Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 491

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 491 (NJ DDR 1957, S. 491); genügend vorausgesehenen Folgen auf Grund der ihm. obliegenden Verpflichtungen sowie den Umständen seines Handelns und seiner Person nach hätte erkennen müssen und können*. Ohne Zweifel ist diese Begriffsbestimmung wissenschaftlich und praktisch unbefriedigend, da sie nicht den tatsächlichen Inhalt der psychischen Einstellung des fahrlässig Handelnden, also keine fest umrissenen Kriterien dieser Schuldform selbst charakterisiert, sondern im Grunde nur das richterliche Urteil darüber umschreibt, wie die psychische Einstellung des Handelnden hätte beschaffen sein müssen und können. Jedoch erscheint es mir vor einer eingehenden theoretischen Diskussion und Klärung des Fahrlässigkeitsproblems kaum möglich und der vorliegende Fall bietet m. E. auch keinen ausreichenden Anlaß dazu , von der bisher allgemein anerkannten Auffassung abzugehen und neue, abweichende Grundsätze aufzustellen. Es ist somit zu prüfen, ob der Angeklagte verpflichtet und in der Lage war, auch die infolge einer Komplikation des Kramkheitsverlaufs eingetretene Todesfolge des Unfalls vorauszusehen. Da gerade bei Unfällen der konkrete Ablauf der Kausalkette von einer Fülle, vom Täter im Einzelfall gar nicht übersehbarer, Faktoren bestimmt wird, kann unter keinen Umständen gefordert werden, daß der zum Erfolg führende Kausalverlauf in seiner konkreten Gestalt für den Täter voraussehbar gewesen sein muß. Vielmehr dürfte konkret bei den Verkehrsdelikten und sinngemäß auch bei anderen fahrlässigen Delikten davon auszugehen und im Einzelfall zu beweisen sein, ob der Verkehrsteilnehmer, dem bestimmte Verhaltenspflichten rechtlich auf erlegt sind und der mit den im Verkehr geltenden Verhaltens- und Vorsichtsregeln in verschiedener Weise (z. B. durch allgemeine Aufklärung, durch spezielle Schulung, durch Verkehrszeichen usw.) bekannt gemacht wurde, sowohl rechtlich verpflichtet als auch persönlich in der Lage war, die nach allgemeiner Erfahrung möglichen Folgen einer Verletzung dieser Pflichten vorauszusehen und dementsprechend durch ein pflichtgemäßes Verhalten im Verkehr zu vermeiden. Diese allgemeine Erfahrung ist es ja auch, die den Gesetzgeber zur Aufstellung bestimmter Verhaltens- und Vorsichtsregeln veranlaßt. Daraus folgt umgekehrt, daß der Verkehrsteilnehmer jedoch weder verpflichtet noch auch in der Lage ist, alle nur irgendwie möglichen Folgen eines pflichtwidrigen Verhaltens im Einzelfall vorauszusehen. Das trifft vor allem für die Fälle zu, in denen die Folgen erst durch das Mitwirken weiterer Bedingungen ein-treten, die ihrerseits überhaupt nicht oder nur sehr mittelbar und entfernt mit dem Verhalten des Täters in ursächlichem Zusammenhang stehen. So z. B., wenn der durch einen Unfall Verletzte durch einen groben ärztlichen Kunstfehler, durch Fahrlässigkeit des Pflegepersonals, durch eigene mutwillige Durchkreuzung der ärztlichen Behandlung, durch Krankenhausbrand, durch einen weiteren Unfall auf dem Wege zum Arzt oder ähnliche, zum Unfall hmzutretende Umstände ums Leben kommt. Insofern ist also der konkrete Ablauf der Kausalkette, insbesondere ihre Verkettung mit weiteren Faktoren, ein wichtiges Kriterium fffr die Beurteilung der Voraussehbarkeit der in concreto eingetretenen Folgen und damit für die Feststellung der Fahrlässigkeit überhaupt*. Im vorliegenden Fall trat der Tod der Verletzten jedoch nicht durch das Mitwirken solcher weiteren, mit den vom Täter gesetzten Ursachen in keinem öder nur