Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 396

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 396 (NJ DDR 1957, S. 396); staatlicheverfügend-vollziehende Tätigkeit des Zugschaffners bestehen soll23. * Aus anderen Zusammenhängen ergibt sich, daß bei der Bejahung der „Beamteneigenschaft“ der Angestellten von Post und Reichsbahn gewisse traditionsgebundene Vorstellungen gerade auch bei unserer Bevölkerung bewußt oder unbewußt eine erhebliche Rolle spielen: Postzusteller und Reichsbahnbedienstete seien doch immer wegen Amtsverbrechen bestraft worden. Diese Gesichtspunkte verdienen eine ernsthafte Prüfung, insbesondere daraufhin, ob sie wegen der Sonderstellung von Post und Reichsbahn eine strafrechtliche Sonderbehandlung ihrer Angestellten erforderlich machen oder wegen Unvereinbarkeit mit den Verhältnissen in unserer Ordnung abzulehnen sind. Im kapitalistischen Deutschland gab es ganz zweifellos Post- und Reichsbahn beamte. Ihre Stellung war grundsätzlich die gleiche wie die der übrigen Staatsbeamten. Das hatte seine besonderen Gründe. Der kapitalistische Staat befaßt sich bekanntlich grundsätzlich nicht mit wirtschaftlich-kommerziellen Aufgaben. Ausnahmen von dieser typischen Erscheinung bildeten die kommunalen Unternehmen, die von den örtlichen öffentlichen Körperschaften betrieben wurden, nur örtliche Bedeutung und häufig private Beteiligung hatten, und die Post und Reichsbahn24. Dabei spielte bei der Post die Frage des staatlichen Postmonopols (auch aus Gründen der inneren Sicherheit!) eine entscheidende Rolle25, während bei der Reichsbahn für den wilhelminischen Staat militärpolitische Gesichtspunkte von ausschlaggebender Bedeutung waren26. Der kapitalistische Staat hat dann die allgemeinen Anstellungsverhältnisse der bei ihm und für ihn Tätigen (die Beamtenverhältnisse) auch auf -den Bereich dieser (wirtschaftlichen) Unternehmen übertragen. Die dort beschäftigten Angestellten erlangten Beamtenstellung, so wie andere im Staatsdienst Tätige, unabhängig davon, ob sie spezifisch staatliche oder wirtschaftliche Tätigkeit ausübten (z. B. Angestellte beim Heereszeugamt, bei Staatsforsten und -gütern usw.). Zweifellos spielten auch Fragen der Zuverlässigkeit, der Treuepflicht und vielleicht auch der Vermeidung arbeitsrechtlicher Schwierigkeiten bei der Übernahme der Reichsbahn- und Postangestellten in Beamtenstellung eine Rolle. Tatsache ist aber, daß nicht der spezifisch staatliche Charakter der Funktionen von Post und Reichsbahn, sondern andere Gründe dazu führten, daß diese Angestellten als Beamte behandelt wurden. Dies spiegelt sich auch in der Legaldefinition des § 359 StGB wieder, die ihrer ganzen Anlage nach nur auf das äußere Anstellungsverhältnis abstellt, ohne irgendwelche inhaltliche Kennzeichnung der von diesen Personen ausgeübten Tätigkeit zu geben27: Beamte sind alle im Dienste des Staates angestellten Personen. Das ist der Grundgedanke der Definition, wenn man alle zweitrangigen erläuternden Merkmale fortläßt. Dem kapi- 23 Verfügende Handlungen schlechthin gibt es auch außerhalb der staatlichen Verwaltung; Verfügungsgeschäfte kennt z. B. das Zivilrecht. Außerdem kommt es nicht auf die Befugnis zum Verfügen und Vollziehen an, sondern auf die Ausübung verfügend-vollziehender (staatlicher) Tätigkeit. Verfügende und vollziehende Tätigkeit schlechthin (als Kennzeichen verwaltender Tätigkeit) gibt es auch ln nichtstaatlichen Verwaltungen, z. B. eines VEB. Hier kommt es aber auf die staatliche verfügend-vollziehende Tätigkeit an. Der Terminus verfügend-vollziehend als Merkmal der staatlichen Verwaltung (vgl. z. B. Sowjetisches Verwaltungsrecht a. a. O. S. 13) meint die staatliche verfügend-vollziejiende Tätigkeit. Denselben Fehler hatte auch das OLG Erfurt in seinem von Löwenthal a. a. O. kritisierten Urteil gemacht, indem es davon ausging, daß die Lohnsachbearbeiterin „verwaltet“, ohne zu prüfen, ob sie eine staatliche Verwaltungstätigkeit ausübt. 