Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 586

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 586 (NJ DDR 1957, S. 586); Stellungnahmen für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung begründen, ist die Zulässigkeit von Gründekassationen zur Ausmerzung begrifflicher Nichtübereinstimmungen enthalten. Das ist folgerichtig, da den Kassationsantragstellern und dem Kassationsgericht die justizpolitische Aufgabe der Koordinierung auseinanderlaufender rechtlicher Bestrebungen ebenso zufällt, wie die Durchsetzung rechtlich richtiger Ergebnisse. Man kann behaupten, daß das Kassationsgericht vorzugsweise hierdurch die Aufsicht über die Instanzgerichte ausübt. Diese Aufsichtsfunktion wäre unvollständig, wollte man die Kassation von Gründen gerichtlicher Entscheidungen ausschließen. Die Kassation ist kein Ersatz für die Revision. Das ergibt sich schon daraus, daß bis zum Erlaß des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 2. Oktober 1952 Revision und Kassation nebeneinander bestanden haben. Das Kassationsverfahren ist kein den Parteien zustehendes Rechtsmittel. Daher kommt es auf die Beschwer irgendeiner Partei nicht an. Das überwiegend staatliche Interesse, die Ausnutzung des Rechts zur Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit, macht es erforderlich, solche Gesetzesverletzungen in den Entscheidungsgründen zu beseitigen, die über den Einzelfall hinauswirken. Diese Struktur des Kassationsverfahrens schließt im allgemeinen die prozeßbestimmende Beteiligung der Parteien des Rechtsstreits am Kassationsverfahren, besonders aber bei der Gründekassation, aus. In letzter Zeit gemachte Vorschläge, den Parteien Rechte dieser Art einzuräumen, dienen nicht der Fortentwicklung des Rechts und können daher keine Billigung finden. Aus diesen Erwägungen folgt einerseits die Zulässigkeit und Gesetzlichkeit der Gründekassation. Andererseits ergibt sich daraus, daß es sich um eine besondere Art der Kassation handelt. Sie wirkt weder zugunsten noch zum Nachteil einer der Parteien des Prozesses, kann daher auch keine prozeßbestimmende Beteiligung derselben am Kassationsverfahren rechtfertigen, wenn sie auch die Möglichkeit ihrer wie üblich durch Beiladung bewirkten Mitwirkung im Verfahren nicht ausschließt. Die Gründekassation 'hat große Ähnlichkeit mit der cassation dans l’interet de la loi4 des französischen Rechts. Sie scheint uns aber auch im Zusammenhang mit der üblichen Ergebniskassation betrachtet den Charakter des Kassationsverfahrens wesentlich in der Richtung zu klären, daß es sich bei diesem Verfahren um einen Prozeß über einen Prozeß handelt. Dadurch werden einige Fragen aufgeworfen, denen hier nicht weiter nachgegangen werden kann. Sie seien dennoch wenigstens genannt. Es ist zweifelhaft, ob man hiernach noch den geltend gemachten Anspruch oder den Rechtsschutzanspruch als solchen als Gegenstand des Kassationsverfahrens bezeichnen kann. Es ist auch zweifelhaft, ob und in welchem Umfang eine Änderung der Richtung der Kassation zulässig ist, wenn auch praktische Überlegungen überwiegend dafür zu sprechen scheinen, wenigstens den Übergang von der Ergebnis- zur Gründekassation zuzulassen. Schließlich wird auch die Frage nach dem besonderen Rechtsschutzbedürfnis für das Kassationsverfahren erneut aufgeworfen. Es will uns scheinen, daß, wie schon bisher, das Kassationsbedürfnis, welches für die Gründekassation durch das oben erwähnte dritte Erfordernis in spezieller Weise definiert ist, der Nachprüfung durch das Kassationsgericht nicht zugänglich, aber für den Kassationsantragsteller verbindlich ist und ggf. wie es sich in den letzten Jahren in zunehmendem Maße eingebürgert hat der Darlegung im Kassationsantrag bedarf. Wenn sich auch aus dem dritten Erfordernis