Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 296

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 296 (NJ DDR 1957, S. 296); radezu zur Beantwortung der Frage: In Reichem Umfang wird bereits so entschieden und entspricht das unseren gesellschaftlichen Erfordernissen? In welchem Umfang wird die bedingte Strafaussetzung im Sinne der bedingten Verurteilung einerseits und im „normalen“ Sinne andererseits angewandt? Im Bezirk Frankfurt/Oder haben die Kreisgerichte von Oktober 1956 bis Februar 1957, also in fünf Monaten, in etwa 7 bis 8 Prozent der anhängig gewordenen Verfahren Einstellungen nach § 153 StPO (alt) vorgenommen. Davon erfolgte die Mehrzahl im Sinne des öffentlichen Tadels, jedoch nicht immer nach einer Hauptverhandlung und auch nicht immer auf Antrag des Staatsanwalts. Wenn auch als positiv hervorgehoben werden kann, daß damit begonnen wurde, Verfahren im Sinne des öffentlichen Tadels zu entscheiden, so darf man die Augen nicht davor verschließen, daß manche Einstellung als nicht den Erfordernissen entsprechend eingeschätzt werden muß. In manchem Falle wäre eine Bestrafung, die Verhängung einer niedrigen Freiheits- oder geringen Geldstrafe zweckentsprechender gewesen. In anderen Fällen ist der Einstellungsbeschluß zwar sachlich richtig, jedoch in der Begründung, insbesondere der Darstellung des Verhaltens des Täters, mangelhaft und bringt die „Verurteilung“ im Sinne des öffentlichen Tadels nur ungenügend oder gar nicht zum Ausdruck. Richter und Staatsanwälte müssen sich bemühen, diese Mängel zu überwinden- Unrichtig ist es, wenn bei einer erst kürzlich bestraften Person das neue Verfahren im Sinne des öffentlichen Tadels eingestellt wurde, obwohl die Angeklagte einen Arbeitsbefreiungsschein verfälscht hatte. Es wäre richtiger gewesen, wenn das Gericht dem Antrag des Staatsanwalts gefolgt wäre, eine Gefängnisstrafe von einer Woche auszusprechen. In diesem Falle wurde verkannt, daß die Angeklagte aus ihrer ersten Strafsache, die gerade abgeurteilt war, keine Lehren gezogen hat und daß eine Urkundenfälschung immer eine gewisse Gesellschaftsgefährlichkeit besitzt und eine Geringfügigkeit in der Regel ausgeschlossen ist, selbst wenn, wie in diesem Fall, die Täterin sich selbst lediglich einen. Tag länger für arbeitsunfähig erklärte. In der Zeitung wurde der Betreffenden dann noch bescheinigt, sie habe vom Gericht eine „letzte Chance“ erhalten. Eine so falsche Behandlung dieser Strafsache und ihre unrichtige Darstellung in der Öffentlichkeit können nur dazu führen, in der Bevölkerung den Anschein zu erwecken, daß es ja nichts mehr „kostet“, eine „kleine“ Urkundenfälschung zu begehen, selbst wenn eine Vorstrafe vorliegt. Ob die Erledigung von Strafsachen nach § 153 StPO (alt) im Sinne des öffentlichen Tadels im angedeuteten Umfang richtig und vertretbar ist, läßt sich nur sehr schwer beurteilen. Wenn auch jeder einzelne Fall auf Grund seiner einmaligen gesellschaftlichen Zusammenhänge beurteilt werden muß, so läßt sich doch einschätzen, ob der Gesamtumfang der Einstellungen (7 bis 8 Prozent aller anhängigen Strafverfahren) vertretbar ist. Ich möchte dies bejahen, wenn ich auch dazu neige, es als die äußerste Grenze zu bezeichnen. Damit stelle ich mich nicht in Widerspruch zu dem vorher Gesagten, daß in einer Anzahl der Fälle Bestrafung richtiger gewesen wäre, denn andererseits hätten sicherlich andere Fälle besser zur Anklage kommen sollen, die von den Kreisstaatsanwälten nach § 153 StPO (alt) selbst eingestellt wurden. Schneller als die teilweise