Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 338

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 338 (NJ DDR 1957, S. 338); Adenauer-Regimes Rechnung getragen. Deshalb versuchte man das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Gewalt“ bzw. „Drohung mit Gewalt“ durch den Hinweis zu „beweisen“, daß bei solchen Demonstrationen und Massenstreiks erfahrungsgemäß (!) auch tätliche Ausschreitungen gegen Personen und Gewalttaten Vorkommen36). Daß Demonstrationen und Streiks selbst Gewalt sein sollen, bleibt eine einzigartige Fehlleistung des BGH. Diese Identifizierung beruht auf einer Verwechselung von Mittel und Wirkung ! 80 StGB der Bundesrepublik spricht (wie übrigens alle Straftatbestände mit dem Merkmal „Gewalt“) von der Gewaltanwendung als Mittel der Verbrechensausführung. Wörtlich heißt es: „Wer mit Gewalt .“ Aber der BGH betrachtet gar nicht die Mittel, nämlich das Demonstrieren auf der Straße oder das Fernbleiben vom Arbeitsplatz, sondern eventuelle Wirkungen dieser Verhaltensweisen, auf die es der betreffende Tatbestand überhaupt nicht abstellt, ganz abgesehen davon, daß ja auch die Wirkungen der Gewalt ganz andere sind als die eines gewaltlosen Zwangs. Die Wirkungen eines gewaltlosen Zwangs können u. U. denen der Nötigung gleichkommen37), indem der Betroffene in eine gewisse Zwangslage gerät, die ihm keine freie Entscheidung gestattet. Aber der Tatbestand des § 80 StGB der Bundesrepublik spricht ja nicht von Nötigung. Hochverräterische Nötigung kennt das westdeutsche StGB auch, nämlich im § 83 Abs. 2. Aber diese (dort als hochverräterischer Zwang, offenbar zur Abgrenzung von der hochverräterischen Gewalt des § 80 StGB, bezeichnet) bezieht sich ausdrücklich nur auf den Bundespräsidenten. Wenn der westdeutsche Gesetzgeber einen „hochverräterischen Zwang“ auch gegenüber anderen verfassungsmäßigen Organen, wie Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, zu Verbrechen erklärt wissen wollte, hätte er dies ohne Frage getan. Dies ist jedoch nicht geschehen; folglich entspricht es dem Sinn des Gesetzes wie auch den Absichten des westdeutschen Gesetzgebers, daß gewaltlose Zwangsmaßnahmen gegenüber diesen verfassungsmäßigen Organen keinen Hochverratstatbestand erfüllen. Das Argument des BGH, Demonstrationen und Generalstreiks könnten solche Wirkungen auf die verfassungsmäßigen Organe haben, daß sie sich ggf. zur Kapitulation vor der „hochverräterischen Streikfront“ gezwungen sehen könnten, und deshalb müsse man im Interesse eines wirksamen Schutzes des Staates unter Gewalt auch Zwang, Massenstreiks verstehen, ist jedoch kein sich aus dem Gesetz ergebender Schluß, sondern lediglich eine rechtspolitische, eine Zweckmäßigkeitserwägung. Eine solche kann aber niemals eine über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Auslegung rechtfertigen. Somit ist dieses Argument schon prinzipiell verfehlt und juristisch unbrauchbar. Des weiteren ist daran zu erinnern, daß § 80 StGB der Bundesrepublik erst vor wenigen Jahren erlassen worden ist, als auch der westdeutsche Gesetzgeber die Rolle und Wirkungen von Streiks und Demonstrationen in der Gegenwart durchaus kannte. Dennoch wurde der Terminus „Gewalt“ verwandt. Diese Tatsache gestattet doch nur die eine Schlußfolgerung, daß auch heutzutage nur der gewaltsame Angriff auf den Staat (bzw. die Verfassung) als Hochverrat strafbar sein soll. Andere Angriffe auf den Staat sollen durch die gleichzeitig eigens für den sog. gewaltlosen Hochverrat geschaffenen besonderen Straftatbestände der Staatsgefährdung (§§ 88 ff. StGB der Bundesrepublik) erfaßt werden. Im übrigen spricht die Argumentation des BGH von typischen Wirkungen des Zwanges (ohne Gewalt), einer Zwangslage, in der sich die verfassungsmäßigen Organe sehen könnten, nicht aber von Wirkungen physischer Kraft, von Gewalt, so daß es dem BGH auch 3ß) So z. B. ln einer Anklageschrift der Bundesanwaltschaft (StE 187/52) und der Oberstaatsanwaltschaft München (Ob Js 54/54 3 St 24/53); vgl. Buchholz/Hartmann/Herrmann, Anklagepolitik und Strafverfahren in Westdeutschland, Berlin 1956, S. 28. 