ist sich über den Wert des Menschenlebens im klaren und vermag auch die besondere Verwerflichkeit seines Handelns einzusehen. Der Jugendliche hat auf Grund des bisherigen Entwicklungsprozesses die geistige und sittliche Reife erlangt, die ihn befähigt, die gesellschaftliche Gefährlichkeit seiner Tat einzusehen. Bezeichnend ist, daß bei dem Jugendlichen trotz der erwähnten mangelhaften Gefühlsentwicklung doch noch so viel positive Gefühlswerte vorhanden waren, daß er 633;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 633 (NJ DDR 1957, S. 633) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 633 (NJ DDR 1957, S. 633)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten Staatssicherheit. Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit in der Untersuchungshaftan- stalt und nur Erarbeitung von Leitervorlagen. Ein weiterer entscheidender Schwerpunkt zur Verhinderung von Geiselnahmen ist die enge Zusammenarbeit des Leiters der Untersuchungshaftanstalt mit dem Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie gemäß den Festlegungen in dieser Dienstanweisung zu entscheiden. Werden vom Staatsanwalt oder Gericht Weisungen erteilt, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung und dessen Stellvertreter obliegt dem diensthabenden Referatsleiter die unmittelbare Verantwortlichkeit für die innere und äußere Sicherheit des Dienstobjektes sowie der Maßnahmen des. politisch-operativen Unter-suchungshaftVollzuges, Der Refeiatsleiter hat zu gewährleisten, daß über die geleistete Arbeitszeit und das Arbeitsergebnis jedes Verhafteten ein entsprechender Nachweis geführt wird. Der Verhaftete erhält für seine Arbeitsleistung ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage der GewahrsamsOrdnung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zu realisieren. Wird der Gewahrsam nicht in den Gewahrsamsräumen der vollzogen, sind von den Mitarbeitern der Linie zu lösenden Aufgabenstellungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, verlangen folgerichtig ein Schwerpunktorientiertes Herangehen, Ein gewichtigen Anteil an der schwerpunkt-mäßigen Um- und Durchsetzung der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sind planmäßig Funktionserprobunqen der Anlagen, Einrichtungen und Ausrüstungen und das entsprechende Training der Mitarbeiter für erforderliche Varianten durchzuführen.

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