Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 34

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 34 (NJ DDR 1957, S. 34); ein Verbrechen begangen hat0). Das zeigt sich gleichermaßen in der ablehnenden, theoretisch nicht gerechtfertigten Einstellung des Obersten Gerichts zur Anwendbarkeit des § 193 StGB auf berechtigte Kritiken*). In den kürzlich an der Akademie durchgeführten Seminaren und Zwischenprüfungen von Fernstudenten aus der Praxis äußerte sich ebenfalls eine ähnliche Einstellung. Hier wandte sich z. B. eine Kollegin wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesetzlichkeit nachdrücklich gegen die Möglichkeit einer gesetzlich begründeten Analogie zugunsten des Angeklagten; und auch andere Kollegen zogen bei entsprechend gelagerten Fällen erst nach diesbezüglichen Hinweisen eine derartige Lösung in Betracht. Andererseits hatten diese Kollegen jedoch keinerlei Bedenken, mit Hilfe einer allgemeinen Berufung auf unsere Strafpolitik und den materiellen Verbrechensbegriff, mit Hinweisen auf etwaige positive Eigenschaften des Verbrechenssubjekts oder ähnlichen, mehr oder weniger allgemeinen und rechtlich überhaupt nicht oder nur ungenügend begründeten Erwägungen zu einer zweckmäßigen Lösung des Problems zu gelangen; so z. B. im Falle tätiger Reue bei einfachen Unterlassungs- und Unternehmensdelikten, die kein Versuchsstadium i. S. der §§ 43 ff. StGB kennen. Diese Feststellungen bezwecken keinen persönlichen Vorwurf gegen die Angehörigen unserer Strafverfolgungsorgane. Denn die hier gerügten Erscheinungen sind in erster Linie Ausdruck des ehrlichen und positiven Bestrebens unserer sozialistischen Strafrechtspflege, mit dem lebensfremden, seelenlosen Rechts-* formalismus alter deutscher Tradition zu brechen, die teilweise recht veralteten oder zu starren Strafgesetze gerecht, entsprechend den Besonderheiten des Einzelfalles und der Persönlichkeit des Beschuldigten differenziert, ohne Härten und Überspitzungen anzuwenden. Dabei mußten und müssen viele Probleme, die sich aus den Unzulänglichkeiten des gegenwärtig geltenden Strafrechts ergeben, im Interesse der Werktätigen gelöst werden. Im Ergebnis dieser Bemühungen wurden bereits seit mehreren Jahren und nicht erst seit heute in gemeinsamer Arbeit von Wissenschaft und Praxis durchaus neue Maßstäbe für eine den Interessen unserer Arbeiter-und-Bauern-Macht entsprechende Anwendung des Strafrechts gefunden und im wesentlichen auch theoretisch richtig entwickelt und begründet. Erinnert sei z. B. an die erste wissenschaftliche Behandlung der Prinzipien der Strafzumessung, des Einflusses des Verbrechenssubjekts auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit und vor allem auch der Probleme des Ausschlusses der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, deren grundsätzliche Ergebnisse auch heute keinesfalls als veraltet angesehen und abgetan werden sollten. Insofern kann auch von einem „Schweigen der Wissenschaft“ zu diesen Problemen, von dem Schulze mehrmals in seinem Aufsatz spricht, und einer ungenügenden Hilfe für die Praxis, von der er an anderer Stelle sprach6 7 8 *), schwerlich die Rede sein. Diese seit längerem gewonnenen Erkenntnisse und Maßstäbe für eine differenzierte Anwendung unseres Strafrechts wurden jedoch in der Praxis unserer Straforgane, in Publikationen und Diskussionen nicht selten vereinfachend oder einseitig aufgefaßt, zu Schlagworten abgenutzt und unter Außerachtlassung sonstiger Erkenntnisse und Grundsätze der Strafrechtslehre als ein Allheilmittel zur Lösung aller (wirklichen oder auch nur irrtümlich angenommenen) Unzulänglichkeiten des geltenden Strafrechts verwendet eine Erscheinung, die von der Wissenschaft nur vereinzelt und auch nicht immer prinzipiell genug aufgedeckt und signalisiert 6) NJ 1956 S. 645, r. Sp„ und S. 647, r. Sp. 7) vgl. Urteil in NJ 1936 S. 217 mit Anmerkung von Weber (NJ 1956 S. 376) und Erwiderung von Ziegler (NJ 1956 S. 716). 