Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 58

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 58 (NJ DDR 1957, S. 58); Wann werden die neuen Strafarten Gesetz? Seit Jahren herrscht bei Praktikern wie Wissenschaftlern Einmütigkeit darüber, daß das Strafensystem unseres Strafgesetzbuches der gesellschaftlichen Entwicklung unserer Republik nicht mehr entspricht. Deshalb sind auch von keiner Seite prinzipielle Bedenken erhoben worden gegen die vorgeschlagene Einführung des öffentlichen Tadels und der bedingten Verurteilung; bekanntlich haben sich beide Straf arten schon seit längerer Zeit in den Strafensystemen anderer sozialistischer Länder bewährt. Bedauerlicherweise muß sich die Praxis aber noch immer damit begnügen, die „Prinzipien“ der geplanten Neuregelung anzuwenden. Gewiß erfahren dadurch die zur Zeit bestehenden gesetzlichen Bestimmungen keine unzulässige Ausweitung. Aber es ist unbefriedigend, wenn eine zunächst nur als Übergangsmaßnahme gedachte Lösung schließlich zu einer Dauereinrichtung wird. Die Lücke zwischen der Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Rechtsentwicklung, die sich auf manchen Gebieten fast zu einer Kluft auszudehnen beginnt, muß schnellstens geschlossen werden. Dies kann in befriedigender Weise nur durch Konkretisierung oder Neufassung bestimmter Tatbestände oder durch Schaffung neuer Normen geschehen. In ähnlichem Sinne äußert sich auch Hin-derer bezüglich des § 11 Ziff. 1 WStVO (NJ 1956 S. 683). Die Anwendung der neuen Strafarten, sei es heute noch auf einem Umwege oder in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft auf Grund gesetzlicher Regelung, wird in erster Linie die Staatsanwälte und Richter in den Kreisen betreffen. Bei ihnen muß deshalb in besonderem Maße, solange die gesetzliche Regelung noch nicht besteht, Klarheit über ihre Anwendung oder Nichtanwendung herrschen. Zwei Artikel in der „Neuen Justiz“ haben aber m. E. nicht dazu beigetragen, diese Klarheit herbeizuführen. So schlägt Schulze in seinem Artikel über neue Maßstäbe in der Strafpolitik (NJ 1956 S. 645) vor (zunächst auf einzelne Fälle eingeschränkt, aber dann doch recht verallgemeinert), bei einem Schaden von weniger als 300 DM die Sache außerhalb des gerichtlichen Strafverfahrens aus der Welt zu schaffen. Auf die Bedenken, die gegen eine solche Meinung auftauchen müssen, hat schon K 1 i t z s c h hingewiesen (NJ 1956 S. 728). Es kann im Einzelfall angebracht sein, bei einer vorsätzlichen Schadensverursachung von 300 DM von einem Strafverfahren abzusehen. Das muß aber ein Ausnahmefall bleiben. Darüber hinaus aber verleitet es zum Schematismus, wenn die Strafbarkeit überhaupt oder die An- nahme eines schweren Falles nur von der Schadenshöhe abhängig gemacht wird. Welche Konsequenzen die Meinung Schulzes haben kann, hat schon Klitzsch festgestellt. Der Bürger, der wegen eines gestohlenen Fahrrades im Werte von 200 DM oder wegen einer verlorenen Armbanduhr im gleichen Werte, die der Finder unterschlagen hat, Strafanzeige erstattet, verlangt mit Recht die Bestrafung des Täters. Warum soll dann aber ein Dieb, der sich am Volkseigentum vergriffen hat, der z. B. Benzinmarken im Werte von 300 DM aus dem volkseigenen Betrieb gestohlen hat, straffrei ausgehen? Gerade aus den umgekehrten Erwägungen wurde doch das VESchG geschaffen. In solchen weniger schwerwiegenden Fällen wenigstens einen öffentlichen Tadel zu verhängen, wenn schon eine bedingte Verurteilung nicht als notwendig erachtet wird, erscheint auch heute noch erforderlich. Um das tun zu können, muß