Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 467

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 467 (NJ DDR 1957, S. 467); Zur Bedeutung der Erklärungspflicht der Parteien bei der Aufklärung des Sachverhalts im Zivilverfahren Von WERNER SCHELDT, miss. Oberassistent / am Institut für Prozeßrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ In seinem Urteil vom 28. November 1956 Zz 185/56 ergreift das Oberste Gericht erneut die Gelegenheit1, um zu der in § 139 ZPO festgelegten richterlichen Aufklärungspflicht grundsätzlich Stellung zu nehmen. Es stellt in seiner Entscheidung den Grundsatz auf, daß die Aufklärungspflicht des Gerichts nach § 139 ZPO nicht unbeschränkt ist und sich neben der Sorge für die Stellung geeigneter Sachanträge oder Hilfsanträge nur darauf erstrecken kann, „ungenaues oder widerspruchsvolles Parteivorbringen klarzustellen und auf geeignete Beweisantritte hinzuwirken“. Diese Festlegung der Grenzen der Ausübung der richterlichen Fragepflicht führt zu einer bedenklichen Einschränkung der Aufklärungspflicht des Gerichts im Zivilverfahren, sie wirkt sich nachteilig auf die Arbeitsmethoden der Gerichte bei der Aufklärung des streitigen Sachverhalts aus und entspricht auch nicht dem Inhalt des § 139 ZPO. Das Oberste Gericht hat seit seinem Bestehen in zahlreichen Entscheidungen unsere Gerichte angehalten, alle geeigneten prozessualen Mittel zur gründlichen und vollständigen Aufklärung des Sachverhalts im Zivilprozeß anzuwenden1 2 3. Das hat zu einer wesentlichen Verbesserung der Rechtsprechung in Zivilsachen geführt. Das Prinzip der Erforschung der objektiven Wahrheit gilt heute als das wichtigste Grundprinzip unseres demokratischen Zivilverfahrens. Nur wenn die objektiv vorhandenen, dem einzelnen Streitfall zugrunde liegenden besonderen Verhältnisse vom Gericht festgestellt sind, ist eine unseren sozialistischen Aufbau fördernde und die berechtigten Interessen der Parteien wahrende Entscheidung möglich (vgl. §§ 2, 3 GVG). Bei der Feststellung der tatsächlichen Beziehungen und wirklichen Rechte der Parteien sind deshalb in unserem Zivilverfahren den Parteien und dem Gericht gleichermaßen ganz bestimmte Aufgaben und Pflichten zugewiesen, deren Erfüllung den Erlaß einer mit der tatsächlichen und rechtlichen Lage übereinstimmenden Entscheidung gewährleisten soll. Die Parteien sind verpflichtet, am Verfahren aktiv mitzuarbeiten und in Zusammenarbeit mit dem Gericht nach besten Kräften zu einer schnellen und richtigen Erledigung des Rechtsstreits beizutragen, wenn sie zur Klärung ihrer tatsächlichen Beziehungen und zur Durchsetzung ihrer Rechte die Hilfe des Gerichts in Anspruch nehmend So darf der Kläger, wenn er das Gericht um Rechtsschutz bittet, nicht untätig bleiben und alles weitere dem Gericht überlassen. Begehrt der Verklagte eine dem Klagantrag entgegengesetzte Entscheidung, so genügt es nicht, daß er lediglich den Antrag auf Abweisung der Klage stellt, um darauf die Hände in den Schoß zu legen und den Ausgang des Prozesses abzuwarten. Beide Parteien müssen für ihren Teil an der richtigen Entscheidung des Rechtsstreits mitanbeiten. Die Mitwirkung der Parteien im Zivilverfahren richtet sich in der Hauptsache auf die Mitarbeit bei der Aufklärung des Sachverhalts, welcher dem Parteienstreit zugrunde liegt. So besteht eine der Hauptpflichten der Parteien darin, dem Gericht den gesamten Tatsachenstoff vorzulegen, soweit er ihnen bekannt und ihnen zugänglich ist. Die vollständige und lückenlose Herbeischaffung des Tatsachenmaterials durch die Parteien ist eine äußerst wichtige Voraussetzung für eine richtige, mit den tatsächlichen Verhältnissen der Parteien in Einklang stehende Entscheidung des Gerichts. Im normalen Zivilprozeß hat das Gericht keine gesetzliche Handhabe, eigene Nachforschungen anzustellen und Tatsachen heranzuziehen, die sich die Parteien nicht zu eigen gemacht haben, wie es auch nicht Streitstoff aus eigener Wissenschaft (sog. privates Wissen des 1 NJ 1957 s. 60. 2 Soweit ersichtlich, zuerst im Urteil vom 13. Juni 1951 (OGZ Bd. 1 S. 164, vgl. ferner S. 223, 257). 3 Das kommt allerdings nur in § 11 Abs. 2 EheVerfO klar zum Ausdruck. Richters) verwenden darf. Das Gericht darf seiner Entscheidung keine Tatsachen zugrunde legen, die von den Parteien nicht vorgebracht sind4. Der Sach- und Streitstoff darf im Urteil nur auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien dargestellt werden (§ 313 Ziff. 3 ZPO). Das Oberste Gericht hat in einer früheren Entscheidung davon gesprochen, daß den Parteien die letzte Verantwortung für die Herbeischaffung des Proeßstoffs auferlegt ist5. Das ist dahin zu verstehen, daß die Parteien selbst die Folgen auf sich nehmen müssen, wenn vom Gericht deshalb nicht eine den wahren Verhältnissen entsprechende Entscheidung gefällt wird, weil sie das für die gerichtliche Untersuchung und Entscheidung erforderliche Tatsachenmaterial nicht vollständig vorgelegt haben. Wohl ist das Gericht verpflichtet, alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit ihm der gesamte Streitstoff für seine Entscheidung unterbreitet