Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 5

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 5 (NJ DDR 1957, S. 5); darf dazu der Klarheit, daß man sich nicht mit Wahrscheinlichkeiten, aber auch nicht mit einer formellen oder juristischen Wahrheit begnügen darf. Gerade um nicht der Gefahr zu erliegen, sich hier mit einem Weniger zu begnügen, sprach ich mich im Referat insoweit meine Thesen berichtigend gegen die Anwendung des Begriffes der materiellen Wahrheit im Strafprozeß aus. Hier war dann auch der Ort, das vieldiskutierte Problem der absoluten und relativen Wahrheit und ihrer Bedeutung für den Strafprozeß zu behandeln. Ich ging von der Erkenntnis aus, daß sowohl die absolute wie die relative Wahrheit als -Kategorien der marxistischen Philosophie objektive Wahrheiten darstellen, daß aber die gesamte Problematik, die mit den Begriffen absolute und relative Wahrheit zusammenhängt, nur dort auftritt, wo es sich um den Erkenntnisprozeß hinsichtlich der wissenschaftlichen Grundfragen handelt. In Anlehnung an die Ausführungen von Schaff in seinem Buch „Zu einigen Fragen der marxistischen Theorie der Wahrheit“ und dessen Definition der sogenannten partiellen Wahrheit als einer in ihrem konkret bemessenen Bereich völligen und darum unabänderlichen, ewigen, absoluten Erkenntnis gelangte ich zu dem Ergebnis, daß das Problem der absoluten und relativen Wahrheit bei der Wahrheitsfeststellung im Strafprozeß nur dann zum Zuge kommt, wenn zur Erkenntnis der Wahrheit bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse zu Hilfe genommen werden müssen, die uns nach dem Stand der menschlichen Erkenntnis nur relative Wahrheiten vermitteln. Ich verwies in diesem Zusammenhang noch darauf, daß auch bei der Wahrheitsfeststellung im Strafprozeß Irrtümer möglich seien, wandte mich aber gegen die in der bürgerlichen Literatur teilweise vertretene Ansicht, der Richter müsse das Risiko des Irrtums auf sich nehmen (Alsberg), und vertrat den Standpunkt, daß der Irrtum hier, wie auch sonst, grundsätzlich vermeidbar sei. Zugleich nahm ich die Gelegenheit wahr, schon an dieser Stelle auszusprechen, daß dann, wenn trotz allen Bemühens keine zuverlässige Feststellung gelingt, wenn Zweifel übrigbleiben, freigesprochen werden muß oder besser: nicht verurteilt werden darf. Ich ging dann kurz auf das Kriterium der Praxis als Wahrheitskriterium im Strafprozeß ein und kam zu folgenden vorläufigen Ergebnissen: Das Kriterium der Praxis ist überall dort anwendbar, wo mit dem Experiment, also mit der Wiederholbarkeit gearbeitet werden kann (d. h. also bei einer Reihe von Saehbeweisen). Für die sonstigen Beweise ist das Kriterium der Praxis in dieser unmittelbaren Form nicht zu verwerten. Wir müssen uns aber davor hüten, das Kriterium der Praxis zu eng zu sehen; die Praxis umfaßt die gesamte politische und gesellschaftliche Tätigkeit des Menschen (vergleiche Mao Tse-tung „Über die Praxis“). So gesehen erhebt das Kriterium der Praxis für den Beweis im Strafverfahren auch insoweit Anspruch auf Geltung, als der Richter ständig aus seiner allgemeinen gesellschaftlichen Erfahrung schöpft, die ihre Grundlage in seiner gesellschaftlichen und politischen Praxis hat. Die stärkste Bewährung des Kriteriums der Praxis sah ich für den Strafprozeß in der Bewährung der gesamten Strafpolitik. War hiernach klargestellt, was im Strafprozeß vom Gegenstand her im Wege der Wahrheitserforschung zu beweisen ist und was diese Wahrheitserforschung vom Inhalt her bedeutet, so blieb noch die Frage zu klären, wessen Sache es ist, die Wahrheit zu erforschen. In diesem Zusammenhang ging ich zunächst auf die Präsumtion der Unschuld ein. die seinerzeit von Vertretern des fortschrittlichen Bürgertums gegen das frühere Prozeßsystem dur.chgesetzt worden ist. Die Bedeutung der Präsumtion der Unschuld sah ich dabei gerade darin, daß sie der bei Untersuchungsorgan, Staatsanwalt und Gericht in den einzelnen Stadien des Strafprozesses notwendigerweise bestehenden Ansicht darüber, ob der Beschuldigte das Verbrechen begangen hat, gegenübersteht. Ohne darauf einzugehen, wie diese subjektive Einstellung der Strafverfolgungsorgane genau zu definieren ist, verwies ich darauf, daß Untersuchungsorgane und Staatsanwalt jedenfalls der Ansicht sein müssen, der Verdacht gegen den Beschuldigten sei ausreichend, * wenn sie gemäß § 106 StPO die Ermittlung "einleiten, daß der Staatsanwalt der Ansicht sein muß, das Ermittlungsverfahren biete genügend Anlaß zur Erhebung der Anklage, wenn er sich gemäß § 168 StPO hierzu entschließt, und daß auch das Gericht, wenn es nach § 176 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt, den Beschuldigten für hinreichend verdächtig halten muß. Ob die von mir im Referat hierzu vertretene These, die Präsumtion der Unschuld sei im Gegensatz zu ihrer Wortbedeutung eine objektive Rechtsstellung des Beschuldigten, richtig ist, erscheint mir im Hinblick auf einige Konsequenzen gerade im Zusammenhang mit dem Freispruch mangels Beweises der weiteren Überlegung bedürftig. Auch ich habe die Ansicht