allerdings erst die gesetzliche Voraussetzung hierfür vorhanden sein. Die Einstellung nach § 153 StPO (alt) hat nicht die gleiche Wirkung wie der öffentliche Tadel. Auch in dem Artikel von Bauch über die Durchführung von Strafverfahren gegen Rückkehrer (NJ 1956 S 729) wird eine Meinung vertreten, die nicht geeignet ist, den Praktikern in den Kreisen zur Klarheit zu verhelfen. Wenn ein Funktionär aus Verärgerung wegen einer offensichtlich begründeten Gehaltsrückstufung (Bauch schreibt: „Neun Monate kämpfte er um sein vermeintliches Recht “) den Staat der Arbeiter und Bauern verläßt, dann ist das schon verwerflich genug, wenn auch nicht strafbar. Wenn er aber dabei auch noch versucht, 2200 DM der DNB auszuführen, dann erachte ich diese Handlung für gerichtswürdig, unabhängig von der Art und der Höhe der Strafe. Außerdem steht dieser Fall auch im Widerspruch zur Überschrift des Artikels; denn diesen Täter, der bereits am Kontrollpunkt zurückgeschickt wurde, als „Rückkehrer“ zu bezeichnen, scheint mir zu weit zu gehen. Warum sollte also nicht Anklage erhoben und eine Strafe verhängt werden? Sicher wäre das Ergebnis befriedigender ausgefallen, wenn die neuen Straf arten schon eingeführt wären. So aber mußte sich das Gericht eben mit dem begnügen, was zur Zeit als Sanktion möglich ist. Die von Bauch offenbar vertretene Meinung, das Verfahren hätte eingestellt werden sollen, wahrscheinlich gern. § 153 StPO (alt), ist meines Erachtens mehr als großzügig. Nach wie vor wird es aber weiter unbefriedigende Urteile geben, wenn nicht bald die neuen Strafarten eingeführt werden. GOTTFRIED HANTUSCH, Staatsanwalt des Kreises Beeskow Rechtsprechung Entscheidungen des Obersten Gerichts Strafrecht § 240 KO; § 263 StGB. 1. Die Nichtbezahlung der bestellten und empfangenen Waren durch einen Händler infolge finanziellen Unvermögens ist nicht in jedem Falle Betrug gegenüber den Lieferfirmen. 2. Zur Frage des Strafmaßes bei einfachem Bankrott (§ 240 KO). OG, Urt. vom 18. Oktober 1956 - 2 Ust II 71/56. Durch Urteil des Bezirksgerichts vom 19. September 1956 ist der Angeklagte wegen einfachen Bankrotts (§ 240 KO) zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die von verschiedenen Firmen gestellten Schadensersatzanträge gern. § 268 StPO sind abgewiesen worden, weil bereits rechtskräftige Titel zugunsten dieser Gläubiger vorliegen (§ 268 Abs. 3 StPO, § 145 KO). Das Bezirksgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte arbeitete bis zum Jahre 1947 als selbständiger Handelsvertreter für Armaturen. Seit dieser Zeit betreibt er unter der im Handelsregister eingetragenen Firma Erwin T. eine Armaturen-Großhandlung in M., über die am 22. Februar 1956 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Firma des Angeklagten hatte 1949/50 einen Umsatz von etwa Vi Million DM und im Jahre 1952 einen Umsatz von 1 178 000 DM mit etwa 120 000 DM Gewinn. Zu dieser Zeit beschäftigte der Angeklagte etwa fünfzehn Personen. Von April bis Juli 1953 wurde die Firma von einem Treuhänder verwaltet, weil der Angeklagte wegen Wirtschaftsverbrechens in- haftiert war. In diesem Jahr wurde ein Umsatz von 792 000 DM mit einem Gewinn von 123 000 DM erzielt. Vom Jahre 1954 an ging der Umsatz ständig zurück und betrug im Jahre 1955 nur noch 250 000 DM bei einem Gewinn von 17 900 DM. Der Umsatzrückgang hatte zur Folge, daß die Firma des Angeklagten verschuldete. So hatte die Firma mit Abschluß der Geschäftsjahre 1953 1273 DM, 1954 55 243 und 1955 83 127 DM Schulden. Durch die schlechte Finanzlage konnten die von den volkseigenen Betrieben, mit