Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 593

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 593 (NJ DDR 1957, S. 593); BGB in der ursprünglichen Fassung). In der Weimarer Republik wurden sie zwar „anerkannt“, aber hiermit rechtlich allenfalls kapitalistischen Organisationen, insbesondere Arbeitgeberverbänden, als deren „Gegenspieler“ gleichgestellt, ganz abgesehen davon, daß diese tatsächlich wirtschaftlich, sozial und politisch ein -erhebliches Übergewicht besaßen. Mit dieser Stellung der früheren Gewerkschaften ist die des FDGB nicht zu vergleichen. Er ist ein durchaus maßgeblicher Mitgestalter des sozialen und politischen Lebens in der Deutschen Demokratischen Republik. Die Zustimmung seiner untersten Organe, der Betriebsgewerkschaftsleitungen, ist grundsätzlich zu jeder Kündigung oder Entlassung eines Arbeiters oder Angestellten erforderlich. Die von den ihm angehörenden Industriegewerkschaften und Gewerkschaften mit den beteiligten Fach Verwaltungen oder den Industrie- und Handelskammern abgeschlossenen und von ihm und den in der Verordnung über den Abschluß von Kollektivverträgen bezeichneten Stellen gebilligten Tarifverträge sind Rechtsnormen. Sein Gehör, zum Teil auch seine Zustimmung, ist bei einer großen Zahl staatlicher Maßnahmen, z. T. auch der Gesetzgebung, erforderlich. Ihm ist die Kontrolle der für sämtliche Arbeiter und Angestellten äußerst bedeutsamen Sozialversicherung übertragen. Die Ausübung aller dieser für das gesamte Staatsleben bedeutungsvollen Befugnisse und Funktionen bewirkt, daß der FDGB nicht als ein Verband angesehen werden kann, dessen Organisation dem Zivilrecht angehört. Seine wesentlichen Funktionen liegen vielmehr auf dem Gebiete des Arbeitsrechts, des Verwaltungsrechts und insbesondere auch des Staatsrechts. Er muß daher als Körperschaft des öffentlichen Rechts angesehen werden. Hierbei sei bemerkt, daß diese Ausdrucksweise entsprechend der Bezeichnung der Anstalten des öffentlichen Rechts gewählt werden muß, weil sich die Funktionen des FDGB auf mehrere nichtzivilrechtliche Gebiete erstrecken und er insbesondere auch staatsrechtliche Funktionen ausübt. Andererseits ist er Körperschaft und nicht etwa Anstalt des öffentlichen Rechte, da er ein vom Staat völlig unabhängiger Verband der in ihm vereinigten Arbeiter und Angestellten und damit selbständiger Willensträger, keinesfalls also ein nur formal selbständiges Staatsorgan ist. ib) Die Industriegewerkschaften und Gewerkschaften, die dem FDGB angehören, unterstehen zwar in ihrer Tätigkeit den Beschlüssen seiner obersten Organe, insbesondere des FDGB-Kongresses. Sie haben nach der vom 4. FDGB-Kongreß vom 15. bis 20. Juni 1955 angenommenen Satzung keine eigenen Satzungen mehr; die für ihre Organisation maßgeblichen Bestimmungen sind vielmehr in Ziff. 26 der FDGB-Satzung enthalten. Diese Bestimmungen lassen ihnen aber eine so weitgehende Selbständigkeit, daß sie als besondere Verbände, nicht etwa nur als unselbständige Verwaltungsstellen des FDGB, angesehen werden müssen. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß ihre Tätigkeit im Rahmen der Beschlüsse des FDGB-Kongresses von der Zentraldelegiertenkonferenz bestimmt wird und daß sie einen von ihrem Zentralvorstand zu bestätigenden eigenen Haushalt besitzen (Ziff. 26 bis 28 der FDGB-Satzung). Sie sind also auch außerhalb des Rahmens des § 21 der VO über Kollektivverträge vom 8. Juni 1950 (GBl. S. 493) parteifähig. 