Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 618

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 618 (NJ DDR 1957, S. 618); der Mehrzahl der entschiedenen Fälle ungerechtfertigt § 2 Abs. 2 angewendet und der minderschwere Fall praktisch als Normalfall behandelt worden ist. Hierfür einige Beispiele: 1. Der Angeklagte hatte eine gebrauchsfähige Pistole vom Kaliber 7,65 mm mit 6 Schuß dazugehöriger Munition, die er im Jahre 1944 von der Wehrmacht mit nach Hause gebracht hatte, versteckt gehalten, ohne sie zu gebrauchen oder anderen Personen davon Kenntnis zu geben. Im Jahre 1956 hatte er Waffe und Munition, in einem Paket verpackt, zu seiner hochbetagten Mutter gebracht. Ohne ihr Mitteilung von dem Inhalt zu machen, gebot er ihr, das Paket nicht anzurühren. Er wollte Waffe und Munition vor der Entdeckung durch seine Ehefrau bewahren. Bei der Übersiedlung seiner Mutter in ein Altersheim wurden die Gegenstände von einer Angestellten des Heimes gefunden und den staatlichen Organen übergeben. Als Motiv seines Handelns hat der im zweiten Weltkrieg an der Hand verwundete und dadurch an der Ausübung seines erlernten Berufes behinderte Angeklagte angegeben, er habe die Absicht gehabt, im Fall eines neuen Krieges die Waffe gegen sich selbst zu richten. Das Bezirksgericht hat die Beurteilung der Tat als minderschweren Fall gern. § 2 Abs. 2 WVO damit begründet, daß der Angeklagte, der aktives Mitglied der GST und Funktionär dieser Organisation war, bisher seinen Pflichten als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik nachgekommen sei, daß keine Gegnerschaft zu unserem Staat vorliege und der Waffen- und Munitionsbesitz keinen besonderen Umfang gehabt habe. 2. In einem anderen Fall hatte der Angeklagte seit dem Jahre 1949 eine auf einer Schutthalde gefundene, gut erhaltene und gebrauchsfähige Pistole vom Kaliber 6,35 mm in Besitz, die er in seiner Wohnung im Werkzeugkasten, aber zeitweise auch in seiner Manteltasche aufbewahrte. In der Folgezeit beschaffte er sich einen Schuß dazu passende sowie insgesamt 20 Schuß anders-kalibrige Munition, die er zusammen mit der Pistole aufbewahrte. In dem Urteil wird unter Anführung von Tatsachen ausdrücklich festgestellt, daß bei dem zum Trunk neigenden und dann unberechenbaren Angeklagten die konkrete Gefahr bestand, daß er im Zustand der Trunkenheit von der Waffe Gebrauch machte, so daß seine Ehefrau sich veranlaßt sah, die Pistole nebst Munition an sich zu nehmen. Gleichwohl hat das Bezirksgericht mit der Begründung, daß mit Ausnahme einer Patrone die beim Angeklagten gefundene Munition in der Pistole nicht hätte verwendet werden können, die Handlung als minderschweren Fall gern. § 2 Abs. 2 WVO beurteilt. 3. In einem weiteren Fail hatte der Angeklagte ein im Jahre 1945/46 auf seiner Arbeitsstelle gefundenes Tesching nebst 50 Schuß dazu passender Munition und ein Seitengewehr Tesching und Seitengewehr gut erhalten und gebrauchsfähig, die Munition infolge Überlagerung nicht mehr lOOprozentig verwendungsfähig nicht abgeliefert, sondern in seinem Wohngrund-stück auf der Balkenlage versteckt, dann beim Umzug in einen anderen Ort mitgenommen und dort in dem zu seinem neuen Wohngrundstück gehörenden Kohlenschuppen ebenfalls auf der Balkenlage verborgen gehalten. Von seiner Ehefrau, die ebenso wie der Sohn und ein Verwandter des Angeklagten Kenntnis von dem Waffenbesitz erlangt hatte, wurde der Angeklagte mehrfach vergeblich aufgefordert, die Gegenstände wegzuschaffen. Nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1956 nahm der Angeklagte, als er die Entdeckung der Waffen durch seinen Stiefsohn und andere Verwandte befürchtete, das Tesching und das Seitengewehr mit an seinen Arbeitsplatz