Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 62

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 62 (NJ DDR 1957, S. 62); klagten, sondern um die Frage der Methode dieses Nachweises. Es handelt sich auch nicht etwa darum, daß, wenn eine bloße Wahrscheinlichkeit für die Schadenszufügung besteht, der Verklagte den Gegenbeweis führen müsse. Der Beweis auf erste Sicht erfordert vielmehr den Nachweis eines Tuns oder Unterlassens, das nach einwandfreier, feststehender Erfahrung mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zur Entstehung des geltend gemachten Schadens führt. Ein derartiger Beweis stellt keineswegs eine Einschränkung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung dar. Er bedeutet vielmehr umgekehrt die Erfüllung dieses Grundsatzes. Es ist mit dem Grundsatz, die objektive Wahrheit zu erforschen und auf Grund des festgestellten Sachverhalts zu verurteilen, unvereinbar, daß eine Klage abgewiesen werden soll, obwohl dem Verklagten eine Fahrlässigkeit nachgewiesen ist, die nach feststehender Erfahrung den geltend gemachten Schaden hervorrufen mußte. Voraussetzung der Beachtlichkeit eines solchen sog. Beweises auf erste Sicht ist aber, daß keine konkrete Schadensursache nachgewiesen wird, daß also die erwähnten, erfahrungsgemäß als Schadensursachen zu betrachtenden Umstände als einzige Schadensursache in Betracht kommen. Es ist also beispielsweise nicht möglich, einen Verkaufsstellenleiter deshalb zum Schadensersatz für einen festgestellten Fehlbestand zu verurteilen, weil er die Verkaufsstelle gewohnheitsmäßig nicht verschlossen hat, wenn auf der anderen Seite erwiesen oder auch nur wahrscheinlich ist, daß ein anderer Angestellter während der Verkaufszeit erhebliche Diebstähle begangen hat, wenn auch zweifelhaft sein mag, ob durch diese Diebstähle der gesamte Fehlbestand entstanden ist. In einem derartigen Fall könnte nur noch die auf einem anderen Gebiet liegende Frage erörtert werden, ob bei nachgewiesenem Diebstahl durch einen anderen Angestellten der Verkaufsstellenleiter etwa seine Aufsichtspflicht mangelhaft erfüllt hat. Diese Voraussetzungen, unter denen ein Beweis auf erste Sicht möglich wäre, liegen hier nicht vor. Die Verklagten haben, insbesondere durch die Bekundungen der Zeugin K., bewiesen, daß sie eine ungenaue, nämlich ein zu geringes Gewicht angebende Waage benutzten, die ihnen der Zeuge N. besorgt, nämlich von der Zeugin K. entliehen hatte, obwohl diese auf deren Unvollkommenheit hingewiesen hatte. Entscheidungen anderer Gerichte Strafrecht § 222 StGB. Zur Frage des Strafmaßes bei fahrlässiger Tötung. BG Cottbus, Urt. vom 7. November 1956 2 NDs 174/56 V. Die Angeklagte, die Fahrerin bei der Straßenbahn ln G. ist, wurde am 29. August 1956, als sie morgens um 4.15 Uhr ihren Dienst antrat, darauf aufmerksam gemacht, daß der von ihr zu fahrende Wagen Nr. 14 nicht in Ordnung sei. Man teilte ihr mit, daß der Wagen ungewöhnlich langsam fahre. Da die Angeklagte fürchtete, daß auf der stark in Anspruch genommenen Linie mit dem Wagen Schwierigkeiten auftreten könnten, bat sie den Hilfsschlosser Sch., ihr einen anderen Wagen zuzuweisen. Die Schlosser haben die Aufgabe, kleinere Mängel, die am Vortage festgestellt waren, während der Nacht zu beseitigen, sofern sie auf Grund einer Mängelanzeige in dem Mängelbuch des Betriebes den Auftrag dazu erhalten. Der Zeuge Sch. bestritt, einen derartigen Auftrag erhalten zu haben, so daß der Wagen der Angeklagten für ihn als betriebsfähig galt. Die Angeklagte sah daraufhin das Wagenbuch ein und stellte fest, daß ihr Wagen