vertreten, daß sowohl in der moralischen Bewertung in der Gesellschaft wie auch in den rechtlichen Auswirkungen (Haftentschädigung!) kein Unterschied zwischen Freispruch mangels Beweises und dem Freispruch wegen erwiesener Unschuld gemacht werden darf. Ich vertrat aber andererseits auch in diesem Zusammenhang den Standpunkt, daß es mit System und Struktur unseres Strafprozesses unvereinbar sei, einen Anspruch des Beschuldigten oder Angeklagten auf Einleitung oder Durchführung des Verfahrens bis zum Beweis seiner Unschuld anzuerkenen; deshalb verneinte ich auch hier die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen ein freisprechendes Urteil mangels Beweises mit dem Ziel der Freisprechung wegen erwiesener Unschuld, zumal in der Praxis immer Fälle übrigbleiben werden, in denen es bei dem Zweifel bleibt. Dann aber kann nichts anderes als ein Freispruch mangels Beweises erfolgen. Auch hier kam es darauf an, zu betonen, daß diese Erkenntnis nicht zu einem Nachlassen in der Wahrheitserforschung führen darf. Zugleich mußte aber mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß die Präsumtion der Unschuld auf jeden Fall strikt beachtet werden müsse, weil sonst eine Präsumtion der Schuld Platz greifen würde. „Ein Drittes gibt es nicht“, sagt Strogowitsch hierzu mit Recht. Zuweilen wird der Standpunkt vertreten, daß derjenige, der die Präsumtion der Unschuld anerkenne, auch anerkennen müsse, daß es eine Beweislast im Strafprozeß gibt. Ich lehnte diesen Begriff der Beweislast sowohl der formellen wie der materiellen Beweislast für den Strafprozeß ab, weil er meiner Ansicht nach eine dem Zivilprozeß entstammende und für den Strafprozeß nicht passende Kategorie ist. Mit der Problematik, ob es etwas derartiges überhaupt für den Angeklagten geben könne, setzte ich mich im Zusammenhang mit den Erörterungen über eine Beweisführungspflicht im Strafprozeß auseinander, die teilweise (zum Beispiel bei Wyschinski und Strogowitsch) mit der Beweislast identifiziert wird. Ich lehnte hierbei mit Nachdruck jegliche Beweisführungspflicht des Angeklagten ab und erhob die Forderung, dem entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen abzuändern und gegebenenfalls schon in diesem Sinn auszulegen. Weiterhin kam ich zu dem Ergebnis, daß für den Strafprozeß das Institut der Beweisführungspflicht überhaupt abzulehnen sei, weil es eine solche Pflicht sei es des Staatsanwalts, sei es des Angeklagten nach der gesamten Struktur des Strafprozesses nicht geben könne, schon deshalb nicht, weil mit dieser Pflicht kein Recht zu dessen Wesensmerkmalen ja die Durch-setzbarkeit, also die Erzwingbarkeit gehört korrespondiere. Ich wies darauf hin, daß der Wortbestandteil „Beweisführung“ dem deutschen Strafprozeß an sich fremd sei und wahrscheinlich in unsere jetzige Strafprozeßlehre durch die Übernahme des russischen Wortes /(OKa3biBaHiie hineingekommen sei. Ich vertrat den Standpunkt, daß man für unser Strafprozeßsystem die allein auch dem Gesetz bekannten Begriffe der Beweisaufnahme und der Beweiserhebung verwenden solle und mit ihnen auch auskommen könne. In diesem Zusammenhang stellte ich wenn auch nur andeutend zur Erwägung, ob es überhaupt berechtigt sei, im Strafprozeß von Parteien, von einem Parteiprinzip oder einem streitigen Verfahren zu sprechen, d. h. Begriffe zu verwenden, die dem Zivilprozeß entstammen. Diese Begriffe scheinen mir heute, wo es um die Begründung einer sozialistischen Strafprozeß- 5;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge Ziele und Grundsätze des Herauslösens Varianten des Herauslösens. Der Abschluß der Bearbeitung Operativer Vorgänge. Das Ziel des Abschlusses Operativer Vorgänge und die Abschlußarten. Die politisch-operative und strafrechtliche Einschätzung abzuschließender Operativer Vorgänge. Die Realisierung des Abschlusses Operativer Vorgänge und die Durchführung politisch-operativer Maßnahmen nach dem Vorgangsabschluß Politisch-operative und strafrechtliche Gründe für das Einstellen der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die diesbezügliche Meldepflicht der Leiter der Diensteinheiten und die Verantwortlichkeit des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung zur Einleitung aller erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung mit dem Untersuchungsorgan aufgabenbezogen anzuwenden. Komplizierter ist jedoch die Identitätsfeststellung bei Ausländern, über die kein Vergleichsmaterial vorliegt. Hier sind vor allem durch exakte erkennungsdienstliche Maßnahmen seitens der Linie Voraussetzungen zu schaffen, um die sich entwickelnden Sicherheitserfordernisse des Untersuchungshaftvollzuges und ihren Einfluß auf die Veränderung der politisch-operativen Lage in den kommenden Jahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung zur. Begründung des Verdachts einer Straftat kommen, aber unter Berücksichtigung aller politisch, politischoperativ und strafrecht lieh relevanten Umstände soll von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden.

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