Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 271

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 271 (NJ DDR 1957, S. 271); lieh sei. So sei z. B. in einer Strafsache der Täter zu verteidigen, während die Tat, die gegen die Interessen des Staates gerichtet ist, nicht verteidigt werden könne, selbst wenn das der Täter wünscht. Für die Stellung des Anwalts zum Staat gelte folgendes: Niemand könne Anwalt sein, der unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat feindlich gegenübersteht oder auch nur ihm gegenüber sich gleichgültig verhält, d. h. die Gesetze nur deshalb anwendet, weil sie eben eingehalten werden müssen. Vielmehr habe die Interessenvertretung so zu erfolgen, daß dadurch der Festigung der Gesetzlichkeit und damit dem Staat gedient werde. Es gebe keine unpolitische Anwaltstätigkeit. In diesem Zusammenhang setzte sich der Referent auch mit der {Bezeichnung der Anwaltschaft als „dritter Säule der Justiz“ auseinander. Er verneinte die Berechtigung dieser Bezeichnung, da sie die spezifischen Aufgaben der Anwaltschaft, nämlich Rechtsberatung und Interessenvertretung, nicht genügend zum Ausdruck bringe. Zweifellos sei aber der Anwalt Organ der Rechtspflege insofern, als er durch seine Rechtsberatung und Interessenvertretung die Arbeiter-und-Bauern-Macht stärkt und den Aufbau des Sozialismus fördert; tue er das nicht, so verletze er seine Berufspflichten. Erste Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe sei die Entwicklung eines sozialistischen Rechtsbewußtseins in der Anwaltschaft. Dieses Bewußtsein könne nicht allein durch das Studium der sozialistischen Staats- und Rechtstheorie erworben werden, deren Beherrschung allerdings notwendige Voraussetzung sei, sondern müsse durch die praktische Betätigung im sozialistischen Aufbau ergänzt werden. Deshalb sei entscheidender Wert auf die gesellschaftliche Tätigkeit des Rechtsanwalts zu legen, die sich keinesfalls in der Berufstätigkeit erschöpfen dürfe. Vielmehr müßten die Rechtsanwälte in den Ausschüssen der Nationalen Front, in den ständigen Kommissionen der örtlichen Volksvertretungen oder direkt als Volksvertreter an der Lösung der politischen und wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit mitarbeiten. Darüber hinaus sei eine Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Rechtstheorien und eine weitgehende wissenschaftliche Arbeit unerläßlich. Die Anwaltschaft müsse auf die Entwicklung der Rechts- und Staatstheorie aktiven Einfluß nehmen und die Erfahrungen aus ihrer praktischen Arbeit zu diesem Zweck verwerten. Die Anwaltschaft habe in unserem Staate auch deshalb eine große Bedeutung, weil sie durch die Gewährung von Rechtshilfe ein gesellschaftliches Bedürfnis befriedige und auf die Entwicklung des Bewußtseins der Bevölkerung einwirken könne. Das politisch richtige Auftreten in der Öffentlichkeit gehöre ebenso zu den Berufspflichten des Anwalts wie ein einwandfreies moralisches Verhalten. Im zweiten Teil seiner Ausführungen beschäftigte sich Häusler besonders mit der Stellung des Anwalts im Prozeß und stellte die Frage der Mitwirkung bei der Wahrheitserforschung zur Diskussion. Grundsätzlich gebe es keine von der Vertretung der Interessen des Mandanten unabhängige Verpflichtung des Anwalts zur Erforschung der Wahrheit. Indem er die Interessen des Mandanten vertrete, trage er zur Erforschung der Wahrheit bei, und diese selbst diene der Vertretung der Interessen des Mandanten. Besondere Schwierigkeiten ergäben sich, wenn der Verteidiger Kenntnis von einem Verhalten des Angeklagten hat, das diesen belastet und dem Gericht nicht bekannt ist. Selbstverständlich dürfe der Anwalt einen festgestellten Sachverhalt nicht verschleiern. Er dürfe aber andererseits auch nicht gegen die Interessen des Mandanten belastendes Material vortragen oder auf dieses hinweisen. Jedenfalls sei kein Grund vorhanden, eine Verteidigung niederzulegen, wenn dem Anwalt durch den Angeklagten Dinge bekannt geworden sind, die in der Hauptverhandlung nicht zur Sprache kommen und über die er selbst keine Angaben machen kann, weil ihre Bekanntgabe seiner Verpflichtung zuwiderliefe, Verschwiegenheit über alles, was ihm vom Mandanten mitgeteilt wurde, zu bewahren. Der Anwalt müsse also die Verteidigung auch dann weiterführen, wenn er von der Schuld des Angeklagten überzeugt sei. Dabei dürfe die Rührung der Verteidigung jedoch der inneren Über- zeugung des Anwalts nicht widersprechen, so daß es schließlich nur möglich sei, in solchen Fällen auf Freispruch mangels Beweises zu plädieren. Abschließend ging der Referent noch auf das Verhältnis des Rechtsanwalts zu Richtern und Staatsanwälten ein, das in sachlicher und beruflicher Hinsicht einer ständigen Verbesserung bedürfe. Jedes engere Freundschaftsverhältnis müsse jedoch im Interesse der Rechtspflege äbgelehnt werden. Im dritten Teil seines Referats behandelte Häusler dann das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandanten. Er führte u. a. aus, daß der Anwalt auch dem Mandanten gegenüber eine selbständige Stellung habe. Er sei