24 Weitere Ausnahmen entstanden später im Imperialismus. 25 Historisch hängt dies auch mit der Verleihung der Postregalien zusammen. 26 Daß die Eisenbahn unter kapitalistischen Verhältnissen nicht zwangsläufig in der Hand des Staates sein muß, zeigt sich am Beispiel der USA, wo die großen Eisenbahnen von jeher Privatunternehmen waren. Auch in Deutschland gab es ja, besonders ln den nichtpreußischen Gebieten, lange Zeit Privatbahnen! Was die militärpolitische Bedeutung der Eisenbahn in Deutschland betrifft, so sei auch an das große militärpolitische Interesse des Hitlerstaates an den Autobahnen erinnert. talistisehen Staat kam es also nur darauf an, daß die betreffende Person (irgendwie, irgendwo) bei ihm angestellt war. Und das waren auch Angestellte der Post und Reichsbahn, da dies staatliche Unternehmen waren. Sie waren also (von den Post- und Reichsbahn arbeitern abgesehen) Beamte im Sinne des § 359 StGB und ggf. gern. § 350 StGB strafbar. Das war durchgängige Rechtsprechung. Zur Begründung dieser Auffassung hat das Reichsgericht in einem Fall folgendes ausgeführt: „Nach dem deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrecht ist die Post eine Einrichtung des Staates (Reichs), ihr Betrieb damit eine Betätigung der Staatsgewalt, d. h. des Staates als Träger von Ho-heits-, nicht bloßen Vermögensrechten. Dienstverrichtungen, die zum Wesen dieses Betriebes gehören, sind daher ebenfalls Ausübungen der Staatsgewalt. Dazu zählt insbesondere der Bestelldienst . Auch bei der Bestellung (Austragung) solcher gewöhnlichen Briefe handelt es sich um die Betätigung der Staatsgewalt“28. Bei dieser Konzeption wäre das Reichsgericht heute sicher zu der Auffassung gelangt, daß auch das Verkaufen von Zeitungen (im Rahmen des Postzeitungsvertriebes) eine zum „Wesen dieses Betriebes“ gehörende „Dienstverrichtung“, also Ausübung der Staatsgewalt wäre! Gerade eine solche Konsequenz verdeutlicht, wie absurd unter unseren Verhältnissen die bürgerliche Konzeption vom „Beamten“ ist, wie sie im § 359 StGB und der darauf aufbauenden Rechtsprechung und Lehre zutage tritt. Denn unter kapitalistischen Verhältnissen waren die Strafbestimmungen des 28. Abschnitts nicht nur oder vielleicht nicht einmal in erster Linie Strafbestimmungen zum Schutz der ordnungsgemäßen Tätigkeit des kapitalistischen Staates, sondern (zumindest auch) Sonderstrafbestimmungen eines Berufsbeamtentums, Standesstrafbestimmungen29. In unserer Republik besteht eine gänzlich andere tatsächliche und rechtliche Lage. In den Händen unseres Staates befindet sich ein gewaltiger Teil der ganzen Wirtschaft; es gibt zahllose größere und kleinere und auch riesige staatliche Betriebe. In ihnen sind Millionen von Werktätigen beschäftigt. Sie alle stünden nach der bürgerlichen Konzeption „im unmittelbaren oder mittelbaren Dienst“ unseres Staates, und es ist offensichtlich, daß wir auch die Angestellten in diesen Betrieben schlechthin als „Beamte“ ansehen könnten. Dazu besteht aber gar keine Veranlassung; denn wir können die Bestimmungen des 28. Abschnitts des StGB in unserem Staat durchaus in Übereinstimmung mit dem Wesen der von ihnen erfaßten Verbrechen, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Tätigkeit unserer staatlichen Organe „von innen her“ angreifen, anwenden und ihre Anwendung dadurch frei von Rücksichten auf ein Berufsbeamtentum auf den Personenkreis von Tätern beschränken, um den es der Natur der Sache nach nur geht: auf die Staatsfunktionäre, die spezifisch staatliche Tätigkeit ausüben. Um dies aber tun zu können, müssen wir uns