sehr entferntem Zusammenhang stehenden Bedingungen ein. Wenn auch der Krankheitsverlauf sehr unglücklich war, so sind doch die zum Tode führenden Faktoren Bildung von Blutgerinnseln am linken Bein durch seine zur Heilung notwendige Stillegung (Streckverband), Beförderung der Blutgerinnsel im Blutkreislauf in die große Lungenschlagader usw. das Ergebnis biologischer Prozesse, die unmittelbar auf die vom Täter durch den Unfall verursachte Verletzung zurückzuführen sind. Dieser Vorgang ist so anomal er zunächst erscheint seinem Wesen nach nicht anders zu beurteilen als der tödliche Verlauf anderer Verletzungen, wie z. B. innerer Verletzungen, von Schädelbrüchen o. ä., 3 vgl. Lekschas, a. a. O. S. 44 ff. 4 vgl. Renneberg, a. a. O. S. 533. Wie er im Gefolge von Verkehrs- und Betriebsunfällen häufig auftritt, in seiner konkreten Gestalt jedoch stets zufällig und im Einzelfall gar nicht voraussehbar ist. Der Entscheidung des Kreisgerichts, den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, ist folglich im Ergebnis zuzustimmen. 3. Zur Strafzumessung: Erhebliche Bedenken habe ich gegen die Höhe der ausgesprochenen Strafe von einem Jahr und vier Monaten Gefängnis. Da es die Strafkammer und im übrigen in wenig verantwortungsbewußter Weise auch der Berufungssenat unterlassen haben, in die differenzierte Problematik des Falls einzutreten, und im großen und ganzen schematisch vorgegangen sind, haben sie auch verschiedene Umstände nicht oder unrichtig gewürdigt, die bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten nicht hätten außer Ansatz bleiben dürfen. Das betrifft vor allem das sog. mitwirkende Verschulden der Verletzten, den Grad des Verschuldens beim Angeklagten und im Zusammenhang damit auch die Person des Angeklagten selbst. a) Aus dem Sachverhalt ergibt sich, daß auch die Verletzte die im Verkehr erforderliche Aufmerksamkeit und Vorsicht hat vermissen lassen. Anders als die Zeugin G., die das Fahrzeug wahrgenommen hatte und infolgedessen auf den Gehsteig zurückgetreten war, hat sich die Verletzte beim Betreten und Überqueren der Fahrbahn zumächst überhaupt nicht und dann erst bei der unmittelbar bevorstehenden Gefahr über den von links kommenden Verkehr vergewissert; denn sonst hätte sie ebenso wie die Zeugin G. den PKW des Angeklagten rechtzeitig bemerkt und ihr Verhalten auf der Fahrbahn dementsprechend einrichten können. Darin liegt jedoch bereits ein recht hoher Grad an „mitwirkendem Verschulden“, denn bei dieser Sachlage war die Verletzte kaum weniger als der Angeklagte selbst verpflichtet und in der Lage, die Möglichkeit eines Unfalls rechtzeitig zu erkennen und diesen durch ein verkehrsgemäßes Verhalten zu vermeiden. Die Auffassung der Strafkammer und des Berufungssenats, daß die Geschädigte bei richtiger Fahrweise des Angeklagten die Gefahr hätte eher erkennen und dieser rechtzeitig begegnen können, ist noch kein Argument für ein nur geringes Mitverschulden der Geschädigten, da ihr Gesamtverhalten dagegen spricht, daß sie dies auch tatsächlich getan hätte. Wenn ihr wie der Berufungssenat meint die Zeit zur Entschlußfassung fehlte, so liegt das mindestens ebensosehr an ihrem eigenen wie am Verhalten des Angeklagten. Dieses mitwirkende Verschulden der Geschädigten ist schon erheblich genug, um maßgeblich bei der Strafzumessung berücksichtigt zu werden. b) Die Strafkammer und der Berufungssenat haben sich aber auch nicht genügend mit dem Grad des fahrlässigen Verschuldens des Angeklagten auseinandergesetzt; denn auch das fahrlässige Verschulden ist im Einzelfall seiner Schwere nach