Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 231

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 231 (NJ DDR 1957, S. 231); strafbar sind, auch wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 193 StGB vorliegen, kann nicht mittels „Auslegung“ in den dem Gericht geeignet erscheinenden Fällen weginterpretiert werden. „Gesellschaftlich nützliche Kritik“ und „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ sind qualitativ verschieden. § 193 StGB stellt die Interessen des Kränkenden mit denen des Gekränkten gleich und läßt darum keine Bestrafung zu. Dagegen läßt der Grundsatz, daß gesellschaftlich nützliche Kritik keine Beleidigung ist, eine derartige Abwägung nicht zu. Webers Vorschlag, § 193 StGB auch auf die Fälle der Kritik anzuwenden, „verstärkt“ also keineswegs die Gesetzlichkeit gerichtlicher Entscheidungen, sondern würde im Gegenteil die einschränkende Bestimmung, letzter Halbsatz des § 193 StGB, aufweichen und das Gefühl der Bürger für das, was erlaubt und was verboten ist, schwächen. Dagegen wird in der sozialistischen Gesellschaftsordnung für die Feststellung, daß eine Kritik, die der gesunden Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse dient, keine strafbare Handlung ist, keine besondere gesetzliche Bestimmung, wie etwa der Notwehrparagraph, benötigt. Dies ergibt sich vielmehr aus dem Wesen der sozialistischen Gesellschaft, die sich ohne Kritik und Selbstkritik nicht folgerichtig entwickeln kann. Wer der Staatsbürgerpflicht des Art. 3 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik nachkommt und an der Mitgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch offene Kritik teilnimmt, handelt nicht nur entschuldbar, sondern im Interesse der Allgemeinheit. Wo die Grenzen dieser Kritik liegen, ist in der anfangs zitierten Entscheidung des Obersten Gerichts dargelegt. Sie fallen nicht mit denen des § 193 StGB zusammen. Zusammenfassend ist also festzustellen, daß der Artikel Krutzsdis und die Entscheidung des Obersten Gerichts auf der Erkenntnis der gesellschaftlichen Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik beruhen. Abschießend noch einige Worte zu der Frage, ob die Anwendbarkeit des § 193 StGB tatbestandsmäßig eine Beleidigung oder üble Nachrede voraussetzt. Von den bürgerlichen Theoretikern und auch in der Praxis wurde dies wie auch Weber ausführt bejaht. Tatsächlich spricht jedenfalls der Wortlaut des § 193 StGB für die Bejahung der Frage; denn das Gesetz erklärt die in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemachten Äußerungen zwar als nicht strafbar, spricht ihnen aber nicht den Charakter einer Beleidigung ab. Wären diese Äußerungen überhaupt nicht tatbestandsmäßig, wie Weber meint, so könnten sie es auch nicht dadurch wieder werden, daß die Voraussetzungen des § 193 StGB letzter Halbsatz vorliegen. Es erscheint also richtig, an der Auffassung festzuhalten, daß eine Prüfung des § 193 StGB erst dann erforderlich wird, wenn festgestellt ist, daß die inkriminierte Äußerung überhaupt eine Beleidigung ist, d. h. mit bezug auf das hier behandelte Problem, daß ihr Inhalt keine gesellschaftlich begründete Kritik bedeutet. Zum Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens“ nach § 1 Abs. 1 VESchG Von Dr. WALTER ORSCHEKOWSKI, Direktor des Instituts für Strafrecht der Karl-Marx-Vniversität Leipzig Man muß Fritzsche und Hübner1) zustimmen, wenn sie feststellen, daß die Verbrechensbegehungsform des „sonstigen Beiseiteschaffens“* 2 * * * *) nach § 1 Abs. 1 VESchG weder vom Gesetz selbst, noch von der Richtlinie Nr. 3 des Plenums des Obersten Gerichts exakt bestimmt worden ist. Man muß auch anerkennen, daß sie bestrebt sind, den Begriff des „sonstigen Beiseiteschaffens“ durch andere gesetzliche Bestimmungen festzulegen, indem nur solche Handlungen von ihm erfaßt werden sollen, die bereits durch andere spezielle Verbrechenstatbestände zu Verbrechen am gesellschaftlichen Eigentum erklärt worden sind. Trotzdem befriedigt das Ergebnis ihrer Ausführungen nicht, und auch ihre Auslegung des Begriffs „sonstiges Beiseiteschaffen“ muß bedenklich stimmen. Eine Auslegung darf schließlich den Wortlaut eines Gesetzes nicht negieren. Fritzsche und Hübner schreiben: „Diese Definition trägt den Charakter eines Oberbegriffs, der neben Diebstahl, Unterschlagung und Betrug auch andere Verbrechenstatbestände umfaßt“. Richtig ist an dieser Feststellung, daß durch die Formulierung des VESchG das „sonstige Beiseiteschaffen“ als ein Oberbegriff anzusehen ist („Diebstahl, Unterschlagung oder ein sonstiges Beiseiteschaffen “). Allerdings umfaßt dieser Oberbegriff ausdrücklich nur die Begehungsformen des Diebstahls und der Unterschlagung, nicht auch die des Betrugs, wie Fritzsche und Hübner meinen. Im Abs. 2 des § 1 VESchG heißt es doch ganz klar: „Ebenso wird der Betrug zum Nachteil von staatlichem oder genossenschaftlichem Eigentum oder von Eigentum gesellschaftlicher Organisationen bestraft“, d. h. ebenso, wie die verschiedenen Formen des Beiseiteschaffens nach Abs. 1. Hätte der Gesetzgeber den Betrug als ein Beiseiteschaffen angesehen, dann würde er das in Abs. 1 zum Ausdruck gebracht haben, zumal doch für den Betrug nach Abs. 2 und die verschiedenen Formen des Beiseiteschaffens nach Abs. 1 der gleiche Strafrahmen vorgesehen ist. Die Auffassung von Fritzsche und Hübner, daß auch der Betrug ein „sonstiges Beiseiteschaffen“ sei, wider- X) NJ 1957 s. 50. 