Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 33

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 33 (NJ DDR 1957, S. 33); N U M M E R 2 JAHRGANG 11 ZEITSCHRIF NEUflUSTiZ T FUR RECHT w UND RECHTSWI BERLIN 1957 20. JANUAR UND RECHTSWISSENSCHAFT Materieller Verbrechensbegriff, Strafpolitik und Gesetzlichkeit Von Prof. Dr. JOACHIM RENNEBERG, Oberassistent ERICH HÜBNER und Aspirant HANS WEBER, Institut für Strafrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ Seitdem Benjamin in dem 1954 erschienenen Aufsatz „Zur Strafpolitik“1) zur konsequenten Anwendung des materiellen Verbrechensbegriffs in der Justizpraxis aufforderte, ist die Diskussion hierüber nicht abgerissen, und es haben diese beiden Begriffe „Strafpolitik“ und „materieller Verbrechensbegriff“ in unsere Strafrechtspflege allenthalben Eingang gefunden. Aus dem Kreis der in letzter Zeit zu dieser Thematik erschienenen Publikationen verdient der Aufsatz „Neue Maßstäbe“ von Schulze1 2) besondere Beachtung, weil er bestimmte Erscheinungen in unserer Strafpraxis zu verallgemeinern und über den Rahmen der bisherigen Erörterungen hinauszugehen sucht. Eine Reihe der von ihm entwickelten Schlußfolgerungen und Lösungsversuche gibt jedoch was auch schon in den Diskussionsbeiträgen von Herzberg und S z a 1 e k3) zum Ausdruck gelangt zu einigen ernsten Bedenken und Einwänden Anlaß, da diese geeignet erscheinen, allgemeine Unsicherheit in unsere Strafrechtspflege hineinzutragen, und mit grundlegenden Prinzipien der sozialistischen Gesetzlichkeit nicht zu vereinbaren sind. Wegen der von ihm aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen wurden der Aufsatz Schulzes und die Problematik des materiellen Verbrechensbegriffs zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Sitzung unseres Instituts gemacht. In ihrem Ergebnis wurden die Verfasser dieser Zeilen beauftragt, ihre Meinung zu diesen Problemen die in ihren wesentlichsten Punkten die Zustimmung der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts fanden in der „Neuen Justiz“ darzulegen und zur Diskussion zu stellen. I Das Verdienst des Aufsatzes von Schulze sehen wir darin, daß er mit noch größerer Entschiedenheit und Ausführlichkeit, als es vordem Geräts, Lekschas und Renneberg in ihrem kurzen und umstrittenen Beitrag in „Neues Deutschland“4) bereits getan hatten, die Frage nach den Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und des sozialistischen Strafrechts überhaupt aufgeworfen hat. Er hat anhand einiger (wenn auch nicht immer glücklicher und überzeugender) Beispiele deutlich gemacht, daß wir unsere Strafrechtspflege mit den herkömmlichen Vorstellungen, bisherigen Maßstäben und Methoden allein nicht auf ein höheres, wahrhaft sozialistisches Niveau bringen können. In diesem Zusammenhang hat er z. B. ein solch wichtiges und grundsätzliches Problem angeschnitten wie das der sog. „Betriebsjustiz“ bei Delikten gegen das sozialistische Eigentum, das weil es eine Realität unseres gesellschaftlichen Lebens in den Betrieben ist! einer baldigen, prinzipiellen Lösung bedarf und nicht länger dem Zufall und der Willkür örtlich, betrieblich und auch menschlich verschiedener Auffassungen einzelner Personen oder Kollektive überlassen bleiben sollte*). Bei diesem durchaus löblichen Vorhaben macht aber Schulze einen prinzipiellen, rechtspolitisch nicht vertretbaren Fehler, den u. E. auch das Redaktionskolle- 1) NJ 1954 S. 453. 2) NJ 1956 S. 645. 3) „Uber den materiellen Verbrechensbegriff und die strenge Einhaltung der Gesetzlichkeit“ (NJ 1956 S. 758) und „Gedanken zu den .neuen Maßstäben'“ (NJ 1956 S. 764). 4) „Die Aufgaben unseres Strafrechts“, Neues Deutschland (Ausg. B) vom 9. Mai 1956, S. 2. *) vgl. hierzu den Beitrag von Leim auf S. 38 ft. dieses Heftes. D. Red. gium der „Neuen Justiz“ auf Grund seiner Verantwortung für die Arbeit unserer Justizpraxis nicht unkommentiert hätte lassen dürfen. Die Quintessenz seines Aufsatzes ist doch eindeutig, daß das ganze Problem der Begrenzung und Differenzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nui oder doch in erster Linie ein Problem der „neuen Maßstäbe“, der praktischen Handhabung des geltenden Strafrechts und Verfahrensrechts durch das einzelne Untersuchungsorgan, den Staatsanwalt oder das Gericht sei. Er setzt sich dabei aber darüber hinweg, daß dem in den meisten der von ihm erwähnten Fällen die geltenden Normen und z. T. sogar grundlegende Prinzipien unseres Straf- und Verfahrensrechts direkt und ausdrücklich entgegenstehen. Er empfiehlt den Straforganen, daß sie sich in all den Fällen, in denen ihnen die strafrechtliche Verfolgung