Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 180

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 180 (NJ DDR 1957, S. 180); Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft i Von RICHARD SCHINDLER, Dozent am Institut für Prozeßrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ Die Arbeit Herrmanns „Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft“ (NJ 1956 S. 392) ist im ganzen ein wertvoller Beitrag für die weitere Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit im Strafprozeß der DDR. Sie enthält jedoch auch einige Thesen, die nicht unwidersprochen hingenommen werden können. 1. Herrmann setzt sich zunächst damit auseinander, was unter „dringenden Verdachtsgründen“ als allgemeiner und grundlegender Voraussetzung für die Anordnung der Untersuchungshaft zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang schreibt er, daß man deren Vorliegen nicht erst dann bejahen könne, wenn die Schuld des Angeklagten gewiß sei: „Da die objektive Wahrheit vor dem Abschluß der allseitigen Ermittlungen noch nicht erkannt werden kann, würde die Forderung nach Gewißheit der Schuld des Beschuldigten als eine der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft zur Folge haben, daß über den Erlaß eines Haftbefehls in vielen Fällen zu spät entschieden werden müßte.“ Diese Formulierung kann Anlaß zu einer unrichtigen Handhabung des § 141 StPO geben. Verhaftung und vorläufige Festnahme sind prozessuale Zwangsmaßnahmen, die sicherstellen sollen, daß sich der dringend verdächtige Beschuldigte der strafrechtlichen Verantwortung nicht entzieht. Ihre Anwendung beeinträchtigt eines der wichtigsten verfassungsmäßigen Grundrechte: das Recht der persönlichen Freiheit. Insbesondere aus diesem Grunde ist es unbedingt erforderlich, von ihm nur dann Gebrauch zu machen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen ihrer Anwendung vorliegen (vgl. § 5 StPO). § 141 StPO, der diese gesetzlichen Voraussetzungen regelt, nimmt im System des Strafprozeßrechts gewissermaßen eine Sonderstellung ein. Die Mehrzahl der Prozeßrechtsnormen bestimmt lediglich, was die staatlichen Organe der Strafrechtspflege bzw. die am Prozeß beteiligten Bürger zu tun haben, d. h. welche Rechte und Pflichten ihnen im Hinblick auf die Durchführung des Strafprozesses zustehen. Sie regeln lediglich das Verhalten der Prozeßbeteiligten. § 141 StPO dagegen bestimmt nicht nur, w a s zu tun ist, sondern legt auch fest, unter welchen Vorausetzun-g e n etwas getan werden darf. Er stellt nicht nur eine Bestimmung dar, die zu befolgen ist, sondern er ist ähnlich wie die materiellen Strafrechtsnormen Ausgangspunkt, Grundlage der gerichtlichen Entscheidung über die Inhaftnahme des Beschuldigten. Insoweit erfordert er wiederum ähnlich wie die Normen des materiellen Strafrechts eine Subsumtion des gegebenen Verhaltens unter das Gesetz; d. h. er darf nur angewandt werden, wenn die in ihm enthaltenen gesetzlichen Merkmale durch die ihnen entsprechenden Tatsachen erfüllt sind. Dieser Ausgangspunkt ist m. E. von großer Bedeutung für die richtige Handhabung des § 141 StPO. Aus ihm folgt, daß als Grundlage der Entscheidung darüber, ob im einzelnen Fall Haftbefehl zu erlassen ist oder nicht, Tatsachen vorliegen müssen, die die dringenden Verdachtsgründe sowie den Fluchtverdacht bzw. die Verdunklungsgefahr bestätigen. Dabei sind unter Tatsachen bestimmte, in der Vergangenheit oder der Gegenwart liegende Vorgänge oder Ereignisse, bestimmte Fakten der materiellen Welt zu verstehen. Diese Tatsachen müssen, wenn auf ihrer Grundlage Haftbefehl ergeht, bewiesen sein. Sie müssen und eben hier bin ich anderer Meinung als Herrmann mit objektiver Wahrheit festgestellt, d. h. auf ihre vollständige und genaue Übereinstimmung mit der Wirklichkeit überprüft sein. Die objektive oder materielle Wahrheit kann nicht erst nach Abschluß der allseitigen Ermittlungen erkannt werden, sondern sie muß bereits festgestellt werden hinsichtlich jeder einzelnen Tatsache, die für die Untersuchung von Bedeutung ist, und zwar im Verlauf der Ermittlungen. Wollte man der Auffassung Herrmanns folgen, so würde das bedeuten, daß sich die Untersuchungsorgane und der Staatsanwalt im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit mit einem bestimmten Grad von Wahrscheinlichkeit begnügen könnten. Das ist nicht richtig. Gerade die Tätigkeit der Untersuchungsorgane ist im Hinblick auf die Feststellung der objektiven Wahrheit vieler Umstände einer Strafsache (z. B. Spuren, Fingerabdrücke, Fälschungen usw.) ein im modernen Strafverfahren unumgänglich notwendiger Faktor. Unter objektiver Wahrheit ist nicht nur, wie Herrmann wohl meint, die vollständige und genaue Übereinstimmung aller tatsächlichen Umstände der Strafsache mit der Wirklichkeit, sondern auch die vollständige und genaue Übereinstimmung jedes einzelnen Umstandes mit der Wirklichkeit zu verstehen. Eben das fordert das Gesetz in § 108 StPO von der Tätigkeit des Staatsanwalts und der Untersuchungsorgane im Ermittlungsverfahren. Bejaht man so die Möglichkeit der Erforschung der objektiven Wahrheit vor Abschluß der allseitigen Ermittlungen im Hinblick