zu langsam fährt und daß die Fahrerin am Vortage deshalb in Zeitnot geraten war. Der Zeuge Sch. schlug daraufhin einen Wagentausch auf der Strecke vor. Das lehnte die Angeklagte unter Hinweis darauf ab, daß dies beim Publikum keinen guten Eindruck mache. Den Vorschlag des Zeugen Sch., den Revisionswagen für sie fertig zu machen, behauptet die Angeklagte überhört zu haben. Die Angeklagte und die Zeugin B. vereinbarten nun, die Wagen zu tauschen. Beide Wagen standen hintereinander, der Wagen der Angeklagten unmittelbar über der Montagegrube, die sehr tief ist. Auf Bitten der Angeklagten erklärte sich die Schaffnerin F. bereit, die Nummernschilder der Wagen zu tauschen. Sie kletterte auf die Pufferbohle des Wagen der Angeklagten. Die Angeklagte selbst begab sich an den Führerstand und fuhr dann, ohne ein Warnzeichen zu geben, und ln der Annahme, daß Frau F. mit der Abnahme der Nummernschilder fertig sei, mit dem Wagen vor. Frau F. verlor dadurch den Halt und stürzte in die unter dem Wagen befindliche Montagegrube, wobei sie sich tödliche Kopfverletzungen zuzog. Die Verkehrsstrafkammer des Kreisgerichts G. hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. Die gegen dieses Urteil wegen des Strafmaßes eingelegte Berufung hatte Erfolg. Aus den Gründen: Die Zeuginnen H. und B., die den Wagen Nr. 14 am Tage vor dem Unfall gefahren hatten, hatten während ihrer Dienstzeit am 28. August 1956 den verantwortlichen Bahnmeister, Zeugen M., und die beiden Kontrolleure S. und K. auf die Mängel des Wagens hingewiesen. Von dem Kontrolleur S. war dabei zugesagt worden, daß der Wagen aus dem Verkehr gezogen werden sollte. Da jedoch kein anderer Wagen zur Verfügung stand, unterblieb der Austausch. Die Zeugin H. hat darüber hinaus nach Beendigung ihrer Dienstzeit, und zwar gegen 13.00 Uhr mittags, im Depot den Fahrmeister L. von dem Zustand des Wagens Nr. 14 vorsorglich benachrichtigt, da sie ihre schriftliche Meldung im Wagenbuch des auf der Strecke befindlichen Wagens Nr. 14 vergessen hatte. Von diesen für den Fährbetrieb verantwortlichen Personen erfolgte jedoch keine Benachrichtigung der Werkstatt, obwohl gerade von ihnen im Interesse der Erreichung höchstmöglicher Verkehrssicherheit dies erwartet werden konnte. Die vorstehend geschilderten Umstände, die im Urteil der Verkehrsstrafkammer des Kreisgerichts keine Erwähnung gefunden haben, sind jedoch bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit und der Feststellung der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat zu berücksichtigen, da sich aus ihnen ergibt, daß eine Aufsicht bei Beginn des täglichen Fährbetriebes fehlte. Gern. § 5 der Arbeitsschutzanordnung Nr. 1 (GBl. 1952 S. 106) hat jeder Betrieb unter der Aufsicht einer dazu durch Kenntnisse und Erfahrung mit den Arbeitsschutzbestimmungen vertrauten, zuverlässigen Person zu stehen. Die Aufsichtspersonen sind den Beschäftigten durch Daueranschlag im Betrieb bekanntzugeben. Im Falle der Abwesenheit der Aufsichtsperson ist ein geeigneter Stellvertreter zu ernennen. Gegen diese Bestimmung ist bei den VEB Verkehrsbetrieben C. seit dem Zeitpunkt verstoßen worden, als die tägliche Ausfahrt der ersten beiden Straßenbahnen von 4.45 auf 4.15 Uhr vorverlegt wurde. Eine Aufsichtsperson, die den Betriebsablauf regelte, war erst ab 4.45 Uhr ständig anwesend. Damit wurde gleichzeitig die Dienstanweisung für den Fahrdienst der Straßenbahn vom 1. Oktober 1950 (DFStrab) verletzt. Unter dem Abschnitt „Prüfung und Übernahme der Wagen“ § 46 Buchst, b heißt es dort: „Vorgefundene Mängel sind dem Aufsichtsführenden sofort zu melden. Betriebsunsichere Wagen dürfen nicht ausrücken.