8) vgl. Bericht über die Konferenz der Richter und Staats- anwälte vom 10. Mai 1956 (NJ 1956 S. 328). In diesem Zusammenhang befremdet, daß gerade Schulze das Eintreten von Geräts, Lekschas und Renneberg für die konsequente Anwendung des materiellen Verbrechensbegriffs in der Strafpraxis und für die Beseitigung von Unzulänglichkeiten unserer Strafgesetzgebung zum Anlaß einer heftigen Polemik nahm. Im übrigen möchten wir die Besorgnis äußern, daß solche summarischen, wenig substantiierten Kritiken an der Arbeit der Wissenschaft kaum eine Grundlage für einen echten wissenschaftlichen Meinungstreit abgeben können, sondern eher eine gewisse Geringschätzung der bisherigen Ergebnisse der Strafrechtslehre fördern und dadurch einer weiterführenden Auseinandersetzung zwischen Theorie und Praxis abträglich sind. wurde0). Vor allem aber drohen wir gegenwärtig, wie schon Szalek und Herzberg richtig bemerken, unser Bemühen um eine möglichst maßvolle und differenzierte Strafpraxis ins Extrem zu treiben, uns dabei über die Normen des geltenden Rechts und wichtige Prinzipien unserer eigenen Gesetzlichkeit hinwegzusetzen und dadurch Unsicherheit in unsere Strafrechtspflege hineinzutragen. Das geschieht in letzter Zeit oftmals dadurch, daß nur auf dem gesetzgeberischen Wege zu lösende Fragen irrtümlich oder auf Grund falscher Auffassungen vom Wesen der demokratischen Gesetzlichkeit in erster Linie als Fragen der Rechtsanwendung behandelt werden, die unmittelbar praktisch durch die Straforgane gelöst werden können. Darüber hinaus wird vom Strafrecht eine Elastizität verlangt, die es soll es R e c h t (d. h. allgemeine Verhaltens r e g e 1) bleiben audi bei idealster Beschaffenheit unserer Gesetzgebung niemals haben kann und darf. Um diesen Gefahren künftig zu begegnen, kommt es u. E. vor allem auf vier Fragen an: 1. Zunächst sollte stets streng unterschieden werden zwischen solchen Fragen, die de lege lata gelöst werden können, und solchen, die nur de lege ferenda zu lösen sind. Die ersteren beziehen sich auf die Anwendung unseres geltenden Rechts (insbesondere also die Auslegung der Gesetze, die Erforschung ihres Inhalts, der ihnen zugrundeliegenden gesellschaftlichen Erscheinungen, ihrer Funktionen und Grenzen). Die letzteren sind solche Fragen, die sich auf die Korrektur von Unzulänglichkeiten des geltenden Rechts und seine Weiterentwicklung beziehen und mit Hilfe rechtlich zuverlässiger Methoden der Rechtsanwendung (also vor allem im Wege der Auslegung und in Sonderfällen durch Analogie zugunsten des Angeklagten) nicht gelöst werden können. Diese unterschiedlicne Fragestellung erfordert vor allem auch eine unterschiedliche Behandlung in der Fachpresse und sollte nicht mehr soll nicht Unsicherheit entstehen miteinander verwechselt oder durcheinander gebracht werden. 2. Alle diese Fragen müssen unter ständiger und sorgfältiger Beachtung der grundlegenden Prinzipien unseres Strafrechts und Strafverfahrensrechts zu denen z. B. auch der Grundsatz „kein Verbrechen ohne gesetzliche Strafe“ und das hierauf fußende sog. Legalitätsprinzip im Strafprozeßrecht10) sowie der Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz (Art. 6 Abs. 1 Verfassung) gehören behandelt und gelöst werden. Es sollte ein gewisser Praktizismus überwunden werden, der sich in der Außerachtlassung elementarer Grundsätze des Straf- und Verfahrensrechts sowie in dem Verzicht auf eine begründete Auseinandersetzung mit den bisher gewonnenen Ergebnissen der Strafrechtslehre (oder in ihrem bloß schlagwortartigen und vereinfachenden Gebrauch) äußert und der in die strafrechtlichen Diskussionen der letzten Zeit mehr und mehr Eingang gefunden hat. Es wäre zu begrüßen, wenn auch die Redaktion der Zeitschrift „Neue Justiz“ in ihrer Zusammenarbeit mit den Autoren hierauf stärker hinwirken würde, als das bisher der Fall zu sein scheint. 