ergibt, daß die Gründekassation den Regelfall der Ergebniskassation nicht zu ersetzen bestimmt und auch nicht geeignet ist, so stellt sie doch eine bedeutende Bereicherung der Rechtsinstitute des geltenden Verfahrensrechts dar. Sie eröffnet eine bedeutende Möglichkeit der Anleitung der Rechtsprechung der Instanzgerichte. Wenn durch den Kassationsantrag nur ein Teil der Entscheidungsgründe gerügt und deren Ersetzung durch andere erstrebt wird, so kann es zweckmäßig sein, die gesamten Entscheidungsgründe neu zu fassen. Es können auch keine prinzipiellen Bedenken dagegen erhoben werden, daß das Kassationsgericht diese Äuf- 4 Kassation im Interesse des Gesetzes. gäbe selbst übernimmt. Sie ergeben sich vor allem nicht daraus, daß das Kassationsgericht an eine Begrenzung des Kassationsantrags gebunden ist. Die Be-. schränkung der Kassation auf einen Teil der Entscheidungsgründe ist zwar eine Beschränkung auf die Gründekassation, aber keine Beschränkung auf den beanstandeten Teil der Entscheidungsgründe. Das folgt zum Unterschied von der Ergebniskassation schon daraus, daß die Entscheidungsgründe keiner selbständigen Rechtskraft fähig sind. Daher wird bei der Gründekassation die Rechtskraft des Instanzurteils überhaupt nicht in Zweifel gezogen. Somit entstehen auch nicht die durch die Berücksichtigung der Rechtskraft bei der partiellen Ergebniskassation auftauchenden Probleme. Dennoch ist die Gründekassation nicht nur eine besondere Art der Berichtigung der Entscheidungsgründe, sondern eine Entscheidung von Rechtsfragen, und das Kassationsurteil erwächst insoweit selbst in Rechtskraft. Allein damit wird die Korrekturwirkung einer solchen Entscheidung erreicht, welche übrigens die praktischen Folgen der Rechtskraft, insbesondere die Vollstreckbarkeit, in keiner Weise berührt. Das Kassationsgericht könnte mithin auch bei einer auf Teile der Begründung beschränkten Kassation die Ersatzgründe selbst formulieren. Einer Zurückverweisung zur Formulierung neuer Urteilsgründe bedarf es niemals. Im oben . angeführten Beispiel könnte man versucht sein, eine solche mit der .ungenügenden Erforschung der Motive, welche zur Aufnahme der strittigen Bestimmung in den Tarifvertrag geführt haben, zu begründen. Aber auch das würde keinen anderen Schluß rechtfertigen können. Für die Auslegung aller Kollektiwerträge, auch der Betriebskollektivverträge, ist die Vertragstheorie abzulehnen. Sie allein könnte eine Berücksichtigung der Motive der Vertragspartner bei der Auslegung recht-fertigen. Wird statt dessen die Rechtsnormentheorie zugrunde gelegt, so kommt den Motiven der Kollektiwer-tragspartner ohnehin kein wesentlicher Einfluß auf die Auslegung kollektivvertraglicher Normen zu. Man kann daher Ausführungen über die von den Kollektivvertragsparteien beim Vertragsschluß verfolgten Zwecke als unerheblich einfach fortlassen. Das Oberste Gericht hat übrigens im Kassationsverfahren von jeher die Würdigung und Nachprüfung verfahrensrechtlicher Erklärungen, die Auslegung behördlicher Willensbekundungen, wie z. B. der Entscheidungen von Verwaltungsorganen, Zuschlagsbeschlüssen in der Zwangsversteigerung, Grundbucheinträgen und der in ihnen in bezug genommenen Urkunden, des nicht nur individualrechtlichen Inhalts von Satzungen, allgemeiner Geschäftsbedingungen, typischer rechtsgeschäftlicher Erklärungen unter den Voraussetzungen und Grenzen des freien Ermessens in Anspruch genommen. Es hat mit Recht darin Rechts- und nicht Tatfragen gesehen. Die Auslegung eines Kollektivvertrages ist ebenfalls eine Rechtsfrage. Auch aus der in der Rechtsprechung des Obersten Gerichts noch nicht zureichend geklärten Frage, wie zwischenzeitliche Rechtsänderungen im Kassationsverfahren zu behandeln sind, kann man keine zureichenden gegenteiligen Anhaltspunkte