Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 425

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 425 (NJ DDR 1957, S. 425); lung vor der geistigen, aber in der Praxis untersucht man sie in umgekehrter Reihenfolge; denn die letztere ist leichter feststellbar. Diese Abweichung ist zulässig und auch zweckmäßig. Einmal, weil es nicht nur auf die geistige oder die sittliche Reife ankommt wie das zuletzt noch von Hammer in „Der Schöffe“ 1957 S. 185 (188) gesagt wurde , sondern auf die eine und die andere; zum zweiten: fehlt schon die geistige Reife, dann erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die schwieriger feststellbare sittliche Reife. 1. Die für die Zurechnungsfähigkeit nach § 4 JGG erforderliche Einsichtsfähigkeit hat einmal zur Voraussetzung die Verstandesreife. Diese erfordert einen Stand der geistigen Entwicklung, der den Jugendlichen befähigt, verstandesmäßig die Gesellschaftsgefährlichkeit seiner Tat zu übersehen, d. h. der Jugendliche muß überhaupt begreifen können, daß sein Verhalten den Interessen der Gesellschaft zuwiderläuft. Er muß also in der Lage sein, den materiellen oder ideellen Schaden, der durch die Handlung der Gesellschaft zugefügt wird, oder die Herbeiführung eines realen Gefahrenzustands und damit alle Umstände des verbrecherischen Handelns, die diese Gesellschaftsgefährlichkeit beeinflussen, intellektuell zu erfassen. Ob eine Verfehlung, z. B. ein Diebstahl, eine Körperverletzung, Nötigung usw., den Interessen der Gesellschaft zuwiderläuft, muß der Jugendliche nicht nur ganz allgemein erkennen, sondern er muß die Gefährlichkeit seiner konkreten Tat beurteilen können. Dagegen wird nicht verlangt, daß er die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht, Ungesetzliche, Unerlaubte6, Verbotensein oder die Strafbarkeit der Tat besaß, noch weniger, daß seine Handlung gegen ein bestimmtes Strafgesetz verstößt, etwa ein Einsteigediebstahl oder eine gefährliche Körperverletzung ist. In den Urteilsgründen, besonders in Sachverständigengutachten, finden sich jedoch immer wieder derartige Formulierungen. Wenn auch der Zusammenhang, in dem sie gebraucht werden, vielfach eindeutig erkennen läßt, daß damit durchaus der richtige Sachverhalt charakterisiert werden soll,, so sind solche Bezeichnungen in nicht wenigen Fällen der Ausdruck echter Unsicherheit und Ungenauigkeit. Zu prüfen ist stets die Einsichtsfähigkeit in die Gesellschaftsgefährlichkeit der konkreten Tat. Diese Gesellschaftsgefährlichkeit ist nach Art und Grad bei jedem Verbrechen verschieden ausgeprägt. Sie ist beim Diebstahl eine andere als beim Totschlag, beim Betrug eine andere als bei einem Wirtschaftsverbrechen usw., je nachdem, welches gesellschaftliche Interesse (Objekt) durch die Verfehlung angegriffen wird, unter welchen Umständen sowie auf welche Art und Weise das geschieht. Die Prüfung der Verstandesreife (sowie der sittlichen Reife und der Willensbestimmungsfähigkeit) muß demnach immer tatbezogen erfolgen, weil jede Verfehlung auf eine besondere Art und in unterschiedlicher Intensität gesellschaftsgefährlich ist. Die individuelle Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat hat ihren typisierten Niederschlag in dem jeweils verletzten Verbrechenstatbestand gefunden. Der verletzte Tatbestand gibt deshalb stets allgemeine Hinweise dafür, welche konkreten Anforderungen im Einzelfall an die verstandesmäßige Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen zu stellen sind. So ist z. B. um von einem alltäglichen Fall auszugehen die für einen einfachen Diebstahl zum Nachteil von persönlichem Eigentum erforderliche Verstandesreife dahingehend zu konkretisieren, daß der Jugendliche intellektuell in der Lage sein muß, die negative Wirkung seiner Tat auf die Eigentumsordnung erfassen zu können, d. h. daß sein Verhalten das geordnete und gedeihliche Zusammenleben in der Gemeinschaft stört. Oder um ein anderes Beispiel zu nennen, bei dem vielfach Schwierigkeiten auf treten: Die für die Unzucht mit Kindern gemäß § 176 Ziff. 3 StGB notwendige Verstandesreife erfordert, daß der Jugendliche überhaupt fähig ist zu begreifen, daß die sexuelle Verfehlung die sittliche 6 Dieser in den §§ 51 und 58 StGB noch verwendete Begriff ist mit Rücksicht auf § 4 JGG und den heute in unserer Rechtsprechung und Strafrechtswissenschaft allgemein anerkannten materiellen Verbrechensbegriff dahingehend auszulegen, daß darunter wie in § 4 JGG die „Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat“ zu verstehen ist. Vgl. auch Nathan, Das neue Jugendgerichtsgesetz, NJ 1952 S. 246. Entwicklung des mißbrauchten Kindes gefährdet oder doch gefährden kann und deshalb mit den Interessen der Gesellschaft unvereinbar ist. Dagegen kommt es das kann nicht oft und nachdrücklich genug betont werden für die Frage der Einsichtsfähigkeit nie darauf an, ob der Jugendliche diese konkrete Gefahr einer sittlichen Fehlentwicklung des Opfers tatsächlich gesehen hat. Darüber hat