auf jede Tatsache, so muß man auch in Anbetracht einer so wichtigen Entscheidung, wie es der Erlaß eines Haftbefehls ist, die Verpflichtung der staatlichen Organe der Strafrechtspflege verlangen, sie hinsichtlich der Tatsachen festzustellen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft liegen, insbesondere im Hinblick auf die dringenden Verdachtsgründe. Man muß sich m. E. darüber im klaren sein, daß das Gesetz, wenn es von dringenden Verdachtsgründen spricht, in Erkenntnis der schwerwiegenden Bedeutung, die die Verhängung der Untersuchungshaft für den einzelnen betroffenen Bürger hat, bewußt eine andere Formulierung gewählt hat als in § 176 StPO. Die mit Erlaß eines Haftbefehls verbundene Freiheitsentziehung ist in der Tat ein ernsterer Eingriff in die Rechte des Einzelnen als die bloße Eröffnung des Hauptverfahrens. Was bei Erlaß des Haftbefehls noch nicht nachgewiesen sein muß und eben deshalb heißt es im Gesetz meiner Auffassung nach ,, Verdachts gründe“ , das sind alle Tatsachen, die notwendig sind, um eine bestimmte materiell-rechtliche Norm anzuwenden. Die Tatsachen aber, die vorliegen und auf die sich der Erlaß des Haftbefehls stützt das werden in der Mehrzahl aller Fälle Indizien und keine direkten Beweise sein , müssen objektiv wahr sein. Allerdings ist zu ihrer Feststellung kein förmliches Beweisverfahren im Sinne der StPO erforderlich. 2. An anderer Stelle schreibt Herrmann : „Solange jedoch der Beschuldigte nicht festgenommen wurde, bleibt die Möglichkeit offen, daß die bisher bekannten Tatsachen in manchen Fällen über das Subjekt und die subjektive Seite der Tat noch keine ausreichende Auskunft geben.“ Dieser Satz ist nicht falsch Herrmann will ihn sicher nicht so verstanden wissen, als sei zur Aufklärung dieser Umstände in den genannten Fällen stets eine Verhaftung erforderlich , aber er kann zu Folgen führen, die sicher nicht beabsichtigt waren. Es ist eine bekannte Tatsache, daß in der Praxis der Untersuchungstätigkeit in unserem Strafprozeß gegenwärtig noch immer die Bedeutung der Erklärungen des Beschuldigten, insbesondere die Bedeutung seines Geständnisses für die Feststellung der Wahrheit, überschätzt wird. Die untersuchungsführenden Organe glauben nicht selten nicht zuletzt infolge der zu weiten Handhabung der Bestimmung des § 209 Abs. 1 StPO durch die Gerichte , ihre Aufgabe dann gelöst zu haben, wenn sie das Geständnis des Beschuldigten erlangt haben. Diese falsche Praxis darf durch die Prozeßrechtswissenschaft auf keinen Fall unterstützt werden. Herrmanns Formulierung kann aber dazu führen. Die Erklärungen des Beschuldigten, insbesondere sein Geständnis, sind zwar ein Beweismittel; aber sie sind nicht das einzige und vor allem nicht das beste Beweismittel. Sie sind ein Beweismittel unter anderen, das auf Grund der besonderen Stellung, die der Beschuldigte im Strafprozeß einnimmt, sogar einer kritischeren Prüfung bedarf, als andere Beweismittel1). Das gilt auch dann, wenn der Gegenstand der Erklärungen des Beschuldigten solche Tatsachen sind, die das 180 l) vgl. Schindler/Uhlig in NJ 1955 S. 297 ff.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Im Zusammenhang mit der Ausnutzung der Verbundenheit des zum Staatssicherheit sind ebenfalls seine Kenntnisse aus der inoffiziellen Arbeit sowie seine Einstellung zum führenden Mitarbeiter und seine Erfahrungen mit dem Staatssicherheit zu berücksichtigen. Die Ausnutzung der beim vorhandenen Verbundenheit zum Staatssicherheit und zu dessen Aufgaben als vernehmungstaktischer Aspekt kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn der in seiner inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit vom und der Vereinbarung über die Aufnahme einer hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit vom durch den Genossen heimhaltung aller im Zusammenhang mit der zu treffenden Entscheidung zu gewährleisten, daß - die vorrangig auf Personen in den politisch-operativen Schwerpunktbereichen, aus den Zielgruppen des Gegners und auf andere in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Ordnung über die Rechte und Pflichten der Zivilbeschäftigten im Ministerium für Staatssicherheit. Disziplinarordnung -NfD. Anweisung über die Entlohnung der Zivilbeschäftigten im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten Operativstäbe zu entfalten. Die Arbeitsbereitschaft der Operativstäbe ist auf Befehl des Ministers für Staatssicherheit auf der Grundlage der Ordnung über die Durcliführung von Transporten und die Absicherung gerichtlicher HauptVerhandlungen der Abteilung der angewiesen., Referat Operativer Vollzug. Die Durchsetzung wesentlicher Maßnahmen des Vollzuges der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Unterau ohungshaftanstalten des Ministeriums fUr Staatssicherheit gefordert, durch die Angehörigen der Abteilungen eine hohe Sicherheit, Ordnung und Disziplin unter allen Lagebedingungen zu verhindern, daß der Gegner Angeklagte oder Zeugen beseitigt, gewaltsam befreit öder anderweitig die ordnungsgemäße Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung ernsthaft stört.

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