Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 51

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 51 (NJ DDR 1957, S. 51); auch Handlungen, die bisher noch nicht unter spezifischer Strafandrohung standen? Von wenigen Ausnahmen abgesehen, faßte die Strafrechtspraxis in Übereinstimmung mit der Forderung nach Rechtssicherheit nur solche Handlungen unter diese Strafbestimmung, die in Tatbeständen des Strafgesetzbuchs begrifflich als Verbrechen definiert und unter Strafdrohung gestellt sind2). Das Bezirksgericht Suhl z. B. war der Ansicht, daß Hehlerei eine Form des „sonstigen Beiseiteschaffens“ nach dem VESchG ist3 4 5). Troch1) wendet sich zwar wegen der Verschiedenartigkeit des Objekts der Hehlerei gegen ihre Einbeziehung in den Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens; seine Einwände richten sich jedoch nicht gegen den hier herausgearbeiteten Grundsatz. Der Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens“ i. S. des VESchG spielt in unserer Gerichtspraxis nur eine bescheidene Rolle, und die wenigen veröffentlichten Entscheidungen gaben bisher nur ganz vereinzelt Anlaß, auf die Problematik des Begriffs „sonstiges Beiseiteschaffen“ kritisch einzugehen. Nunmehr wurde aber ein Urteil des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik veröffentlicht, in dem es u. a. heißt: „Die in § 1 Abs. 1 VESchG aufgeführten Delikte (Diebstahl und Unterschlagung) sind nur beispielsweise erwähnt. Das ergibt sich daraus, daß ihnen das .sonstige Beiseiteschaffen' gleichgestellt ist. Diese Bestimmung zeigt, daß es für eine Verurteilung nach § 1 Abs. 1 VESchG nicht erforderlich ist, daß der Angriff auf das Volkseigentum in der Form der Verwirklichung der Merkmale eines Tatbestandes des besonderen Teils des Strafgesetzbuches oder eines anderen Strafgesetzes aufgeführt wird“.s) Gegen diese Auslegung des „sonstigen Beiseiteschaffens sind ernste Bedenken geltend zu machen. Denn während das Oberste Gericht hier nicht die Verwirklichung der Merkmale eines im StGB oder in einem anderen Strafgesetz beschriebenen Tatbestandes für erforderlich hält, unternimmt es in diesem Urteil noch nicht einmal den Versuch, den Inhalt dieses Tatbestandes zu umreißen und den Begriff des „sonstigen Beiseiteschaffens“ zu definieren. Dies kann auch nicht durch folgenden Satz des Urteils überbrückt werden: „Der § 1 gibt die Möglichkeit, wirksam auf alle rechtswidrigen Angriffe gegen das Volkseigentum zu reagieren und den ständig wechselnden Methoden der Feinde des Aufbaus de? Sozialismus mit gesetzlichen Mitteln entschieden entgegenzutreten.“ Eine derartige Auslegung läßt die Möglichkeit offen, die verschiedenartigsten Handlungen zum Verbrechen zu erklären, und widerspricht damit den Grundsätzen des demokratischen Strafrechts. Anknüpfend an die fortschrittlichen Forderungen der Aufklärer, besonders Anselm Feuerbachs, vertreten wir die Prinzipien nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege und nulla poena sine crimine. Die strenge Einhaltung dieser Prinzipien erfordert festumrissene und präzis definierte Tatbestände, die jeweils eine spezifische Handlung zum Verbrechen erklären6). Danach genügt der Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens“ nicht den Anforderungen, die das demokratische Strafrecht an den Straftatbestand stellt. Um ihn mit diesen wenigstens einigermaßen in Einklang zu bringen, muß sein Inhalt so verstanden werden, daß er keine selbständige Strafdrohung darstellt und nur dann als verwirklicht angesehen werden kann, wenn bereits andere, und zwar festumrissene Tatbestände die Handlung zum Verbrechen erklären. Wollte man diesem Begriff einen anderen Inhalt geben, so hätte das Gesetz eine klare Definition enthalten müssen. Die Auslegung des Obersten Gerichts verleitet zur Vernachlässigung der exakten Tatbestandsprüfung und zur ungesetzlichen Ausdehnung des richterlichen Er- 2) Soweit das Stadtgericht von Groß-Berlin in einem Urteil vom 20. Juni 1955 hiergegen verstoßen hatte, wird dies in der gleichzeitig veröffentlichten kritischen Anmerkung von Kleine als „dem Wesen der Gesetzlichkeit unseres Staates widersprechend“ beanstandet (NJ 1956 S. 30). 3) BG Suhl, Beschluß vom 22. Februar 1953 - 3 NDs 26/53 (NJ 1953 S. 254 ff.). 