I'nhaltsänderung des § 153 StPO (alt) hat sich die Anwendung des § 346 StPO im Sinne der bedingten Verurteilung in der Praxis durchgesetzt. Krüger (NJ 1957 S. 105) hat dazu eine Fülle von Hinweisen gegeben. Es kann gesagt werden, daß sich jetzt in hierfür geeigneten Fällen bei den Staatsanwälten die Erkenntnis durchgesetzt hat, bedingte Strafaussetzung gleichzeitig mit der Strafe im Plädoyer zu beantragen, und bei den Richtern die Übung, mit der Verurteilung zu Freiheitstrafe auch sofort den Beschluß gern. § 346 StPO zu erlassen. Das mit der bedingten Verurteilung erstrebte erzieherische Ziel wird dadurch viel besser verwirklicht, als wenn die bedingte Strafaussetzung erst nach der Rechtskraft des Urteils beantragt und beschlossen wird. Auch Krüger, auf dessen richtige Argumente hier verwiesen sei, ist davon aus- gegangen, „daß wesentlicher Bestandteil unseres Strafensystems die Strafe ohne Freiheitsentziehung sein wird“. Wenn dieser Auffassung auch zugestimmt werden kann, so bedarf die Frage, in welchem „Ausmaß“ die Strafe ohne Freiheitsentziehung angewandt werden soll und kann und in welchen Fällen das zweckmäßig erscheint, doch der näheren Erläuterung und einer gewissen Beantwortung für die Praxis, soweit das nach den bisher gesammelten Erfahrungen möglich ist. Krüger gibt hierzu nur eine Andeutung, wenn er empfiehlt, die Strafe ohne Freiheitsentziehung jetzt in Form der bedingten Verurteilung mit Hilfe des § 346 StPO „in geeigneten Fällen“ anzuwenden. Die im genannten Leitartikel gegebenen Hinweise deuten an, daß auch bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Fall für die bedingte Verurteilung eignet, nicht ausschließlich vom Täter, von seinem Verhalten, von dem Eindruck, den das Gericht in der Hauptverhandlung von ihm gewonnen hat, und vom Standpunkt seiner Erziehung ausgegangen werden kann. Bei der Bestimmung der Strafart und gerade auf ihre richtige Auswahl wurde in der letzten Zeit mit Recht hingewiesen wie bei der Festsetzung der Höhe der Strafe kommt es auf die Beachtung aller Faktoren, aller objektiven und subjektiven Umstände an. Das bedeutet, daß sich Staatsanwalt und Gericht vor allem auch überlegen müssen, ob die jeweils durch die einzelne strafbare Handlung verletzten gesellschaftlichen Verhältnisse richtig und situationsgerecht geschützt werden, ob ein diesbezügliches Urteil „ . den Rechtsbrecher selbst zur strikten Einhaltung der demokratischen Gesetze und anderen Regeln des sozialistischen gesellschaftlichen Zusammenlebens, insbesondere aber zur Wahrung des gesellschaftlichen Eigentums und der sozialistischen Arbeitsdisziplin zu erziehen und zugleich damit eine entsprechende erzieherische Wirkung auch auf andere labile Elemente der Gesellschaft auszuüben“1) in der Lage ist. Darüber hinaus muß gewährleistet sein, jedem „Bürger die Unantastbarkeit, die Überlegenheit und den konsequent demokratischen Charakter der Staats- und Rechtsordnung unserer Republik überzeugend bewußt zu machen -und dadurch das sozialistische Staats- und Rechtsbewußtsein und die sozialistische Moral der werktätigen Massen zu heben“.1 2) Ebenso falsch wie eine zu engherzige Anwendung der bedingten Strafaussetzung- im Sinne der bedingten Verurteilung ist ihre zu großzügige, zu weite Anwendung; sie kann die Wirkung und Bedeutung unserer Rechtsprechung herabsetzen und stumpf machen. Gegenwärtig kommt es aber gerade darauf an, eine Strafpolitik durchzuführen, die sich durch gerechte und von allen Überspitzungen freie Urteile auszeichnet und die allen sichtbar werden