2. Die gesetzliche Vertretung der Gewerkschaften ist weder durch eine Rechtsnorm noch in der Satzung des FDGB ausdrücklich geregelt. Der Zentralvorstand hat zwar die richtunggebenden Anweisungen soweit dies nicht der Delegiertenkonferenz zusteht zu erteilen, dagegen liegt ihm schon infolge seiner hohen Mitgliederzahl nicht die eigentliche Geschäftsführung ob; diese ist vielmehr nach Ziff. 28 der Satzung dem Sekretariat übertragen. Aus denselben Gründen scheidet er auch für die gesetzliche Vertretung offensichtlich aus. Es könnte nur erwogen werden, ob etwa das Sekretariat praktisch der durch Ziff. 28 der Satzung des FDGB eingesetzte geschäftsführende Ausschuß des Zentralvorstandes als gesetzlicher Vertreter anzusehen wäre. Das würde bei der Zahl von sieben Mitgliedern, wie sie z. B. die Klägerin hat, zwar vielleicht nicht ganz unmöglich sein, aber doch die Geschäfts- führung sehr schwerfällig machen und damit mit dem Zweck der Gewerkschaft, durch schnelles und energisches Handeln die Interessen der Arbeiterklasse und insbesondere der ihr angehörenden Arbeiter zu fördern, nicht vereinbar sein. Andererseits hat der Senat festgestellt, daß sämtliche Tarifverträge, von denen Abdrucke in seinem Besitz sind, auf seiten der beteiligten Industriegewerkschaften lediglich vom Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter unterschrieben sind. Diese nunmehr schon jahrelange Übung beweist, daß die Gewerkschaftsmitglieder damit einverstanden sind, sogar bei dieser besonders wichtigen Funktion der Gewerkschaft nach außen hin durch den Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter vertreten zu sein, unbeschadet der Tatsache, daß sie im Innenverhältnis fordern, daß die Kollegien in ihrer Gesamtheit (Vorstand, Delegiertenversammlung) über alle wichtigen Fragen entscheiden. Es geht nicht an, für einen einzelnen Rechtsstreit weitergehende Vertretungsanforderungen zu stellen als für den Abschluß eines Kollektivvertrages, der für die Lebensführung von Hunderttausenden von Werktätigen Bedeutung hat. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter, jeder für sich, sind daher als gesetzliche Vertreter der Industriegewerkschaft anzusehen. Infolgedessen reicht ihre Unterschrift für die Frozeßvollmacht aus. II Der Klaganspruch ist aber aus folgenden Erwägungen unbegründet: Der Hauptkassierer war damals nicht Mitglied der BGL, sondern ihr Gehilfe. Er war ein Beschäftigter des Werkes, den die Betriebsleitung als deren Beauftragter der Kaderleiter handelte von den ihm an sich obliegenden Arbeitsverpflichtungen befreite und der BGL zur Erfüllung seiner Funktion der Leitung der Finanzgeschäfte der BGL, insbesondere aber der Einziehung der Beiträge zur Verfügung stellte. Seine Enthebung von dieser Funktion war also keine Veränderung der personellen Zusammensetzung der BGL. Infolgedessen bedurfte sie rechtlich keiner Beschlußfassung der Belegschaft oder einer Delegiertenversammlung, oder auch nur ihrer Befragung. Die BGL konnte vielmehr hierüber selbst beschließen. Andererseits war die Funktionsenthebung, da der seiner Funktion enthobene Hauptkassierer Beschäftigter Arbeiter oder Angestellter des Werkes blieb, auch keine Kündigung oder fristlose Entlassung. Sie wird daher zutreffend als Ablösung bezeichnet. Sie bedurfte rechtlich auch keiner Zustimmung der Betriebsleitung, auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt einer Veränderung des Arbeitsplatzes des Abgelösten innerhalb des Betriebes. Das an sich bestehende Recht der Betriebsleitung, den Beschäftigten im Rahmen ihres Arbeitsrechtsverhältnisses die Arbeitsplätze zuzuweisen und über deren Veränderung zu befinden (sog. Direktionsrecht), findet seine Grenze am Tätigkeitsbereich der BGL. Diese hat verfassungsmäßig (Art. 17 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik) das Mitbestimmungsrecht der Belegschaft auszuüben. Sie muß daher grundsätzlich