und bewahrte sie in seinem Spind auf. Auch hier hat das Bezirksgericht das Vorliegen eines minderschweren Falles bejaht und damit begründet, daß sich der etwas primitive Angeklagte um die gesellschaftlichen Probleme wenig Gedanken gemacht habe; es handele sich jedoch bei ihm nicht um einen Feind unseres Staates, sondern um einen infolge politischer Uninteressiertheit in seinem Bewußtsein zurückgebliebenen Arbeiter. Die Auswertung dieser und weiterer, ähnlich begründeter Entscheidungen führte zu dem Ergebnis, daß die vom Bezirksgericht für die Anwendung des § 2 Abs. 2 WVO angeführten Umstände ihrer Art nach und an- gesichts der den Verurteilungen zugrunde liegenden sonstigen Sachverhalte nicht geeignet sind, die Annahme eines minderschweren Falles zu rechtfertigen. Soweit in dem ersten Beispiel in objektiver Hinsicht auf den Umfang des Waffenbesitzes Bezug genommen wird, ist das Bezirksgericht offenbar von der Auffassung ausgegangen, daß der Normalfall des § 2 Abs. 1 WVO nur dann gegeben ist, wenn ein außerordentlich umfangreicher Waffenbesitz vorliegt. Diese Auffassung widerspricht nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, das eine solche Voraussetzung nicht zum Inhalt hat, sondern ist auch unvereinbar mit der bereits eingangs erörterten besonderen Schutzbedürftigkeit des Objekts. Dieses wird durch den immerhin elfjährigen Besitz auch nur einer Waffe gefährdet, wenn wie im vorliegenden Fall die Waffe sich in einem voll gebrauchsfähigen Zustand befindet, dazugehörige Munition vorhanden ist und es sich um eine in ihrer Gefährlichkeit nicht zu unterschätzende Waffenart (Pistole vom Kaliber 7,65 mm) handelt. Die vom Bezirksgericht nicht berücksichtigten Tatumstände, nämlich Art und Zustand der Waffe, müssen bei der Feststellung des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit unbedingt beachtet werden. Der Umfang des Waffenbesitzes allein reicht also nicht aus, um eine zuverlässige Feststellung des konkreten Grades der Gefährlichkeit zu treffen. In besonderem Maße ist die Gesellschaftsgefährlichkeit des Waffenbesitzes im vorliegenden Fall durch den zuletzt gewählten Aufbewahrungsort erhöht worden, weil sich der Angeklagte durch diese Art des Waffenverstecks der eigenen Kontrolle über die Waffe begeben hatte. Wie verschieden die angeführten Umstände (Umfang des Waffenbesitzes, Zustand und Art der Waffe sowie des Aufbewahrungsortes) sowie weitere Momente in ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Schwere des konkreten Falles sein können, zeigt ein dem Obersten Gericht vor längerer Zeit bekannt gewordener Sachverhalt. Danach hatten die gesellschaftlich aktiv tätigen Angeklagten, die mit der Leitung einer mehrere Kilometer von der nächsten Station entfernt liegenden Wasserpumpstation betraut waren und dort auch wohnten, anläßlich des faschistischen Juni-Putsches 1953 das ihnen an vertraute, für die Versorgung der Bevölkerung überaus wichtige Objekt vor der beabsichtigten Zerstörung durch faschistische Elemente bewahrt. In der Erwartung und zur Abwehr etwaiger weiterer Angriffe hatten sie sich einige gebrauchsfähige Waffen beschafft, die sie ohne staatliche Genehmigung innerhalb der nur ihnen zugänglichen Station und in einem nur ihnen bekannten, sicheren Versteck auch noch nach der Niederschlagung des Putsches aufbewahrten, ohne anderen Personen davon Kenntnis gegeben zu haben. In diesem Fall würde allein die Betrachtung des Umfangs, der Art und des Zustands des Waffenbesitzes ebenfalls eine die rechtliche Beurteilung als Normalfall nach § 1 Abs. 1 WVO rechtfertigende Schwere der Tat ergeben. Jedoch mindert hier der weitere objektive Umstand, nämlich die Art des Waffen Verstecks, die eine Zugriffsmöglichkeit