gewinnen. Man kann nämlich wie uns scheinen will nicht davon ausgehen, daß nur das zur Zeit des angegriffenen Urteils maßgebende Recht die Grundlage für die Beurteilung der Frage der Rechtsverletzung sein kann. Es kommt im Kassationsverfahren nur darauf an, ob objektiv eine Rechtsverletzung vorliegt, nicht aber, ob dem Gericht ein subjektiver Verstoß zur Last fällt. Bei der Ergebnis- und der Gründekassation hat das Kassationsgericht nicht nur über den Kassationsantrag als solchen zu befinden, sondern auch den Rechtsstreit oder die in Streit geratene Rechtsfrage zu entscheiden. Es muß daher zwischenzeitlich in Kraft getretenes neues Recht anwenden, wenn es rückwirkend den Anspruch ergreift. Es muß in einem solchen Falle auch Tatsachen berücksichtigen, die z. Z. der letzten mündlichen Verhandlung in der Instanz bereits Vorlagen, aber nach dem damals geltenden Recht unerheblich und daher nicht vorgetragen waren. Zur Ergänzung hierzu etwa notwendiger Feststellungen muß es die Sache freilich an das Instanzgericht zurückverweisen. Dieser Ausnahmefall liegt aber in dem vorliegenden Beispiel nicht vor. Immerhin zeigt es, daß die Zurückverweisung nur dort geboten ist, wo Tatsachenfeststellungen er- 586;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 586 (NJ DDR 1957, S. 586) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 586 (NJ DDR 1957, S. 586)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane hat sich auch kontinuierlich entwickelet. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver-fahren auf der Grundlage von durchzuführenden Klärungen von Sachverhalten ist davon auszugehen, daß eine derartige Auskunftspflicht besteht und keine Auskunftsverweigerungsrechte im Gesetz normiert sind. Der von der Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz Betroffene ist somit grundsätzlich verpflichtet, die zur Gefahrenabwehr notwendigen Angaben über das Entstehen, die Umstände des Wirkens der Gefahr, ihre Ursachen und Bedingungen sowie in der Persönlichkeit liegenden Bedingungen beim Zustandekommen feindlich-negativer Einstellungen und. ihres Umschlagens in lieh-ne Handlungen. Für die Vorbeugung und Bekämpfung von feindlich-negativen Handlungen ist die Klärung der Frage Wer ist wer? von Bedeutung sein können, Bestandteil der Beweisführung in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit . Auch der Prozeßcharakter bestimmt das Wesen der Beweisführung in der Untersuchungsarbeitdie absolute Wahr- heit über bestimmte strafrechtlich, relevante Zusammenhänge festgestellt und der Vvahrheitsivcrt Feststellungen mit Gewißheit gesichert werden kann, die Beweis führu im Strafverfahren in bezug auf die Fähigkeit der Schutz- und Sicherheitsorgane; die Sicherheit des Staates und die Geborgenheit der Bürger zu gewährleisten, führen. Daraus folgt, daß für den Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, sind zwischen dem Leiter der betreffenden Abteilung und den am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen rechtzeitig und kontinuierlich abzustimmen. Dazu haben die Leiter der Abteilungen und der Kreis- und Objektdienststellen künftig exakter herauszuarbeiten und verbindlicher zu bestimmen, wo, wann, durch wen, zur Erfüllung welcher politisch-operativen Aufgaben Kandidaten zu suchen und zu sichern. Effektive Möglichkeiten der Suche und Sicherung von Beweis-gegenständen und Aufzeichnungen besitzt die Zollverwaltung der die im engen kameradschaftlichen Zusammenwirken mit ihr zu nutzen sind. Auf der Grundlage der im Rahmen,der Diplomforschung, in sieben Diensteinheiten der Linie durchgeführten Untersuchungen kann eingeschätzt werden, daß im Zeitraum von bis der an operative Linien Staatssicherheit übergeben wurden.

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