4) Troch in NJ 1956 S. 303 f. 5) OG, Urteil vom 24. Februar 1956 - 3 Ust IX 10/56 (NJ 1956 S. 250 f.). Hervorhebung im Zitat von uns D. Verf. 6) vgl. hierzu Lekschas in Staat und Recht 1956, Heft 3, S. 363 ff. messens. Das Urteil selbst bestätigt diese Ansicht. In ihm fand u. a. die Tatsache, daß die Angeklagte für persönliche Zwecke Diebesgut angenommen hatte, keine genügende rechtliche Würdigung. Es wurde lediglich festgestellt, ohne ein gesetzliches Kriterium dafür zu beachten, daß beiseitegeschafft worden ist. Die Prüfung und Begründung des Tatbestandes der Hehlerei wurde unterlassen. Man kann sich auch nicht damit einverstanden erklären, daß allein die Kenntnis der Diebstahlshandlung und das Nichteingreifen gegen die Lagerung des Diebesgutes in der Wohnung, die die Angeklagte mit dem Dieb gemeinsam bewohnte, als „sonstiges Beiseiteschaffen“ angesehen wird. Sofern nicht Begünstigung gern. § 257 StGB gegeben ist, wird das Wissen von einem Verbrechen im demokratischen Strafrecht nur dann bestraft, wenn eine konkrete gesetzliche Bestimmung zur Anzeige des Verbrechens verpflichtet. Diese Anzeigepflicht ist mit § 4 des VESchG gegeben. Infolge der unrichtigen Qualifizierung dieser Handlung als „sonstiges Beiseiteschaffen“ wurde auch dieser Tatbestand ignoriert. Wenn man von der Begriffsbestimmung des Beiseiteschaffens in § 1 WStVO durch das Oberste Gericht absieht7), hat Hübner folgende Definition des „sonstigen Beiseiteschaffens“ i. S. des VESchG vorgeschlagen: „Beiseiteschaffen von Vermögensteilen des gesellschaftlichen Eigentums im Sinne des § 1 Abs. 1 VESchG ist jede vorsätzliche Herausnahme eines ' Vermögenswertes aus gesellschaftlichem Vermögen mit dem Ziel, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögens vorteil zu verschaffen“.8) Diese Definition trägt den Charakter eines Oberbegriffs, der neben Diebstahl, Unterschlagung und Betrug auch andere Verbrechenstatbestände umfaßt. Wenn mit ihr auch eine gewisse Einschränkung und Wesensbestimmung des „sonstigen Beiseiteschaffens“ erreicht wurde, so bleibt sie dennoch eine Generalbestimmung, deren Grenzen und Inhalt, wie bei allen Begriffen dieser Art, verschwommen sind. Solche Definitionen können wohl eine bestimmte Deliktsgruppe allgemein umreißen, aber als Einzeltatbestand entsprechen sie nicht den Grundsätzen unseres Strafrechts. Deshalb ist es notwendig, entweder ihre Unterbegriffe zu bestimmen d. h. zu sagen, welche Delikte sie im einzelnen außer Diebstahl, Unterschlagung und Betrug umfaßt oder eine spezielle, einem Einzeltatbestand entsprechende Definition zu finden, die im Gesetz oder zumindest in einer Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der DDR für verbindlich erklärt werden müßte. Das Fehlen solcher Legaldefinitionen sowie die Tatsache, daß in vierjähriger Praxis dieser Begriff nur vereinzelt angewendet wurde, berechtigt u. E. zu folgendem Vorschlag: Der Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens“ darf nur auf solche Handlungen angewendet werden, die bereits durch andere spezifische Tatbestände zum Verbrechen am gesellschaftlichen Eigentum erklärt sind. Im Unterschied zu Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und Untreue i. S. des VESchG, die sich auf bestimmte im StGB formell beschriebene Verbrechen (§§ 242, 246, 263, 266 StGB) beziehen, können, ähnlich wie beim Tatbestand der Urkundenfälschung nach dem VESchG, verschiedene Verbrechen unter das „sonstige Beiseiteschaffen“ fallen. Solche Delikte sind z. B. Erpressung, sachliche Begünstigung, Hehlerei, Entzug elektrischer Energie u. a. Dieser Vorschlag scheint der Technik des VESchG am ehesten zu entsprechen, das die Formulierung „sonstiges Beiseiteschaffen“ anstelle einer erschöpfenden Aufzählung dieser Gesetze und Tatbestände verwendet. Bei dieser Auslegung des Begriffs ist der Richter verpflichtet, in jedem Falle einen speziellen Tatbestand zu prüfen und zu begründen und erst dann den Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens“ mit seinen Straf folgen auf das betreffende Verbrechen anzuwenden. Eine solche Auslegung des „sonstigen Beiseiteschaffens“ genügt vorerst den Ansprüchen der demokratischen Gesetzlichkeit. HANS FRITZSCHE und ERICH HÜBNER, Oberassistenten am Institut für Strafrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ 3) Der Begriff „Beiseiteschaffen“ i. S. des § 1 WStVO ist jedoch für das VESchG unbrauchbar, da er die typischen Merkmale der Eigentumsdelikte nicht enthält. 8) Hübner, Materialien zum Strafrecht, Heft 3, S. 95. 51;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 51 (NJ DDR 1957, S. 51) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 51 (NJ DDR 1957, S. 51)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

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