Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 282

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 282 (NJ DDR 1957, S. 282); In einer vorbereitenden Verhandlung versuchte das Gericht, die Ursachen für das Scheidungsbegehren und die ehelichen Verhältnisse zu erforschen. Dabei stellte sich heraus, daß die Zerrüttung der Ehe durchaus noch nicht unheilbar war. Nun richteten wir unsere Bemühungen darauf, den Eheleuten ihre Fehler zu zeigen und ihnen ein richtiges Verhalten zu erklären. Im Verlauf der Aussprache verloren die Ehegatten in immer stärkerem Maße ihre Verbitterung, wurden freundlicher zueinander und besprachen die Probleme vertrauensvoll mit dem Gericht. Als Schöffe war ich sehr froh darüber, daß wahrscheinlich diese Ehe nicht zerbrechen würde, sondern die Ehegatten sich durch das Gerichtsverfahren wieder aussöhnen würden. Dies wurde aber durch einen einzigen Satz des Prozeß-bevollmächtigten der Klägerin zunichte gemacht. Die Rechtsanwältin machte Ausführungen über die Vermögensauseinandersetzung zwischen den Parteien, die der Verklagte schon vor der vorbereitenden Verhandlung betrieben hatte. Dadurch wurde die Verhandlung in eine völlig andere Richtung gelenkt, und erneut trat die Verbitterung der Ehegatten gegeneinander in den Vordergrund. Alle weiteren Bemühungen des Gerichts, die Aussöhnung herbeizuführen, blieben danach erfolglos. Im Anschluß an die Verhandlung besprachen wir Schöffen diesen Vorfall mit dem Richter und stimmten darin überein, daß die Rechtsanwältin ihren Vortrag nicht genügend überlegt hatte. Nach unserer Auffassung ist der Rechtsanwalt im Eheverfahren nicht nur schlechthin Parteivertreter, sondern als Organ der Rechtspflege auch verpflichtet, entsprechend den Grundsätzen unseres Familienrechts zur Aufrechterhaltung der Ehe beizutragen. Dabei muß er gründlich abwägen, ob sein Vortrag die Bemühungen des Gerichts nicht gefährdet. Keinesfalls darf der Rechtsanwalt die Aussöhnungsversuche des Gerichts hemmen oder gar durchkreuzen. HERBERT BIESE, Schöffe am Kreisgericht Bernau Rechtsprechung Entscheidungen des Obersten Gerichts Strafrecht §§ 185, 194, 61 StGB; § 244 StPO. Für die Verfolgung einer Beleidigung im staatlichen Interesse bedarf es keines Strafantrags des Verletzten. OG, Urt. vom 14. Oktober 1955 - la Ust 211/55.*) Aus den Gründen: Bei der Prüfung, nach welchem Strafgesetz der Angeklagte zur Verantwortung zu ziehen ist, hatte das Rechtsmittelgericht vor allem davon auszugehen, daß infolge der staatsrechtlichen Vereinbarungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion die Grundlage für eine Anwendung von strafrechtlichen Bestimmungen, die vom ehemaligen Alliierten Kontrollrat für Deutschland erlassen worden sind, in Fortfall geraten ist. Eine Nachprüfung, ob das strafbare Verhalten des Angeklagten deh Tatbestand der Kontrollratsdirektive Nr. 38 Abs. II Art. Ill A III erfüllt, erübrigte sich deshalb. Der Angeklagte hat mit seiner Handlung aber eine nach § 185 StGB strafbare Beleidigung des Zeugen L. begangen. Der Zeuge L. ist Mitglied und Funktionär der Partei der Arbeiterklasse und verschiedener Massenorganisationen. Er steht insbesondere als Stadtverordneter in seinem Wirkungsbereich im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens im Sinne unserer Arbeiter-und-Bauern-Macht. Es besteht kein Zweifel darüber, daß der Angeklagte mit seiner Tat den Zeugen L. in der Öffentlichkeit bloßstellen und auf das Ansehen seiner Person nachteilig einwirken wollte. Dies ist aber angesichts der bereits auf gezeigten Umstände zur Person des Zeugen L. eine schwerwiegende Beleidigung für diesen, die eine unnachsichtige Bestrafung des Täters erfordert. Die strafrechtliche Verfolgung derartiger Angriffe auf die Ehre fortschrittlicher Bürger liegt im Interesse unseres Staates. Aus diesem Grunde hat auch der Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik gemäß § 244 Abs. 1 StPO die Bestrafung des Angeklagten beantragt. Eines Strafantrages seitens des Verletzten bedurfte es demnach nicht. *) Die gleiche Rechtsansicht hat das Oberste Gericht auch in dem unveröffentlichten Urteil 1 b Ust 317/55 vom 18. Oktober 1955 zum Ausdruck gebracht. § 222 StGB. Zur Frage der Kausalität bei fahrlässiger Tötung. OG, Urt. vom 8. Februar 1957 - 3 Zst V 2/57. Das Kreisgericht L. Strafkammer für Verkehrssachen hat die Angeklagte durch Urteil vom 1. Oktober 1956 wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) zu sechs Monaten Gefängnis und dem Grunde nach zum Schadensersatz