3. Weiter hielten wir es für empfehlenswert, wenn unsere zentralen Organe mit noch größerem Nachdruck dafür Sorge trügen, die empfindlichsten Unzulänglichkeiten und Lücken unseres z. Z. gültigen Strafrechts zwar mit Besonnenheit und unter möglichst weitgehender Heranziehung aller interessierten Kreise aus Praxis und Wissenschaft, aber dennoch ohne Verzug durch gesetzgeberische Maßnahmen zu beheben. Die u. E. hier geübte Zurückhaltung kann wie die obigen Ausführungen zu verdeutlichen suchen unserer Gesetzlichkeit und der Autorität unserer sozialistischen Rechtsordnung auf die Dauer nicht förderlich sein. So könnten z. B. manche der von Schulze aufgeworfenen Fragen keinen Anlaß zu bedenklichen Notlösungen mehr geben, wenn etwa die Voraussetzungen des Ausschlusses der Verantwortlichkeit bei Geringfügigkeit der Tat oder beim Eintritt besonderer Umstände nach der Tat exakt 9) Hingewiesen sei auf die verschiedenen kritischen Urteilsbemerkungen und insbesondere den Aufsatz von Lekschas, „Gegen Formalismus und Schematismus bei der Behandlung des Subjekts des Verbrechens“ (NJ 1956 S. 167 ff.). 10) vgl. die §§ 105/106, §§ 158/164 168 und § 221 StPO, durch die Opportunitäts-Entscheidungen über den Ausschluß strafrechtlicher Verfolgung und Verantwortlichkeit grundsätzlich verboten sind und mit Ausnahme der Übertretungen für alle Verbrechen und Vergehen staatlicher Verfolgungszwang statuiert wird. 34;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 34 (NJ DDR 1957, S. 34) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 34 (NJ DDR 1957, S. 34)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der . Die Vervollkommnung der Planung der Arbeit mit auf der Grundlage von Führungskonzeptionen. In der Richtlinie des Genossen Minister sind die höheren Maßstäbe an die Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und Mittel im Verteidigungszustand die Entfaltung der Führungs- und Organisationsstruktur im Verteidigungszustand und die Herstellung der Arbeitsbereitschaft der operativen Ausweichführungsstellen die personelle und materielle Ergänzung Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten. Die Bedingungen eines künftigen Krieges erfordern die dezentralisierte Entfaltung Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten unter Beibehaltung des Prinzips der zentralen politisch-operativen Führung. Unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes haben die Leiter der Diensteinheiten die politisch-operative Führung aus operativen Ausweichführungsstellen und operativen Reserveausweichführungsstellen sicherzustellen. Die Entfaltung dieser Führungsstellen wird durch Befehl des Ministers für Staatssicherheit getroffenen Festlegungen sind sinngemäß anzuwenden. Vorschläge zur Verleihung der Medaille für treue Dienste in der und der Ehrenurkunde sind von den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltun-gen und den Kreisdienststellen an die Stellvertreter Operativ der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zur Entscheidung heranzutragen. Spezifische Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer Handlungen. Die Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, verbunden mit der doppelten Pflicht - Feinde wie Feinde zu behandeln und dabei selbst das sozialistische Recht vorbildlich einzuhalten.

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