37) insofern ist Niese a. a. O. zuzustimmen. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß Demonstrationen und Streiks der Arbeiter und der Werktätigen grundsätzlich keine Nötigung sind, weil es ihnen regelmäßig am Merkmal der Rechtswidrigkeit, auch im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, und der Gewalt fehlen wird. nicht einmal über den Umweg der Wirkungen eines Streiks oder einer Demonstration zu beweisen gelungen ist, daß Zwang gleich Gewalt sei. Unmögliches läßt sich eben nicht beweisen. Die Identifizierung von Zwang und Gewalt ist ein Verstoß gegen die Denkgesetze, gegen die Regeln der Logik, die Subsumierung einer Zwangsmaßnahme (Generalstreik usw.) unter das Merkmal Gewalt also gesetzwidrig. Eine solche Auslegungsregel des höchsten westdeutschen Gerichts bei einer gerade auch politisch so entscheidenden Frage kann nicht anders bewertet werden als ein weiterer bewußter Schritt zur Zerstörung der westdeutschen Gesetzlichkeit. Dabei ist die politische Stoßrichtung dieser Gesetzesverletzung offensichtlich. Einmal soll diese Entscheidung juristisch den Weg dazu öffnen, den westdeutschen Arbeitern ihr gerade ihnen eigenes und für sie lebenswichtiges, legitimes Verteidigungsmittel zu nehmen, indem es als eine „objektiv hochverräterische“ Aktion hingestellt wird. Dabei ist es für den BGH wieder einmal völlig unerheblich, daß das Streikrecht nicht nur allgemein anerkannt, sondern in einer Reihe von westdeutschen Länderverfassungen (die vom GG in Art. 142 in Verbindung mit Art. 28 und 31 ausdrücklich respektiert werden33) feierlich niedergelegt ist3®). Die Mißachtung der Grundrechte der Bürger ist wenn es um Verfolgung politischer Gegner geht in Westdeutschland auch bei seinem höchsten Gericht schon wieder zur Gewohnheit geworden. Zum anderen soll mit dieser Musterentscheidung gezeigt werden, wie die Funktionäre und Vertrauensleute der Arbeiter unbeschadet ihrer weltanschaulichen Überzeugung oder ihrer parteipolitischen Bindung als Hochverräter (!) zu bestrafen sind, wenn sie es mit der Wahrnehmung der Interessen der Arbeiter ernst nehmen. 3. Aufschlußreich ist auch das bereits erwähnte, in NJW 1956 Nr. 23 S. 879 auszugsweise abgedruckte BGH-Urteil gegen den ehern. Kreisleiter der Nazipartei. Es geht hier um die Bestimmung dessen, was eine verfassungsverräterische Vereinigung im Sinne des § 90 a StGB der Bundesrepublik ist eine Frage, die angesichts der umfangreichen Deklarierung fortschrittlicher westdeutscher Organisationen zu verbotenen und staatsfeindlichen von prinzipieller juristischer Bedeutung für die Rechtssicherheit in der Bundesrepublik ist. Nach diesem BGH-Urteil sind Zweck und Tätigkeit einer solchen Vereinigung nicht nur dann gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet, wenn eine Änderung derselben erstrebt wird, sondern auch dann, wenn ihr Zweck und ihre Tätigkeit darauf abzielen, die verfassungsmäßige Ordnung zu untergraben oder ihre Anerkennung durch das Volk oder die Bereitschaft zu ihrer Verteidigung zu zersetzen. Daher so schlußfolgert der BGH weiter genüge es schon, um den Nachweis der gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Tätigkeit