gegenüber den Erben des tödlich Verunglückten verurteilt. Das Urteil beruht im wesentlichen auf folgenden Feststellungen: Die Angeklagte und ihr Ehemann sind Eigen- tümer eines landwirtschaftlichen Grundstücks; die Angeklagte führte den Haushalt und versah das Vieh. Das Ehepaar hielt auf seinem Hof einen acht bis neun Monate alten Foxterrier. Das Grundstück war nicht ei:%'ezäunt. Gleichwohl wurde das Tier nicht an die Leine gelegt, da es niemals Anstalten machte, sich von dem Grundstück zu entfernen. Es setzte auch nicht vorüberfahrenden Rad- oder Motorradfahrern nach oder bellte sie an. Wenn die Angeklagte oder ihr Ehemann das Grundstück verließen und dem Hund befahlen zurückzubleiben, kam das Tier dieser Weisung stets nach. Am 10. August 1956 beauftragte die Angeklagte ihren älteren Sohn, in die nahegelegene Stadt zu fahren und dort etwas einzukaufen. Als sich der Sohn mit seinem Fahrrad ein Stück vom Hof entfernt hatte, rannte der Hund quer über das Feld der nahe am Grundstück vorbeiführenden Fernverkehrsstraße zu, um ihn einzuholen. In dem Augenblick, als drei Radfahrer in kurzem Abstand hintereinander die Straße entlanggefahren kamen, durchquerte der Foxterrier den Straßengraben und rannte auf die Fernverkehrsstraße. Er kam gerade noch am Rad des an der Spitze fahrenden Radfahrers vorbei, lief jedoch der zweiten Radfahrerin vor das Vorderrad. Durch den Zusammenprall verlor diese die Gewalt über das Rad, stürzte auf die Fahrbahn und zog sich dabei einen Schädelbasisbruch sowie eine Gehirnquetschung zu, an deren Folgen sie noch am selben Tage verstarb. Das Kreisgericht hat ausgeführt, die Angeklagte hätte es verabsäumt, den Hund zu beaufsichtigen, als sie ihren älteren Sohn zum Einkäufen schickte. Wenn der Foxterrier auch im allgemeinen auf dem Grundstück zurückblieb, hätte sie im vorliegenden Fall doch mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß das Tier ihrem Sohn nachlaufen werde. Sie habe sich nicht davon überzeugt, ob es dem zurückgebliebenen Sohn und seinem Spielgefährten gelungen sei, den Hund vom Nachlaufen abzuhalten. Damit habe sie die ihr obliegende Pflicht, das Tier gehörig zu beaufsichtigen, verletzt und somit den Tod der Radfahrerin verursacht. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte in vollem Umfang Berufung eingelegt, die das Bezirksgericht am 17. Oktober 1956 durch Beschluß als offensichtlich unbegründet verworfen hat. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation des Urteils des Kreisgerichts beantragt. Der Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: In der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht hatte die Angeklagte dargelegt, daß keine Veranlassung bestanden hätte, den auf dem Hof gehaltenen Hund einzusperren, wenn sie, ihr Ehemann oder eines der Kinder das Grundstück verließen. Wenn dem Tier bedeutet worden sei, zurückzubleiben, so hätte es sich stets gefügt. Auch der Ehemann der Angeklagten bekundete, daß es keine Schwierigkeiten bereitet hätte, den Hund auf dem Grundstück zurückzuhalten, wenn seine Mitnahme aus irgendeinem Grunde nicht geboten schien. Der Hund hätte in dieser Beziehung auch auf die Kinder gehört. Er hätte auch keinen Hang gezeigt, Motorrad- oder Radfahrern nachzustürmen und sie anzubellen. Gleichwohl kam das Kreisgericht zu der Feststellung, die Angeklagte hätte den Hund nicht genügend beaufsichtigt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie steht auch im Widerspruch zu den vom Kreisgericht getroffenen Feststellungen. Danach gab das bisherige Verhalten des Hundes der Angeklagten keine Veranlassung, irgendwelche besonderen Maßnahmen zu 282;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit . Ihre Spezifik wird dadurch bestimmt, daß sie offizielle staatliche Tätigkeit zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist. Die Diensteinheiten der Linie Untersuchung ergibt sich in Verlaufe und nach Abschluß der Bearbeitung von Erraitt-lungs- sowie Ordnungsstrafverfahren darüber hinaus die Aufgabe, alle getroffenen Feststellungen und die sich daraus ergebenden Aufgaben in differenzierter Weise auf die Leiter der Abteilungen, der Kreisdienststellen und Objektdienststellen übertragen. Abschließend weise ich nochmals darauf hin, daß vor allem die Leiter der Diensteinheiten rechtzeitig zu planen und nachzuweisen. Sichtbare Verbesserungen sind erzielt worden, damit Verhaftete sich mit dem aktuell-politischen Tagesereignissen vertraut machen können.

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