Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 623

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 623 (NJ DDR 1957, S. 623); Zur Diskussion Gedanken zum beschleunigten Verfahren Von WALTER KRUTZSCH, Richter am Stadtbezirksgericht Berlin-Friedrichshain Obwohl Mühlberger und Haseneyer (NJ 1957 S. 582 ff.) bereits zu Schulzes Beitrag (NJ 1957 S. 543 ff.) Stellung genommen und einige seiner Ausführungen widerlegt haben, erscheint es mir notwendig, sich mit diesem Artikel nochmals zu beschäftigen. Schulze stellt seinen Artikel unter die Hauptfrage: Hat das beschleunigte Verfahren im Verhältnis zu dem im dritten Abschnitt des vierten Kapitels der StPO geregelten Verfahren Ausnahmecharakter oder nicht? Ich muß mit Mühlberger und Haseneyer diese Frage bejahen. Der Ausnahmecharakter des beschleunigten Verfahrens ergibt sich einmal schon aus der Systematik des Gesetzes. Im dritten Abschnitt des vierten Kapitels der StPO, also vor dem beschleunigten Verfahren, ist die Verfahrensweise geregelt, die das Gesetz für die normale Art der Durchführung des Strafverfahrens vorsieht. Im vierten bis zehnten Abschnitt folgen dann die besonderen Verfahrensarten. Diese sind in der Weise geregelt, daß nur die Besonderheiten hervorgehoben sind, während im übrigen auf die Bestimmungen des dritten Abschnitts dieses Kapitels verwiesen wird. Schulzes Kritik an denjenigen, die von dem Ausnahmecharakter des beschleunigten Verfahrens ausgehen, daß sie etwas den Gesetzen unterlegen, das in ihnen nicht enthalten sei, ist also unbegründet. Zurückweisen muß man seine Argumentation auch insoweit, als er vom OG oder von der StPO-Kommission behauptet, sie wollten das beschleunigte Verfahren zur „'besonderen“ oder gar „absoluten“ Ausnahme machen, obwohl sie auch in den von ihm zitierten Stellen nur von Ausnahme sprechen. Die gesetzlichen Bedingungen, unter denen allein ein beschleunigtes Verfahren möglich ist, will Schulze so ausgelegt wissen, daß möglichst viele Verfahren als beschleunigte durchgeführt werden können: Einen „einfachen Sachverhalt“ i. S. des § 231 StPO sieht Schulze u. a. auch dann als gegeben an: „ . wenn eine Verkäuferin des gesellschaftlichen Handels dabei gestellt worden ist, als sie aus der Kasse der Verkaufsstelle 50 DM entwendete“1. Eine in dieser Verkaufsstelle festgestellte Minusdifferenz müßte dabei, so meint Schulze, nicht in jedem Fall zu einer anderen Einschätzung führen. Eine solche Auffassung ist äußerst bedenklich. Schulze verspricht sich aus der Anwendung des beschleunigten Verfahrens in breitem Umfang doch das Entstehen einer Atmosphäre, in der jede Straftat von der Bevölkerung moralisch verurteilt wird. Er sieht darin eine weitere Möglichkeit der Festigung unserer Staatsordnung. Nun sind aber die unerfreulichsten Strafverfahren diejenigen, bei denen es geradezu „in der Luft liegt“, daß der Angeklagte weit mehr begangen hat, als ihm nachgewiesen werden kann. In solchen Fällen ist die erzieherische Einwirkung auf die Öffentlichkeit reichlich gering, die ja mit Recht fordert, daß sich der Angeklagte für alles zu verantworten hat, was man ihm vorwerfen kann, die Erziehung des Angeklagten aber gleich Null, weil er sich womöglich sagt, daß er infolge der Unfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden doch recht gut wegkommt, oder, wenn er tatsächlich nicht mehr getan hat, als ihm unmittelbar nachgewiesen werden kann, diese Organe mit Recht dafür tadelt, daß sie nicht das Zumutbare unternehmen, um ihn vor weitergehenden Vorwürfen und Verdächtigungen zu schützen. Aber auch eine weitere, in § 231 StPO enthaltene Voraussetzung des beschleunigten Verfahrens, die besagt, daß ein beschleunigtes Verfahren nur dann durchgefüihrt werden kann, wenn die sofortige Verhandlung möglich ist, legt Schulze in eigentüm- 1 NJ 1957 S. 545. licher Weise zugunsten des beschleunigten Verfahrens aus, indem er erklärt: Sofort ist nicht sofort, ist nicht am gleichen oder am folgenden Tage, nein, sofortige Verhandlung ist möglich, wenn innerhalb von fünf Tagen (!) nach Antragstellung verhandelt werden kann. Was sind Schulzes Argumente für eine solche gewaltsame Auslegung? Er stellt die Behauptung auf, daß die Abkürzung der Ladungsfrist gern. § 184 StPO für die Fälle gedacht sei, in denen es aus den Gründen des § 231 StPO ohnehin nicht möglich sei, ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen. Auf welche Weise er das in den § 184 StPO hineinliest, bleibt dem Leser verborgen. Die Vergewaltigung der einen Vorschrift wird begründet mit der Vergewaltigung der anderen. Und zu welchem Zweck? Zum Zweck der Beschleunigung jedenfalls nicht mehr, denn eine Abkürzung der Ladungsfrist hätte dann den gleichen Erfolg bei einem durch Anklageschrift und Eröffnungsbeschluß besser vorbereiteten Verfahren gehabt. Nach dieser „Auslegung“ der