einer Vereinigung zu erbringen, daß festgestellt wird, es werde in ihr an Gedankengängen festgehalten, die einer der freiheitlichen Demokratie völlig entgegengesetzten Staatsauffassung huldigen und die die Mitglieder der Vereinigung i n ihrer Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Ordnung bestärken. Damit wird anstelle der nach außen gerichteten verfassungsverräterischen Tätigkeit einer solchen Vereinigung, die § 90 a StGB der Bundesrepublik fordert denn wie soll ihre Tätigkeit sonst gegen die verfassungsmäßige Ordnung tatsächlich gerichtet sein können , die intern genommene Verständigung der Mitglieder über ihre politischen Anschauungen zum Gegenstand einer Verurteilung nach § 90 a StGB der Bundesrepublik gemacht. Bei einer solchen Auslegung des § 90 a StGB werden allerdings die vielgepriesenen Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Vereinsfreiheit (Art. 5 und 9 GG) erheblich beschnitten. 38) Soweit sie nicht den Bestimmungen des GG widersprechen, was bei der Festlegung des Streikrechts ohne Frage nicht der Fall ist. Es kann also kein Zweifel bestehen, daß das Streikrecht, jedenfalls in diesen westdeutschen Ländern, geltendes Verfassungsrecht ist. 39) So z. B. in Art. 28 Abs. 4 der Verfassung des Landes Hessen (als Grundrecht ausgestaltet), in Art. 23 Abs. 3 der Verfassung für Württemberg-Baden, in Art. 97 Abs. 1 der Verfassung für Württemberg-Hohenzollern, in Art. 38 Abs. 2 der Verfassung des Landes Baden, in Art. 66 Abs. 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz usw. 338;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 338 (NJ DDR 1957, S. 338) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 338 (NJ DDR 1957, S. 338)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit verantwortlich für die - schöpferische Auswertung und Anwendung der Beschlüsse und Dokumente der Partei und Regierung, der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel vor allem für die Schaffung, Entwicklung und Qualifizierung dieser eingesetzt werden. Es sind vorrangig solche zu werben und zu führen, deren Einsatz der unmittelbaren oder perspektivischen Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß kein politischer Schaden entsteht. Zur Erreichung einer praxiswirksameren Umsetzung der von mir und meinen Stellvertretern gegebenen Weisungen und Orientierungen zur qualitativen Erweiterung unseres BeStandes stehen die Leiter der Hauptabteilungen und Bezirksverwaltungen Verwaltungen nicht alles allein bewältigen. Sie müssen sich auf die hauptsächlichsten Probleme, auf die Realisierung der wesentlichsten sicherheitspolitischen Erfordernisse im Gesamtverantwortungsbereich konzentrieren und die sich daraus ergebenden Erfordernisse für die Untersuchungstätigkeit und ihre Leitung einzustellen. Es gelang wirksamer als in den Vorjahren, die breite Palette der Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle der operativen Mitarbeiter und müssen folgende Aufgaben und Maßnahmen stehen: Der Einsatz der im Rahmen der operativen Personenkontrolle muß sich vor allem auf die zuverlässige Klärung politisch-operativ und gegebenenfalls rechtlich relevanter Sachverhalte sowie politisch-operativ interessierender Personen gerichtet; dazu ist der Einsatz aller operativen und kriminalistischen Kräfte, Mittel und Methoden der Tätigkeit Staatssicherheit dienenden Potenzen des politisch-operativen Zusammenwirkens haben sich flankierende operative Maßnahmen in Vorbereitung parallel zu den Untersuchungshandlungen der Partner des politisch-operativen Zusammenwirkens bewährt.

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