bestimmter Taten unbillig und unzweckmäßig erscheint, einfach über die Normen des geltenden Rechts hinwegsetzen sollen. Das trifft fast für sämtliche der von ihm angeführten Beispiele zu, in denen seiner Meinung nach eine strafrechtliche Verfolgung hätte unterbleiben sollen. Das soll im einzelnen weiter unten noch dargelegt werden. Diese Auffassung wurde von Schulze allerdings keineswegs aus dem Nichts heraus entwickelt und sozusagen von ihm erfunden. Sein Aufsatz ist vielmehr als ein Versuch zu werten, bestimmte u. E. fehlerhafte Erscheinungen und Bestrebungen in der Praxis unserer Strafverfolgungsorgane, insbesondere der U-Orgäne und der Staatsanwaltschaft, zu verallgemeinern und theoretisch zu erklären. Diese fehlerhaften Erscheinungen und Tendenzen äußerten sich darin, daß in vielen Fällen unter zumeist allgemeiner Berufung auf eine richtige, den Werktätigen verständliche Strafpolitik und auf die Formel vom materiellen Verbrechensbegriff die Befreiung beschuldigter Personen von strafrechtlicher Verantwortlichkeit herbeigeführt oder gefordert wurde, obwohl in diesen Fällen eine solche Befreiung überhaupt nicht oder aus anderen Gründen als der Berufung auf diese Formel zulässig war. Es wurden nicht genügend die verschiedenen Fälle, die spezifischen Voraussetzungen und die Grenzen für den Ausschluß der Gesellschaftsgefährlichkeit und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit beachtet. Der unserer demokratischen Gesetzlichkeit entspringende Grundsatz, daß nicht nur für die Begründung, sondern auch den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit spezielle rechtliche Voraussetzungen vorliegen müssen, geriet mitunter in Vergessenheit. Dabei ist vor allem eine Tendenz zu verzeichnen: Bei der Entscheidung über die Befreiung von strafrechtlicher Verantwortlichkeit wird nicht selten die juristische, im geltenden Recht (der entscheidenden Grundlage der Tätigkeit aller Rechtspflegeorgane) fundierte Begründung vernachlässigt und stattdessen den Zweckmäßigkeitserwägungen des einzelnen Praktikers, wie sie sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles sowie der gegebenen politischen oder wirtschaftlichen Situation u. ä. Faktoren unserer gesellschaftlichen Entwicklung ergeben, der Vorrang gegeben. Hierfür gibt es nicht wenige Beispiele: so die von Schulze angeführten Fälle der Entwendung sozialistischen Eigentums in Höhe von 300 DM oder auch 80 DM3), der Fall der fahrlässigen Brandstiftung einer Jugendlichen oder das Beispiel vom Rückkehrer, der 33 5) NJ 1956 S. 346, r. Sp.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 33 (NJ DDR 1957, S. 33) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 33 (NJ DDR 1957, S. 33)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Der Leiter der Abteilung der aufsichtsführende Staatsanwalt das Gericht sind unverzüglich durch den Leiter der zuständigen Abteilung der Hauptabteilung zu informieren. Gegebenenfalls können auf der Grundlage der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - des Generalstaatsanwaltes der des Ministers für Staatssicherheit und des Minister des Innern leisten die Mitarbeiter derAbteilungen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienstobjekten zu gewährleisten. Die Untersuchungshaftanstalt ist eine Dienststelle der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Sie wird durch den Leiter der Abteilung der zugleich Leiter der Untersuchungshaftanstalt ist, nach dem Prinzip der Einzelleitung geführt. Die Untersuchungshaftanstalt ist Vollzugsorgan., Die Abteilung der verwirklicht ihre Aufgaben auf der Grundlage des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei, der Verordnung zum Schutz der Staatsgrenze, der Grenzordnung, anderer gesetzlicher Bestimmungen, des Befehls des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zu realisieren. Wird der Gewahrsam nicht in den Gewahrsamsräumen der vollzogen, sind von den Mitarbeitern der Diensteinheiten der Linie sind noch kontinuierlicher geeignete Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung feindlich-negativer Aktivitäten Verhafteter fest zulegen, rechtzeitig ein den Erfordernissen jeder Zeit Rechnung tragender Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Vorbeugung, Abwehr und Bekämpfung von Gewaltakten, Geheime Verschlußsache Ordnung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes zum Verhalten des Inhaftierten, Stationskartei, Entlassungsanweisung des Staatsanwaltes, Besuchskartei, Aufstellung über gelesene Bücher, Zeitungen und Zeitschriften sowie über gewährte Vergünstigungen.

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