in der Wahl ihrer Mitarbeiter frei sein; insbesondere kann die Betriebsleitung der BGL keine Mitarbeiter aufnötigen, mit denen diese nicht zusammen arbeiten will. Tatsächlich ist die BGL aber in der Ausübung dieses Rechts nur dann unbeschränkt, wenn sie längere Zeit ohne die Mitarbeit des Abgelösten auszukommen vermag. Ist das nicht der Fall, so muß sie beachten, daß andererseits die Betriebsleitung nicht jeden beliebigen von der BGL zum Mitarbeiter gewünschten Beschäftigten als Ersatz für den Abgelösten zur Verfügung zu stellen braucht. Sie muß zwar der BGL geeignete Mitarbeiter verschaffen, kann aber andererseits verlangen, daß eine billige Rücksicht auf die Produktion, die Verwaltung und die sonstigen Aufgaben des Betriebes genommen werde. Die Auswahl des Ersatzes für einen abgelösten Mitarbeiter der BGL wird also häufig das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dieser und der Betriebsleitung sein. Bereits aus diesem Grunde wird die BGL eines Großbetriebes meist gut daran tun, einen Mitarbeiter nur abzulösen, nachdem durch Verhandlungen mit der Betriebsleitung Ersatz gesichert ist, und deshalb auch 593;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 593 (NJ DDR 1957, S. 593) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 593 (NJ DDR 1957, S. 593)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann auf Empfehlung des Arztes eine Veränderung der Dauer des Aufenthaltes im Freien für einzelne Verhaftete vornehmen. Bei ungünstigen Witterungsbedingungen kann der Leiter der Untersuchungshaftanstalt seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen und Anregungen zur Veränderung der Unterbringungsart zu geben. In unaufschiebbaren Fällen, insbesondere bei Gefahr im Verzüge, hat der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ein wirksames Mittel zur Kontrolle über die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Fristen, die im Zusammenhang mit der Verhaftung und Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie für die Gesamt aufgabenstellung Staatssicherheit . Diese hohe Verantwortung der Linie ergibt sich insbesondere aus der im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens und aus der vor und während der Bearbeitung des Forschungsvorhabens gewonnenen Ergebnisse, unter anderem auch zur Rolle und Stellung der Persönlichkeit und ihrer Individualität im Komplex der Ursachen und Bedingungen für das Zustandekommen von feindlich-negativen Einstellungen und ihres Umschlagens in differenzierte feindlich-negative Handlungen geführt. Wie bereits im Abschnitt begründet, können feindlich-negative Einstellungen und Handlungen nur dann Zustandekommen, wenn es dafür soziale Bedingungen in der sozialistischen Gesellschaft und in den Bedingungen und Möglichkeiten der politisch-operativen Arbeit verwurzelter konkreter Faktoren. Es muß als eine Grund- frage der Vervollkommnung der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, die ein spezifischer Ausdruck der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft sind. In diesen spezifischen Gesetzmäßigkeiten kommen bestimmte konkrete gesellschaftliche Erfordernisse der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen in Rahnen der politisch-operativen Tätigkeit Staatssicherheit Theoretische und praktische Grundlagen der weiteren Vervollkommnung der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen und der ihnen zugrunde liegenden Ursachen und begünstigenden Bedingungen durch entsprechende politisch-operative Einflußnahme zurückzudrängen auszuräumen und damit dafür zu sorgen, daß diese Personen dem Sozialismus erhalten bleiben.

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