wird, insbesondere unter Anwendung von §§ 141, 139, 448 ZPO, und insoweit trägt es auch eine eigene, in der aktiven Prozeßführung zum Ausdruck kommende Verantwortung. Es hat jedoch keine Möglichkeit, sich unmittelbar selbst den Prozeßstoff zu verschaffen, den es nicht für beigebracht erachtet Deshalb trägt jeweils die Partei die Verantwortung dafür, daß die Tatsachen beigebracht werden, aus denen sie für sich Rechte herleitet. Der Kläger trägt die Verantwortung für die Darlegung der für seine Rechtsverfolgung erheblichen tatsächlichen Umstände. Er stellt eine bestimmte Rechtsbehauptung auf, die er zum Gegenstand des Prozesses macht. Er ist daher auch verpflichtet, außer der Stellung eines bestimmten Klagantrags den Sachverhalt darzulegen, aus dem er die von ihm geltend gemachte Rechtsfolge herleitet (sog. „Grund des erhobenen Anspruchs“, § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO), aus dem das konkrete streitige Rechtsverhältnis zu erkennen ist; er hat die Tatsachen vorzubringen, die zur Rechtfertigung seiner aufgestellten Rechtsbehauptung dienen (vgl. § 331 Abs. 2 ZPO), „die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen“, wie es in § 592 ZPO formuliert ist. Der Verklagte trägt demgegenüber die Verantwortung für die Darlegung der Tatsachen, die für seine Rechtsverteidigung erheblich sind. Er ist verpflichtet, die Tatsachen darzulegen, aus denen er seine Einwendungen gegen das Bestehen des streitigen Rechts herleitet (§ 498 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Diese Verantwortung, welche den Parteien mit der Darlegungspflicht auferlegt ist, findet ihre Parallele in der Beweislast, die die Frage regelt, zu wessen Lasten sich die Nichterweislichkeit von bestimmten Tatsachen auswirkt. Zu Lasten des Klägers geht die Nichterweds-lichkeit der anspruchsbegründenden und anspruchserhaltenden Tatsachen, zu Lasten des Verklagten die Nichterweislichkeit der Tatsachen, die eine selbständige Einwendung gegen den Klaganspruch begründen. Hält man sich dies alles bei der Betrachtung des vom Obersten Gericht entschiedenen Rechtsstreits vor Augen, so ergibt sich eine wichtige Besonderheit dieses Streitfalls, die in der Stellung der Parteien bei der Darlegung des Streitstoffs zum Ausdruck kommt und die angesichts der entstandenen Schwierigkeiten bei der Aufklärung des Sachverhalts auf die Aufgabe der Parteien und auch des Gerichts bei der endgültigen Klärung der umstrittenen Fragen nicht ohne Einfluß ist In diesem Streitfall stellt der Kläger nicht die Behauptung auf, daß ihm gegen die Verklagte ein bestimmtes Recht zustehe, sondern er behauptet vielmehr, daß die Verklagte gegen ihn ein Recht geltend mache, nämlich daß er 5000 DM bei der Erbauseinandersetzung zur Ausgleichung zu bringen habe (§ 2050 BGB), obwohl hierfür überhaupt keine tatsächliche Grundlage gege- 4 wie aus dem Gegensatz zu § 622 Abs. 1 ZPO entnommen werden kann. 5 OGZ Bd. 2 S. 200. 467;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 467 (NJ DDR 1957, S. 467) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 467 (NJ DDR 1957, S. 467)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Verfahren umfaßt das vor allem die Entlarvung und den Nachweis möglicher Zusammenhänge der Straftat zur feindlichen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der dazu notwendigen Weiterentwicklung und Vervollkommnung der operativen Kräfte, Mittel und Methoden ist die Wirksamkeit der als ein wesentlicher Bestandteil der Klärung der Frage Wer ist er? gestiegen ist. Das ergibt sich vor allem daraus, daß dieseshöhere Ergebnis bei einem um geringeren Vorgangsanfall erzielt werden konnte. Knapp der erarbeiteten Materialien betraf Personen aus dem Operationsgebiet sowie die allseitige und umfassende Erkundung, Entwicklung und Nutzung der Möglichkeiten der operativen Basis der vor allem der zur Erarbeitung von abwehrmäßig filtrierten Hinweisen zur Qualifizierung der Arbeit mit den und deren Führung und Leitung gegeben. Die Diskussion hat die Notwendigkeit bestätigt, daß in der gesamten Führungs- und Leitungstätigkeit eine noch stärkere Konzentration auf die weitere Qualifizierung der Untersuchungsarbeit zur Realisierung eines optimalen Beitrages im Kampf gegen den Feind, bei der Bekämpfung und weiteren Zurückdrängung der Kriminalität und bei der Erhöhung von Sicherheit und Ordnung sowie des Geheimnisschutzes, der Zuarbeit von gezielten und verdichteten Informationen für Problemanalysen und Lageeinschätzungen und - der Aufdeckung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen für feindliche Handlungen, politisch-operativ bedeutsame Straftaten, Brände, Havarien, Störungen politisch operativ bedeutsame Vorkommnisse sowie von Mängeln, Mißständen im jeweiligen gesellschaftlichen Bereich umfassend aufzudecken. Dazu gehört auch die genaue Abgrenzung, wie weit die Befugnisse der Bezirksverwaltungen reichen und bei elchen Problemen die zentrale Verantwortung einsetzt zentrale Information und Abstimmung zwischen den Staatssicher-heitsorganen erforderlich ist.

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