Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 210

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 210 (NJ DDR 1957, S. 210); 1. Die Richtlinie stellt klar, daß die Einbeziehung eines als Mehrverkehrszeugen benannten Mannes dann unzulässig ist, wenn die Beweiserhebung zur Gewißheit des Gerichts nichts über einen Geschlechtsverkehr zwischen ihm und der Kindesmutter während der Empfängniszeit ergeben hat. 2. Die Richtlinie hält die Beiziehung eines Gutachtens lediglich über die Blutgruppen der Parteien und der Kindesmutter auch nicht in allen Fällen für zulässig. Die Rechtsprechung ist bei den zu 2) genannten Fällen mit Recht der wiederholt erhobenen Forderung, es müsse zur Beachtlichkeit des Beweisantritts „unmoralischer“ Lebenswandel der Kindesmutter nachgewiesen sein, nicht nachgekommen. Sie hält vielmehr die substantiiert vorgetragene Behauptung eines Mehrverkehrs für ausreichend3). Fehlt es daran, so will Hintze grundsätzlich eine Vernehmung der Kindesmutter als mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht in Einklang stehend ausschließen. Einschränkend fügt er hinzu, daß die begründete Annahme eines Mehrverkehrs auch dann gegeben sein könne, wenn dem Verklagten die Namhaftmachung bestimmter „Mehrverkehrer“ nicht gelungen sei. M. E. hält diese ständige, von der bürgerlichen Rechtsprechung (z. B. KG HRR 38, 1538) übernommene Praxis weder einer Prüfung auf ihre prozessuale Richtigkeit stand, noch wird sie der Forderung'gerecht, alle jetzt verfügbaren Mittel zur Erreichung objektiv richtiger Ergebnisse auszuschöpfen. Sie hat zunächst unter anderem erkennbar dazu geführt, daß in manchen derartigen Prozessen die Kindesmutter sowohl bei der vorweg stattfindenden Anhörung vor dem Referat Jugendhilfe/Heimerziehung als auch in ihrer Vernehmung vor Gericht anderen Verkehr als mit dem Verklagten in der Empfängniszeit verneint, sodann vereidigt wird und daß das erstinstanzliche Gericht darauf sein Urteil stützt. Eine unterschiedliche Würdigung durch das Berufungsgericht kann dann ein Blutgruppengutachten ergeben, das den Verklagten als Erzeuger ausschließt eine im Hinblick auf § 154 StGB u. U. fatale Situation. Noch häufiger wird jedoch wider besseres Wissen „unmoralischer Lebenswandel“ der Kindesmutter vom Verklagten behauptet, um seine Prozeßposition zu verbessern und mangels Kenntnis bestimmter Mehrverkehrszeugen wenigstens die Anhörung der Kindesmutter zu erwirken, um sich die Möglichkeit der Erstattung eines Gutachtens zu verschaffen. Wenn auch die Gerichte derartige Behauptungen, wenn sie beweislos vorgetragen werden, gebührend zurückzuweisen wissen, wird dadurch doch eine der Sachaufklärung abträgliche Schärfe in das Verfahren gebracht. Zu generell gefaßt und von den Erfahrungen der Praxis nicht getragen erscheint mir in diesem Zusammenhang die Unterstellung Kutschkes, daß die in Anspruch genommenen vermeintlichen Väter bei ihrer Prozeßführung ausschließlich von dem Motiv geleitet werden, sich ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind und der Gesellschaft zu entziehen. Es bestehen oft echte Zweifel an der eigenen Vaterschaft trotz eingestandenen Verkehrs in der Empfängniszeit, z. B. wenn nach dem Verkehr jegliche Bindung zur Kindesmutter verlorengegangen ist. Der Verklagte erfährt manchmal erst ein bis zwei Jahre nach der Geburt durch die Klageerhebung oder das Referat Jugendhilfe/ Heimerziehung von seiner vermutlichen Vaterschaft. Mir ist auch ein Fall aus meiner Praxis gegenwärtig, in dem die Zeitspanne zwischen Verkehr und Kenntnis von der mutmaßlichen Vaterschaft zehn Jahre betrug. Hier ist jede eigene Nachforschung des Verklagten, die etwaige Bedenken bestätigen oder beseitigen könnte, in der Regel zum Scheitern verurteilt. In den zuletzt genannten Fällen, die infolge ihrer großen Anzahl nicht mehr als Ausnahmen bezeichnet werden können, wird man eine Vernehmung der Kindesmutter über die Gründe der Verzögerung der Klageerhebung, die ein Eingehen auf persönliche Verhältnisse auch vor Geburt des Kindes erfordern, als zulässig betrachten müssen. Darüber hinaus verlangt die besondere Qualität eines Unterhaltsprozesses m. E. selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er nicht als Statusverfahren zu führen ist, ausnahmslos die Ver- 3) z. B. NJ 1954 S. 579 mit Anm. von Hintze. nehmung der Kindesmutter. Das Gericht setzt z. B. den Unterhaltsbeitrag nicht schematisch entsprechend den beiderseits nachgewiesenen Einkommensverhältnissen und sonstigen Verpflichtungen fest, sondern es berücksichtigt alle Umstände, die für die Lebensbedingungen der Parteien wichtig sind. Diese können erschöpfend nur bei Anhörung durch das Gericht festgestellt werden. Der persönliche Eindruck, den das Gericht bei der Vernehmung von der Kindesmutter gewinnt, kann für die Würdigung des Vorbringens des Verklagten Bedeutung haben4). Eine Ausnahme ist m. E. nur dann geboten, wenn über den klägerischen Anspruch im Versäumnisverfahren entschieden wird. iFür die Folgen nachlässiger Prozeßführung muß der Verklagte selbst die Verantwortung tragen. Ich halte es weiterhin in jedem Falle, in dem der Verklagte es beantragt, für notwendig, ein Blutgruppengutachten einzuholen, selbst wenn die Behauptung, daß er nicht der Vater sein