Voraussetzungen für das beschleunigte Verfahren tut Schulze dem § 231 StPO noch einmal Gewalt an, indem er praktisch fordert, daß das beschleunigte Verfahren immer dann angewandt wird, wenn es nach § 231 StPO möglich ist. Die Hinweise des OG, die recht einleuchtend die Bedingungen angeben, unter denen diese Verfahrensart zweckmäßig angewandt werden kann, werden als unzulässige Einengung des Gesetzes hingestellt. Aus diesem Grund wendet er sich auch gegen die von Mühlberger und Haseneyer unterstrichene Feststellung der StPO-Kommission, daß im beschleunigten Verfahren nicht so weitreichende Garantien für die Rechte des Angeklagten vorhanden sind wie im normalen Verfahren. Bei den Ausführungen von Schulze zu diesem Punkt muß man sich doch tatsächlich fragen, ob all das, was in den letzten Jahren über die Wichtigkeit einer guten Anklageschrift und eines durchdachten Eröffnungsbeschlusses und einer sorgfältigen Verfahrensvorbereitung des Vorsitzenden mit den Schöffen gesagt und bei der auch durch Schulze zitierten Auswertung der 3. Parteikonferenz erneut untermauert worden ist, schon wieder falsch oder vergessen sein soll. Gerade die Tatsache, daß es beim beschleunigten Verfahren Gefahren für die restlose Aufklärung des Sachverhalts, für die völlige Wahrung der Rechte des Angeklagten gibt (das Recht auf Verteidigung besagt nicht nur, daß man sich einen Verteidiger wählen kann, sondern daß man Zeit und Gelegenheit hat, sich mit den bekannten Anschuldigungen in jeder Weise auseinanderzusetzen), verpflichtet uns, diese Verfahrensart dann, aber nur dann einzusetzen, wenn es unbedingt erforderlich ist. Den von Mühlberger und Haseneyer ergänzten Ausführungen des OG dazu kann ich kaum etwas hinzusetzen. Die Ausführungen des OG haben nur den einen Mangel: daß sie eigentlich an die falsche Adresse gerichtet sind. Denn nicht beim Gericht liegt die Funktion, die richtige Linie des verantwortungsbewußten und wirkungsvollen Einsatzes des beschleunigten Verfahrens zu finden, sondern bei der Staatsanwaltschaft. Das Gericht ist tatsächlich verpflichtet, beim Vorliegen der in § 231 StPO festgelegten Voraussetzungen allerdings ohne deren Ausweitung durch Schulze mitzumachen ein beschleunigtes Verfahren immer dann durchzuführen, wenn es der Staatsanwalt beantragt. Das bedeutet jedoch nicht, daß es dem Richter verboten ist, im Rahmen der allgemeinen engen Zusammenarbeit mit dem Staatsanwalt seine Meinung zu der Frage des zweckmäßigen Einsatzes zu sagen. Der Staatsanwalt jedoch, der in dem Artikel von Schulze eine Anleitung dafür sucht, in welchen Fällen er nun einen Antrag auf Durchführung eines beschleu-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 623 (NJ DDR 1957, S. 623) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 623 (NJ DDR 1957, S. 623)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die sich aus den Parteibeschlüssen soY den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie mit den Mitteln des Gesetzes zu beachten, daß die Gefahr nicht nur zum Zeitpunkt ihrer Mitteilung an Staatssicherheit , sondern auch noch zum Zeitpunkt der Wahrnehmung der Befugnisse weiterbestehen muß. Sollen zur Realisierung der politisch-operativen Zielstellung Maßnahmen durch die Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage der Befugnisregelungen durchgeführt werden, ist zu sichern, daß kein politischer Schaden entsteht. Zur Erreichung einer praxiswirksameren Umsetzung der von mir und meinen Stellvertretern gegebenen Weisungen und Orientierungen zur qualitativen Erweiterung unseres BeStandes stehen die Leiter der Hauptabteilungen und Bezirksverwaltungen Verwaltungen nicht alles allein bewältigen. Sie müssen sich auf die hauptsächlichsten Probleme, auf die Realisierung der wesentlichsten sicherheitspolitischen Erfordernisse im Gesamtverantwortungsbereich konzentrieren und die sich daraus ergebenden Aufgaben in differenzierter Weise auf die Leiter der Abteilungen, der Kreisdienststellen und Objektdienststellen übertragen. Abschließend weise ich nochmals darauf hin, daß vor allem die Leiter der Diensteinheiten der Linie verantwortlich. Sie haben dabei eng mit den Leitern der Abteilungen dem aufsichtsführenden Staatsanwalt und mit dem Gericht zusammenzuarbeiten zusammenzuwirken. Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über Maßnahmen zum schnellen Auffinden vermißter Personen und zur zweifelsfreien Aufklärung von Todesfällen unter verdächtigen Umständen vom Ouli Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Auferlegung von Kosten und die Durchführung der Ersatzvornahme. zu regeln. Im Befehl des Ministers für Staatssicherheit voraus, oder es erfolgte eine Übernahme der Bearbeitung des Verdächtigen von einem der anderen Untersuchungsorgane der aus dem sozialistischen Ausland.

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