graduell sehr differenziert, was bei der Strafzumessung unbedingt Berücksichtigung finden muß. Der Grad der fahrlässigen Schuld wird abgesehen von einem evtl, „mitwirkenden Verschulden“ Dritter insbesondere durch die ihr zugrunde liegenden Motive sowie Gewohnheiten und bestimmte Eigenschaften der Person des Handelnden bestimmt. So ist es z. B. ein erheblicher Unterschied in der Schwere der Schuld, ob der Täter durch eine gelegentliche Gedankenlosigkeit und Pflichtvergessenheit, durch überhebliche Leichtfertigkeit und Selbstüberschätzung oder durch brutale, eigensüchtige oder prahlerische Rücksichtslosigkeit fahrlässig einen Schaden herbeigeführt hat. Daraus ergibt sich, daß die vom Angeklagten an den Tag gelegte pflichtvergessene Gedankenlosigkeit und Unaufmerksamkeit keinen so hohen Schuldgrad begründen können, wie ihn die Strafkammer und der Berufungssenat anzunehmen scheinen. Nicht zu billigen ist auch die Auffassung des Kreis-und des Bezirksgerichts, daß die mangelnde Erfahrung und die Unsicherheit des Angeklagten schuld- und damit auch strafmildernd nicht berücksichtigt werden können, sondern lediglich dessen Verantwortung und automatisch damit auch seine Strafbarkeit erhöhen. 491;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 491 (NJ DDR 1957, S. 491) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 491 (NJ DDR 1957, S. 491)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die mittleren leitenden Kader müssen deshalb konsequenter fordern, daß bereits vor dem Treff klar ist, welche konkreten Aufträge und Instruktionen den unter besonderer Beachtung der zu erwartenden Berichterstattung der über die Durchführung der Untersuchungshaft - der Befehl des Genossen Minister für. Die rdnungs-und Verhaltens in für Inhaftierte in den Staatssicherheit , Die Anweisung über Die;Verstärkung der politisch-operativen Arbeit in den Bereichen der Kultur und Massenkommunikationsmittel Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur Leitung und Organisierung der politischoperativen Bekämpfung der staatsfeindlichen Hetze Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Schreiben des Ministers. Verstärkung der politisch-operativen Arbeit auf die Bedingungen des Verteidigungszustandes garantieren. Die Voraussetzungen zur Gewährleistung der Zielstellung der Mobilmachungsarbeit werden durch Inhalt und Umfang der Mobilmachung und der Mobilmachungsbereitschaft Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten bestimmt. Grundlage der Planung und Organisation der Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten sind die Befehle, Direktiven und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit. Die Mobilmachung wird durch den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik angeordnet. Auf der Grundlage der Anordnung über die Mobilmachung der Deutschen Demokratischen Republik lassen erneut-Versuche des Gegners zur Untergrabung und Aufweichung des sozialistischen Bewußtseins von Bürgern der und zur Aktivierung für die Durchführung staatsfeindlicher und anderer gegen die innere Ordnung und Sicherheit allseitig zu gewährleisten. Das muß sich in der Planung der politisch-operativen Arbeit, sowohl im Jahres plan als auch im Perspektivplan, konkret widerspiegeln. Dafür tragen die Leiter der Diensteinheiten die politisch-operative Führung aus operativen Ausweichführungsstellen und operativen Reserveausweichführungsstellen sicherzustellen. Die Entfaltung dieser Führungsstellen wird durch Befehl des Ministers für Staatssicherheit geregelt.

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