er sich zur Zeit der Tat vielfach gar keine Gedanken gemacht, sondern hat in aller Regel ohne jede Überlegung seinem Geschlechtstrieb nachgegeben. Die Behauptung des Jugendlichen: „Ich habe mir nichts dabei gedacht“ ist in diesen Fällen nur selten die plumpe Ausrede, für die sie immer gehalten wird, sie entspricht vielmehr meist der Wahrheit. Es kann deshalb immer nur darauf ankommen, ob er nach seinem geistigen Entwicklungsstand die tatsächliche oder mögliche Gefahr für die sittliche Entwicklung des mißbrauchten Kindes beurteilen konnte. Bereits an diesen beiden Beispielen wird hinreichend deutlich, daß die Verstandesreife niemals abstrakt untersucht werden kann, sondern stets in ihrer konkreten Beziehung zu dem durch die Verfehlung verletzten Verbrechenstatbestand geprüft werden muß. Wie das untersuchte Material durch den weitgehenden Mangel entsprechender Bezugsmomente beweist, bereitet gerade die Individualisierung der Einsichtsfähigkeit in die Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat in der Praxis besondere Schwierigkeiten. Die diesbezüglichen Ausführungen in den Verfahrensunterlagen gehen vielfach über allgemeine Feststellungen nicht hinaus und lassen nicht selten die hierfür unumgängliche, den Besonderheiten der jeweiligen Verfehlung entsprechende Tatbezogenheit vermissen. So hatte beispielsweise ein 14jähriger, der einige Male in der Schule zurückgeblieben war, mehrere Laubeneinbrüche und sinnlose Sachbeschädigungen begangen und dabei für Erwachsene völlig unverständlich einige wertlose Gegenstände entwendet. Zur Prüfung der Zurechnungsfähigkeit hat das Gericht in den Urteilsgründen u. a. festgestellt: „Die Art der Tatausführung zeigt, daß er ziemlich raffiniert ist. Das Gericht hat sich auch in der Hauptverhandlung davon überzeugt, daß der Jugendliche im praktischen Leben nicht so zurückgeblieben ist, wie das für seine Schulleistungen zutrifft. Er war durchaus in der Lage, den wesentlichen Inhalt eines Buches wiederzugeben, und er war sich auch vor der Tat völlig im Klaren darüber, daß er zur Verantwortung gezogen .wird, sobald sie entdeckt wird.“ Derartige Formulierungen und Begründungen zeigen einerseits, wie ernsthaft sich die Praxis bemüht, konkrete Anhaltspunkte zu finden, an Hand deren sie auf die Einsichtsfähigkeit schließen kann, andererseits aber auch, daß noch Unklarheiten und Unsicherheit in dieser Hinsicht bestehen. Gerade deswegen kommt es in den Urteilsgründen immer wieder zu formelhaften Feststellungen zu diesen Fragen, die mit der Individualität jedes einzelnen Falls nur schwer in Einklang zu bringen sind. Hier wird nur die Vermittlung gewisser entwicklungspsychologischer und psycho-pathologischer Grundkenntnisse über das Jugendalter eine entscheidende Abhilfe schaffen können. Aüf diesem Gebiet bedarf der Jurist vor allem der Unterstützung des Jugendpsychiaters, des Psychologen und Pädagogen. Wozu er jedoch aus eigener Sachkenntnis heute schon in der Lage ist, wozu er dem Sachverständigen, dem Untersuchungsorgan und der Abteilung Jugendhilfe/Heimerziehung entsprechende Hinweise geben kann und muß, was aber nicht selten auch bei ihm noch ungenügend ist, ist das Eingehen auf die individuelle Tat sowie ihre spezifische Gefährlichkeit im angeführten Beispiel auf die Laubeneinbrüche und die sinnlosen Sachbeschädigungen. Es scheint in der Praxis noch keine genügende Klarheit darüber zu bestehen, daß die Prüfung der Zurechnungsfähigkeit an Hand der konkreten Verfehlung vorzunehmen ist, obwohl doch darin die einzig geeignete und vom Gesetz geforderte Beurteilungsgrundlage liegt. Zumindest finden sich in den Verfahrensunterlagen nur ausnahmsweise tatbezogene Feststellungen darüber. Wenn aber derartige Umstände nicht aktenkundig gemacht werden, so stellt das einen bedenklichen Verfahrensmangel dar; denn es nimmt der Berufungsinstanz die Möglichkeit, die Begründetheit der Ent- 425;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten des Staatssekretariats für Staatssicherheit aus dem Oahre durch dienstliche Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister, wie zum Beispiel die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - und den Befehl Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte und Ausübung der Kontrolle ihrer Einhaltung; alle Unregelmäßigkeiten in den Verhaltensweisen der Inhaftierten und Strafgefangenen festzustellen und sofort an den Wachschichtleiter zu melden. Die Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes und organisiert die Kontrolle. Der Leiter der Abteilung hat durch eine wirksame politischoperative Anleitung und Kontrolle im Prozeß der täglichen Dienstdurchführung die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes zum Verhalten des Inhaftierten, Stationskartei, Entlassungsanweisung des Staatsanwaltes, Besuchskartei, Aufstellung über gelesene Bücher, Zeitungen und Zeitschriften sowie über gewährte Vergünstigungen.

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