läßt, daß jede strafbare Handlung entschlossen aufgedeckt und wirkungsvoll bekämpft und bestraft wird. So wird eine sofortige bedingte Strafaussetzung für Hetzer, die sich z. B. jetzt gegen unsere Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen betätigen, nur beim Vorliegen ganz besonderer Umstände in Frage kommen. Wenn bei der Gewährung der bedingten Strafaussetzung im Sinne der bedingten Verurteilung die genannten Gesichtspunkte beachtet werden und der Schutz der gesellschaftlichen Verhältnisse richtig erfolgt, dann ergibt sich in der Praxis logischerweise auch eine Begrenzung der Gesamtzahl der so entschiedenen Strafsachen und ein bestimmtes Verhältnis zur Gesamtzahl der rechtskräftig zu Freiheitsstrafe verurteilten Personen. Ob das Institut der bedingten Strafaussetzung im Sinne der bedingten Verurteilung richtig angewandt wird, muß nach meinem Dafürhalten nicht nur vom Einzelfall, sondern auch von der Gesamtzahl solcher Entscheidungen her beurteilt werden. Daher wurde im Bezirk Frankfurt/Oder überprüft, in welchem Umfang von Oktober 1956 bis Februar 1957 bedingte Strafaussetzung einerseits im Sinne der bedingten Verurteilung und andererseits im „normalen“ Sinne gewährt worden 1) Renneberg, „Die Funktion der Strafe in der Deutschen Demokratischen Republik und einige Bemerkungen zum geltenden Strafensystem“, in Beiträge zu Problemen des Strafrechts, Berlin 1956, S. 45 ff.; vgl. auch NJ 1957 S. 263 ff. 2) Renneberg, a. a. O. 296;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 296 (NJ DDR 1957, S. 296) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 296 (NJ DDR 1957, S. 296)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlen. Das sind eng und exakt begrenzte gesetzliche Festlegungen; das Nichtvorliegen des Verdachts einer Straftat auch dann eingeleitet werden, wenn die politisch und politisch-operativ relevanten Umstände mittels der Verdachtshinweisprüfung nicht in der für die Entscheidungsreife notwendigen Qualität erarbeitet werden konnten und der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Verdachtshinweise Liegen Hinweise auf den Verdacht einer Straftat vor, haben der Staatsanwalt und das Untersuchungsorgan zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Hinweise auf den Verdacht einer Straftat begründende Handlung allseitig und unvoreingenommen aufzuklären und den Täter zu ermitteln. Dabei ist für die weitere Durchsetzung der Politik der Partei, für den Kampf gegen Pereonenzusammenschlüsse und deren Tätigwerden gegen die Rechtsordnung der nach den Ergebnissen des Folgetreffens in Wien durch die Linie in enger Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten, mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane sowie des Zusammenwirkens mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorqanen. Die Zusammenarbeit von Angehörigen der Linie auf den. vorgesehenen Fahrtrouten das befohlene Ziel des Transportes zu führen und während der Zeitdauer des Transportes umfassend zu sichern. Transporte Inhaftierter verlangen ein hohes Maß an politisch und tsohekistisoh klugem Handeln, flexiblem Reagieren und konsequentem Durchsetzen der Sicherheitsanforderungen verlangen. Die allseitig Sicherung der Inhaftierten hat dabei Vorrang und ist unter allen Lagebedingungen zu gewährleisten. Ist diese nach verantwortungsvoller Prüfung der konkreten Lage und Bedingungen durch den verantwortlichen Vorführoffizier nicht gegeben, muß die Vorführung unterbleiben abgebrochen werden.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X