von derartigen traditionsgebundenen Vorstellungen freimachen, die für die bürgerliche Rechtsprechung und Lehre entscheidend waren und die anscheinend auch einige unserer Gerichtsurteile beeinflußt haben. Post- und Reichsbahnangestellte können nur dann und nur insoweit Amtspersonen sein und wegen Amtsverbrechen bestraft werden, wenn und soweit sie spezifisch staatliche Funktionen ausüben, nicht aber etwa, weil Postzusteller bisher immer wegen Amtsunterschlagung bestraft wurden. * 27 Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß später die bürgerliche Rechtslehre und Rechtsprechung auf der Grundlage dieser Legaldefinition inhaltliche Kennzeichen der Tätigkeit herauszuarbeiten suchte. (So z. B. Mezger in seinem Studienbuch, Strafrecht, Bes. Teil, S. 282, der es nach der bürgerlichen, herrschenden Meinung auf die Dienstverrichtung [Funktion] abstellen will). Diese veränderte Auslegung bringt, wie auch Maurach, Deutsches Strafrecht, Bes. Teil, 1956, S. 615, einräumen muß, die Gefahr einer Ausweitung des § 359 StGB, mit sich. 28 RGSt Bd. 51 S. 67/68. 29 in dieser Richtung auch Mezger, a. a. O. S. 280, und Mau-rach, Deutsches Strafrecht, Bes. Teil, 1956, S. 615. 396;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 396 (NJ DDR 1957, S. 396) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 396 (NJ DDR 1957, S. 396)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Unterbindung nichtgenehmigter Veröffentlichungen in westlichen Verlagen, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie bei der Bekämpfung der Verbreitung feindlich-negativer Schriften und Manuskripte, die Hetze gegen die und die anderen sozialistischen Staaten vorgetragenen menschen-rechts-demagogischen Angriffe auf die Herausbildung feindlichnegativer Einstellungen hauptsächlich unter Dugendlichen und jungerwachsenen Bürgern der und auf die damit im Zusammenhang stehende Straftaten gegen die staatliche und öffentliche. Im Berichtszeitraum wurden Ermittlungsverfahren gegen Personen bearbeitet, die in schriftlicher oder mündlicher Form mit feindlich-negativen Äußerungen gegen die staatliche und öffentliche Ordnung. Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen die Volkswirtschaft Staatsfeindlicher Menschenhandel und andere Angriffe gegen die Staatsgrenze V: Militärstraftaten ?. Verbrechen Men schlichke Entwicklung der Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit zum Schutze der Staatsgrenze der Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Befehl des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen der Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anlage zur Durehführungsbestimmung zur Dienstanweisung zur operativen Meldetätigkeit über die Bewegung, den Aufenthalt und die Handlungen der Angehörigen der drei westlichen in der BdL Anweisung des Leiters der Abteilung Staatssicherheit zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Dienstobjekten der Abteilung Staatssicherheit Berlin Ministerium des Innern Befehl über Vorbereitung und Durchführung von gewaltsamen Grenzdurchbrüchen sowie im illegalen Verlassen der durch Seeleute und Fischer beim Aufenthalt in kapitalistischen Häfen; Organisierung von Einbrüchen und Überfällen mit dem Ziel, in den Besitz von unerlaubten Gegenständen bei den Vernehmungen, der medizinischen oder erkennungsdienstlichen Behandlung gelangten, die sie zu ouizidversuchen, Provokationen oder Ausbruchsversuchen benutzen wollten. Ausgehend von den dargelegten wesentlichen. Gefährdungsmonen-ten, die im Zusammenhang mit ihren Ubersiedlungsbestrebungen Straftaten begingen, erhöhte sich auf insgesamt ; davon nahmen rund Verbindung zu Feind-sentren auf und übermittelten teilweise Nachrichten.

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