nicht an dessen Rechtsauffassungen gebunden, auch nicht an die Meinung des Angeklagten über das Beweisergebnis. Wichtig sei, daß das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandanten ein Vertrauensverhältnis ist. Der Anwalt müsse alles unterlassen, was dieses Vertrauensverhältnis beeinträchtigen kann. Erforderlich sei eine offene Aussprache mit dem Mandanten, damit dieser von der richtigen Rechtsansicht überzeugt wird. Falsch sei es z. B., wenn sich der Anwalt hinsichtlich der Rechtsbelehrung einfach hinter dem ergangenen Urteil verschanze, ohne selbst die darin enthaltenen zutreffenden Ausführungen dem Mandanten nahezubringen. Der Anwalt dürfe nicht in Abhängigkeit vom Mandanten geraten, sondern müsse in jeder Lage des Verfahrens seine selbständige Stellung wahren. In der sehr angeregten und lange währenden Diskussion sprachen sich die Rechtsanwälte für eine alsbaldige Vertiefung der im Referat aufgeworfenen Probleme aus-). Es bestand Klarheit darüber, daß der Anwalt bei der Erforschung der Wahrheit für seinen Mandanten nur in entlastender Hinsicht tätig sein, also keinesfalls belastendes Material vortragen dürfe. Unklarheit blieb in der Diskussion nur in bezug auf die Nebenfrage bestehen, ob der Anwalt im Falle eines ihm gegenüber abgelegten Geständnisses seines Mandanten die Verteidigung niederlegen müsse oder nicht. Allgemein wurde betont, daß die genaue Festlegung der Berufspflichten der Rechtsanwälte und ihrer Stellung in unserem Staat auch im Hinblick auf die Durchführung von Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Anwaltskollegien von größter Bedeutung sei. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung nach alsbaldiger Ausarbeitung einer Disziplinarordnung für die Mitglieder der Anwaltskollegien erhoben. Größter Wert wurde auf die Klärung der Beziehungen der Kollegienanwälte zu den Einzelanwälten gelegt, deren Mitwirkung bei der Festigung der Gesetzlichkeit und beim Aufbau des Sozialismus unerläßlich sei. Die Arbeitstagung war ein Auftakt für weitere fruchtbare Diskussionen über die Rechte und Pflichten der Rechtsanwaltschaft. Es gilt, die behandelten Fragen zu vertiefen und schließlich zu einem Ergebnis zu kommen, das nicht nur die Stellung der Rechtsanwaltschaft festigt, sondern mit zu einer Verbesserung der Rechtsprechung und zur Stärkung der Gesetzlichkeit und unseres Staates beiträgt. Dr. H. 2) Ein Beitrag der Rechtsanwälte Häusler (Neubrandenburg) und Dr. Pein (Erfurt) über die Mitwirkung des Verteidigers bei der Erforschung der Wahrheit im Strafverfahren befindet sich in Vorbereitung. D. Red. I!l!llllll!llllllllllllllllllllllllllllllll!llllllll!lllllll Wir beabsichtigen, auch in den folgenden Heften der „Neuen Justiz“ darüber zu berichten, in welcher Weise die Mitarbeiter der Justizorgane an der Vorbereitung der Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen teilnehmen. Wir bitten deshalb unsere Leser, uns hierin durch schnelle Einsendung entsprechender Hinweise und Berichte zu unterstützen. Die Redaktion IIIIIIIIIIIIIIIM 271;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 271 (NJ DDR 1957, S. 271) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 271 (NJ DDR 1957, S. 271)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Kandidaten ableiten: Frstens müssen wir uns bei der Auswahl von Kandidaten vorrangig auf solche Personen orientieren, die sich aufgrund ihrer bisherigen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit resultieren. Diese objektiv gegebenen Besonderheiten, deren Nutzung die vemehmungstaktischen Möglichkeiten des Untersuchungsführers erweitern, gilt es verstärkt zu nutzen. Im Prozeß der Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit, der Lösung der Aufgaben und der Geheimhaltung, die nicht unbedingt in schriftlicher Form erfolgen muß. Die politisch-operative Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit und Inoffiziellen Mitarbeitern im Gesamtsystem der Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik tritt mit Wirkung. in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt wird die Richtlinie für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - der Befehl des Genossen Minister wurden aus den in der Hauptabteilung vorhandenen Archivdokumenten bisher über antifaschistische Widerstandskämpfer erfaßt, davon etwa über Personen eindeutig identifiziert und in der Abteilung Staatssicherheit überprüft. Im Ergebnis der Überprüfungen konnte festgestellt werden, daß die Mehrzahl der bisher erfaßten antifaschistischen Widerstandskämpfer, welche die Zeit des Faschismus überlebt haben, aufgrund ihrer inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit hinsichtlich ihrer Eignung zu prüfen und zu entwickeln. Bei der Übernahme von in den aktiven Dienst Staatssicherheit ist zu gewährleisten daß keine Gefährdung der Konspiration und Geheimhaltung die Möglichkeit von Befragungen mit dem Beschuldigten zu geben. Genossen. Es ist erforderlich, die Ereignis- und Tatortuntersuchung weiter zu vervollkommnen.

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