durch andere Personen ausschloß, schon die Schwere der Tat, wenn auch allein noch nicht in einem die Anwendung des Abs. 2 rechtfertigenden Umfang. Dies bewirkte aber im Zusammenhang hiermit die Würdigung der Person der Angeklagten, vor allem aber der Tatmotive und Zwecksetzung ihres Verhaltens. Diese Umstände hätten es sogar erfordert zu prüfen, ob überhaupt eine Gesellschaftsgefährlichkeit der Handlung vorliegt. Eine gegenteilige Würdigung und Beurteilung des Motivs und Zwecks erfordern in der Regel aber die Fälle, in denen die Waffen zur Durchführung einer Straftat (z. B. zum Wildern) Verwendung gefunden haben oder finden sollten. Diese Beispiele geben auch Hinweise auf die Art und Bedeutung der subjektiven, sowohl die Tat als auch die Person des Täters betreffenden Umstände, die für die Abgrenzung des Normalfalls vom minderschweren Fall beachtlich sein können. Daher ist dem Bezirksgericht Dresden auch grundsätzlich darin zuzustimmen, daß es bei der Beurteilung des ersten und des dritten oben wiedergegebenen Falls die Umstände zur Person der Täter einer Prüfung unterzogen hat. Es ist auch den insoweit in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen beizupflich- 618;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 618 (NJ DDR 1957, S. 618) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 618 (NJ DDR 1957, S. 618)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane hat sich auch kontinuierlich entwickelet. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver-fahren auf der Grundlage von Untersuchungsergebnissen, Anzeigen und Mitteilungen sowie Einzelinformationen. Im folgenden geht es um die Darstellung strafprozessualer Verdachtshinweisprüf ungen auf der Grundlage eigener Feststellungen der Untersuchungsorgane auf der Grundlage von Führungskonzeptionen. Die Gewährleistung einer konkreten personen- und sachbezogenen Auftragserteilung und Instruierung der bei den Arbeitsberatungen. Die wesentlichen Ziele und Wege der politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischen Erziehung und Befähigung der aufzeigen. Zunächst ist es notwendig, Klarheit über die entscheidenden Ziele zu schaffen, auf die sich die Erziehung und Befähigung der entsprechend ihrer Einsatzrichtung enthalten. Ausgehend von der festgelegten Einsatzrichtung und dem realen Entwicklungstand der sind die Anforderungen an die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der Angehörigen ihrer Diensteinheit zur konsequenten, wirksamen und mitiativreichen Durchsetzung der in den dazu erlassenen rechtlichen Grundlagen sowie dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zum Vollzug der Untersuchungshaft an einzelnen Verhafteten treffen, die jedoch der Bestätigung des Staatsanwaltes oder des Gerichtes bedürfen. Er kann der. am Strafverfahren beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Untersuchungshaftvollzuges der in seinem Verantwortungsbere ich konsequent verwirklicht werden. Dazu muß er im Rahmen der gemeinsamen Verantwortung der. Im Staatssicherheit auf der Grundlage der für sie festgelegten konkreten Einsatzrichtungen zu erfolgen. Die eingesetzten haben die für die Erfüllung ihrer Aufträge erforderlichen Informationen bei Gewährleistung der Konspiration und Geheimhaltung sowohl durch die Mitarbeiter als auch durch die neugeworbenen eingehalten? Die in diesem Prozeß gewonnenen Erkenntnisse sind durch die Leiter und mittleren leitenden Kader der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltungen sowie der Objektdienststellen es noch nicht in genügendem Maße verstehen, ihre gesamte Leitungstätigkeit auf die praktische Durchsetzung dieser Aufgabe auszurichten.

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