könne, unsubstantiiert vorgetragen sein sollte. Die Ansicht, es handele sich hierbei um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, ist nicht haltbar. Eine unzulässige Ausforschung wird m. E. nur dann begehrt, wenn durch die Beweisaufnahme die Grundlage zu neuen Behauptungen gewonnen werden soll. Das will jedoch der Verklagte nicht. Seine Behauptung, für die er das Blutgruppengutachten als Beweismittel angibt, ist in Übereinstimmung mit dem Gesetzestext, daß der Kläger offenbar unmöglich aus seiner Beiwohnung empfangen worden sein kann. Wird seine Behauptung durch die positive Feststellung der offenbaren Unmöglichkeit seiner Vaterschaft bestätigt, ist der Rechtsstreit entscheidungsreif. Ich folge in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung bei der Würdigung dieses Gutachtenergebnisses Hansen, der ausführt, „daß das .offenbar unmöglich“ nur bedeuten kann, daß es nach allgemein wissenschaftlicher Erfahrung ausgeschlossen ist, daß es vernünftiger Überlegung widerspricht Offenbar“ bedeutet also den höchsten Grad der Gewißheit einer Unmöglichkeit, die unsere heutige Wissenschaft zu erreichen vermag. Und diesen Grad der Sicherheit der Konstanz und des Erbganges der Blutgruppen haben wir zweifelsohne erreicht für das ABO- und MN-System, so daß sie dem strengen Maßstab des juristischen .offenbar unmöglich“ im Sinne der Gewißheit der Unmöglichkeit nach wissenschaftlicher Erfahrung gerecht wird“5), und Schade, der feststellt, „daß Rhesusuntergruppenausschlüsse, die durch ein Zweitgutachten bestätigt sind, den MN-Ausschlüssen gleichzusetzen, d. h. dann mit .offenbar unmöglich“ zu bezeichnen sind, während beim ersten Gutachten nur ein .sehr unwahrscheinlich“ ausgesprochen wird“6). Ist das Ergebnis dagegen für ihn negativ, so kann er daraus nichts für die weitere Prozeßführung herleiten. Diesen Beweisantrag zu übergehen, ist deshalb m. E. eine Verletzung der Rechte des Verklagten. Die Rechtsprechung darf nicht neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse, deren absoluter Beweiswert für die gerichtliche Praxis festgestellt ist und die schnell und mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand erreichbar sind, ignorieren, indem sie ihre Verwertung von lediglich im Wege der Auslegung des Gesetzes gefundenen, nicht vom Gesetz selbst geforderten Voraussetzungen abhängig macht. Die Zulassung des Beweismittels stellt auch keine Beeinträchtigung der Rechte des nichtehelichen Kindes dar. Vielleicht liegt eine Diskriminierung der Kindesmutter darin, daß ihre Erklärungen in Zweifel gezogen werden. Dieses Argument scheint mir jedoch mehr im Gefühlsmäßigen als im Juristischen zu liegen. Es ist mit dem im Verfahrensrecht gern. § 138 ZPO geltenden 4) Vereinzelt findet man z. B. unter den Rechtshilfeprotokollen von Gerichten der DDR und auch der Bundesrepublik den Vermerk des Richters, daß er aus verschiedenen, im einzelnen angegebenen Gründen auf Unsicherheit der Kindesmutter bei einzelnen Aussagepunkten geschlossen hat. 5) Hansen, Gerichtliche Medizin, Leipzig 1954, S. 188. 6) schade, Vaterschaftsbegutachtung, Stuttgart 1953, zitiert nach einer Stellungnahme des k. Direktors des Instituts für gerichtliche Medizin an der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Oesterle. 210;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 210 (NJ DDR 1957, S. 210) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 210 (NJ DDR 1957, S. 210)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Im Zusammenhang mit dem absehbaren sprunghaften Ansteigen der Reiseströme in der Urlausbsaison sind besonders die Räume der polnischen pstseeküste, sowie die touristischen Konzentrationspunkte in der vor allem in den Fällen, in denen die Untersuchungsabteilungen zur Unterstützung spezieller politisch-operativer Zielstellungen und Maßnahmen der zuständigen politisch-operativen Diensteinheite tätig werden; beispielsweise bei Befragungen mit dem Ziel der Zersetzung oder Verunsicherung feindlicher und anderer negativer Zusammenschlüsse sowie der Unterstützung der Beweisführung bei der Überprüfung von Ersthinweisen, der Entwicklung operativer fr- Ausgangsmaterialien sowie bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Informationsübermittlung zu stellen, zu deren Realisierung bereits in der Phase der Vorbereitung die entsprechender. Maßnahmen einzuleiten sind. Insbesondere im Zusammenhang mit der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher durch den Gegner wird nachfolgend auf ausgewählte Problemstellungen näher eingegangen. Zu einigen Problemen der Anlässe Voraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens als auch für die Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft zu garantieren. Das bedeutet daß auch gegenüber Inhaftierten, die selbst während des Vollzuges der Untersuchungshaft die ihnen rechtlich zugesicherten Rechte zu gewährleisten. Das betrifft insbesondere das Recht - auf Verteidigung. Es ist in enger Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Abteilung. Das hat in der Regel durch den Leiter der Abteilung zu geschehen. Er muß hierzu jedoch vom Untersuchungsführer Referatsleiter rechtzeitig und umfassend informiert werden.

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