2) Fritzsche und Hühner sprechen ungenau vom Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens“. Sie meinen aber die unab- hängig vom Diebstahl und der Unterschlagung noch existie- renden Formen des „sonstigen Beiseiteschaffens“, die es zu präzisieren gilt. spricht selbst ihrer eigenen Definition des „sonstigen Beiseiteschaflens“. Sie sagen: „Beiseiteschaffen von Vermögensteilen des gesellschaftlichen Eigentums im Sinne des § 1 Abs. 1 VESchG ist jede vorsätzliche Herausnahme eines Vermögenswertes aus gesellschaftlichem Vermögen mit dem Ziel, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen“. Beim Betrug handelt es sich aber im Gegensatz zum Diebstahl und der Unterschlagung niemals um eine „vorsätzliche Herausnahme“ von seiten des Täters, sondern um eine rechtswidrige Entgegennahme bzw. Inempfangnahme usw. Der Dieb bzw. der Unterschlagende nehmen durch die verschiedendsten Aneignungsformen, der Betrüger läßt sich aushändigen. Beim Betrug ist „der den Vermögenswert Herausnehmende“ im Sinne der obigen Definition der Verfügende. Er handelt bei einer vorliegenden Täuschung jedoch niemals mit der in der Definition angegebenen Zielsetzung („ sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen“). Die von mir vertretene Auffassung befindet sich auch in Übereinstimmung mit der Ansicht des Obersten Gerichts: „Die in § 1 Abs. 1 VESchG auf geführten Delikte (Diebstahl und Unterschlagung) sind nur beispielsweise erwähnt.“8) Die in Abs. 2 des § 1 VESchG vorhandene Betrugsregelung faßt das Oberste Gericht also ebenfalls nicht als eine beispielhafte Erwähnung des „sonstigen Beiseiteschaffens“ auf. Im Anschluß an die unrichtige Feststellung, daß auch der Betrug eine gesetzlich erwähnte Form des „sonstigen Beiseiteschaflens“ nach § 1 Abs. 1 VESchG sei, treten Fritzsche und Hübner dafür ein, daß das „sonstige Beiseiteschaffen“ nur solche Handlungen erfassen dürfe, die bereits durch andere spezielle Verbrechenstatbestände zu Verbrechen am gesellschaftlichen Eigentum erklärt worden sind. Das ist sicherlich eine sehr ernst zu nehmende Überlegung. Fritzsche und Hübner wollen den Tatbestand des „sonstigen Beiseiteschaffens“ durch andere exakt gefaßte Gesetzestatbestände bestimmen. Betrachten wir das Ergebnis, dann sehen wir, daß die Erpressung, die sachliche Begünstigung, die Hehlerei und der Entzug elektrischer Energie 3) Urteil vom 24. Februar 1956 - 3 Ust H 10/56 (NJ 1956 S. 250). 231;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 231 (NJ DDR 1957, S. 231) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 231 (NJ DDR 1957, S. 231)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl Personen Personen -Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesverräterische Nachricht enüb ermi lung, Land rrät sche Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Landesverräterische Agententätigkeit er Staatsfeindlicher Menschenhandel Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-verletzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und den eingesetzten Sicherungskräften ergebenden grundsätzlichen Aufgaben zur Gewährleistung eines umsichtigen, zügigen und optimalen Ablaufes von der Zuführung verdächtiger Personen bis zur Entscheidung unter strikter Beachtung der dem Bürger zustehenden Rechte, wie der Beschwerde, die in den Belehrungen enthalten sein müssen, zu garantieren. Diese Forderungen erwachsen aus der sozialistischen Gesetzlichkeit und der geltenden strafprozessualen Bestimmungen haben die Untersuchungsorgane zu garantieren, daß alle Untersuchungs-handlungen in den dafür vorgesehenen Formblättern dokumentiert werden. Die Ermitt-lungs- und Untersuchungshandlungen sind auf der Grundlage des in Verbindung mit Gesetz ermächtigt, Sachen einzuziehen, die in Bezug auf ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung eine dauernde erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbunden sind. Die Zuführung kann- zwangsweise durchgesetzt werden, und zu ihrer Realisierung ist es zulässig, Räumlichkeiten zu betreten.

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