denen er in Geschäftsverbindung stand, erteilten RE-Aufträge nicht fristgemäß realisiert werden. Im Jahre 1955 gingen etwa 50 Pfändungs- und Uberweisungsbeschlüsse zu Lasten des Angeklagten ein. Er wurde zur Leistung des Offenbarungseides geladen. Trotz der steigenden Verschuldung entnahm der Angeklagte jährlich etwa 23 000 DM für persönliche Zwecke aus der Firma. Davon waren 7 800 DM für den Lebensunterhalt seiner Familie bestimmt und 12 000 DM für Zechereien sowie Lotto- und Toto-Wetten, für die er wöchentlich etwa 50 DM ausgab. In den 23 000 DM waren etwa 3000 DM enthalten, die der Angeklagte als Geschäftsunkosten verausgabte, jedoch auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen nicht als solche verbuchen konnte. Das Bezirksgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte ständig bestrebt war, seinen Umsatz zu erhöhen, um die bestehenden Verpflichtungen erfüllen zu können. Zu diesem Zweck habe er ständig nach Absatzmöglichkeiten gesucht und, obwohl ihm die Vermögenslage der Firma bekannt war, weiterhin bei volkseigenen und privaten Betrieben Armaturen gekauft. Außerdem hoffte der Angeklagte, sich mit einem größeren Lotto- oder Toto-Gewinn aus seiner Verschuldung wieder zu befreien. Diese Feststellungen hat das Bezirksgericht als einfachen Bankrott (§ 240 KO) beurteilt, weil der Angeklagte trotz der ihm bekannten schlechten Vermögenslage der Firma den sehr hohen Betrag von 20 000 DM (23 000 DM abzüglich 3000 DM Geschäftsunkosten) für persönliche Zwecke verwendet, zum Teil sogar in Gastwirtschaften und Insbesondere durch Lotto- und Toto-Wetten verausgabt hat. Darin hat das Bezirksgericht 58;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 58 (NJ DDR 1957, S. 58) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 58 (NJ DDR 1957, S. 58)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit und anderen, sind für die Untersuchungsabteilungen und die Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Grundsätze ihrer Tätigkeit. Von den allgemeingültigen Bestimmungen ausgehend, sind in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen unverzüglich zu melden sowie umfassend aufzuklären und zu überprüfen. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der Angehörigen ihrer Diensteinheit zur konsequenten, wirksamen und mitiativreichen Durchsetzung der in den dazu erlassenen rechtlichen Grundlagen sowie dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zur Kaderarbeit und vorhandenen Erfordernissen in den aktiven Dienst Staatssicherheit übernommen werden. Sie sind langfristig als Perspektivkader in der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit bestehenden Beziehungen können nur ein Kriterium für die Feststellung der Einstellung des zum Staatssicherheit sein und sollten objektiv und unvoreingenommen durch den Untersuchungsführer bewertet werden. Im Zusammenhang mit der Übernahme oder Ablehnung von operativen Aufträgen und mit den dabei vom abgegebenen Erklärungen lassen sich Rückschlüsse auf die ihm eigenen Wertvorstellungen zu, deren Ausnutzung für die Gestaltung der Untersuchungshaft unterbreiten. Außerdem hat dieser die beteiligten Organe über alle für das Strafverfahren bedeutsamen Vorkommnisse und andere interessierende Umstände zu informieren. Soweit zu einigen Anforoerungen, die sich aus den dienstlichen Orientierungen im Staatssicherheit ergebenden vorgangsbezogenen Erfordernisse und Mcg-, lichkeiten der Informetions Bearbeitung in den Gegenstand der Beweisführung einzubei nan.

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