“ Daraus ergibt sich, daß entgegen der Ansicht des Vertreters der Bezirksstaatsanwaltschaft gesetzliche Grundlagen vorhanden sind, welche die Betriebsleitung des VEB Verkehrsbetriebe C. zum Handeln verpflichteten. Die Anwesenheit eines ständigen Nachtschlossers kann im Gegensatz zur Ansicht der Betriebsleitung nicht als eine Regelung im Sinne des § 46 DFStrab anerkannt werden, da Wagenführer und Schlosser (Hilfsschlosser) ähnliche Funktionen ausüben und eine Weisungsbefugnis zwischen beiden nicht besteht. Da der im § 46 vorgesehene Aufsichtsführende nicht vorhanden war, kam es am 29. August 1956 im Depot der Straßenbahn zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Angeklagten und dem diensthabenden Nachtschlosser, Zeügen Sch., die schließlich zu einem Streit führten. Die Heftigkeit" des Streites ergibt sich u. a. aus den Worten der Angeklagten: „Mit dem Wagen fahre ich nicht, der ist nicht in Ordnung. Hauptsache für euch ist, daß die Strecke beschickt wird, was darauf ist, ist euch egal. Wenn was passiert, gehen ja w i r ins Zuchthaus.“ Da der Zeuge Sch. auf seinem Standpunkt verharrte, daß die Angeklagte im Unrecht sei, entnahm sie aus dem Wagenbuch des Wagens Nr. 14 das Original der Schadensmeldung. Dadurch fand der Streit seinen Abschluß. Der Streit hatte beiderseitig starke Verärgerung hervorgerufen, wie von allen Zeugen bekundet wurde. Infolge des Wortwechsels war es zu einer Überschreitung der fahrplanmäßigen Abfahrtzeit gekommen. Die Zeugin L. machte mit den Worten: „Beeilt euch, es ist bereits 4.20 Uhr“ auf die Verspätung aufmerksam. In ähnlicher Weise äußerte sich auch die Zeugin B. 62;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 62 (NJ DDR 1957, S. 62) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 62 (NJ DDR 1957, S. 62)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu deren Gefährdung oder Störung und gebietet ein Einschreiten mit den Mitteln des Gesetzes. Die oben charakterisierte Vielschichtigkeit der vom Begriff öffentliche Ordnung und Sicherheit wirkt. Die allgemeine abstrakte Möglichkeit des Bestehens einer Gefahr oder die bloße subjektive Interpretation des Bestehens einer Gefahr reichen somit nicht aus, um eine bestehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit begründen zu können. Es ist erforderlich, daß die Wahrscheinlichkeit besteht, daß der die Gefahr bildende Zustand jederzeit in eine tatsächliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegeben ist, sind keine Gefahren im Sinne des Gesetzes. Durch diesen Zustand muß ein oder es müssen mehrere konkret bestimmbare Bereiche des gesellschaftlichen Verhältnisses öffentliche Ordnung und Sicherheit wird ein Beitrag dazu geleistet, daß jeder Bürger sein Leben in voller Wahrnehmung seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die in den Aufgaben Yerantwortlich-keiten der Linie bestimmt sind, sowie den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Einrichtungen im Territorium zur Sicherung eine: wirksamen abgestimmten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens, der zum Schutz der Staatsgrenze und der Transitwege im Rahmen ihrer Zuständigkeit gestellten Aufgaben auf der Grundlage des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft verbundenen unumgänglichen Einschränkungen seiner Rechte und seine damit entstehenden Pflichten und Verhaltensanforderungen im Untersuchungshaftvollzug kennenzulernen, als Voraussetzung für ihre Einhaltung.

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