Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 128

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 128 (NJ DDR 1957, S. 128); die auf Erziehungsmaßnahmen lauten, zu unterscheiden, uneingeschränkt Rechtsmittel zu. Lediglich die Berufung gegen ein auf Verwarnung lautendes Urteil kann durch Beschluß verworfen werden, wenn ,die Berufung offensichtlich unbegründet ist (§ 48 Abs. 2 JGG). Die Regelung des § 48 JGG steht in bewußtem Gegensatz zu der des § 39 Abs. 1 des JGG vom 16. Februar 1923, der des § 40 des RJGG vom 6. November 1943 und der des § 55 Abs. 1 des JGG der Bundesrepublik vom 4. August 1953, die wenn auch unterschiedlich im Ausmaß eine auf den Umfang oder auf Abänderung gerichtete Anfechtung von Maßnahmen, die den in § 9 Abs. 1 unseres JGG vorgesehenen Erziehungsmaßnahmen ähneln bzw. entsprechen, ausschließen. Zum anderen räumt § 48 Abs. 1 JGG neben dem Jugendlichen auch dem Verteidiger, dem Erziehungsberechtigten und der Jugendgerichtshilfe, d. h. dem Referat JugendhilfefHeimerziehung, das Recht ein, selbständig zugunsten des Jugendlichen Rechtsmittel einzulegen. Diese Regelung erweitert den Kreis der selbständig Rechtsmittelberechtigten, schränkt aber ausdrücklich ihre Berechtigung zur Einlegung von Rechtsmitteln auf solche „zugunsten“ des Jugendlichen ein. Wann und ob das Rechtsmittel zugunsten oder zuungunsten des Jugendlichen eingelegt und damit zulässig ist, darüber gibt das Gesetz keine Auskunft. Die Antwort hierauf macht die Prüfung der Frage erforderlich: Führt die mit der Berufung angestrebte Änderung der im angefochtenen Urteil angeordneten Erziehungsmaßnahme zu einer Schlechterstellung des Jugendlichen oder nicht? Das Urteil wirft damit die gesamte Problematik der Anwendung oder Nichtgeltung des Verbots der Straferhöhung gern. § 277 StPO im Bereich des Jugendstrafverfahrens auf. Im JGG selbst findet sich weder eine besondere Regelung des Verbots der reformatio in peius noch ein ausdrücklicher Hinweis auf die Übernahme des im § 277 StPO enthaltenen Verbots. Damit ist jedoch die Geltung dieses Verbots im Bereich des Jugendstrafverfahrens keineswegs etwa ausgeschlossen im Gegenteil. § 277 StPO verbietet für den Fall der „zugunsten“ des Angeklagten eingelegten Berufung die Erhöhung der Strafe, d. h. Art und Maß der Strafe dürfen nicht „zuungunsten“ des Angeklagten abgeändert werden abgesehen von der zwingend vorgeschriebenen Zusatzstrafe und der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt. Hauptstrafe des Jugendgerichtsgesetzes ist die Freiheitsentziehung (§ 17). Bei all ihren Besonderheiten gegenüber den Hauptstrafen des allgemeinen Strafrechts bleibt sie dennoch unzweifelhaft Strafe. Sie kann, da sie die einzige Hauptstrafe gegenüber Jugendlichen ist, in ihrer Art zwar nicht, jedoch ihrem Maß nach geändert werden. Das allein rechtfertigt bereits sachlich die Geltung des Verbots der reformatio in peius im Jugendstrafverfahren, während die gesetzliche Zulässigkeit seiner Anwendung im § 3 EGStPO begründet liegt. Im Gegensatz zur allgemeinen Anerkennung des Verbots der Straferhöhung in bezug, auf die Freiheitsentziehung wird die Anwendung dieses Verbots im Bereich der Erziehungsmaßnahmen in Zweifel gezogen. Das vorstehende Urteil gelangt im Ergebnis zur Ablehnung des Verbots der reformatio in peius, in seiner Begründung beschäftigt es sich jedoch nicht mit der Frage, ob dieses Verbot auch für Erziehungsmaßnahmen gilt, sondern widmet sich vorwiegend der Betrachtung des Erfordernisses einer im Einzelfall geeigneten Erziehungsmaßnahme und ihrer „ausschließlich im Interesse des Jugendlichen“ liegenden Funktion. § 277 StPO beschränkt das Verbot der reformatio in peius auf die Strafe. Zu einer Ausdehnung auf Erziehungsmaßnahmen bestand innerhalb dieser Vorschrift kein Anlaß. Eine unmittelbare Übertragung des § 277 StPO über § 3 EGStPO ist daher nicht möglich. Seine entsprechende Anwendung ist jedoch nach Sinn und Zweck der Erziehungsmaßnahmen im Interesse der Gewährleistung des Rechts jugendlicher Angeklagter zur Rechtsmitteleinlegung geradezu geboten. Gewiß sind Erziehungsmaßnahmen keine Strafe. Sie sind aber dem Jugendstrafrecht spezifische, in der Mehrzahl aller Verfehlungen angeordnete Straftatsfolgen, die eines gewissen Zwangscharakters nicht entbehren und unter Umständen auf lange Zeit einschneidend in die bisherigen Lebensverhältnisse Jugendlicher eingreifen. Gerade in einer solchen Situation, die der eines zur Strafe Verurteilten weitgehend entspricht, soll ein jugendlicher Angeklagter von seiner Entschließung, ein Rechtsmittel einzulegen, weder abgeschreckt noch in eine „Zwangslage“ versetzt werden, die ihn von einem Rechtsmittel Abstand nehmen läßt, weil er gegebenenfalls mit einer ihn mehr belastenden Rechtsfolge rechnen müßte (vgl. OG in NJ 1950 S. 348). Dabei kann es m. E. nach dem Grundgedanken des Verbots der reformatio in peius keinen Unterschied ausmachen, ob es sich im Einzelfall um eine Strafe oder „nur“ um eine Erziehungsmaßnahme handelt. Entschieden widerspreche ich der von Kaiser (Zeitschrift für Jugendhilfe und Heimerziehung 1955, Heft 9, S. 14) vertretenen Meinung, daß die im § 9 JGG aufgestellte und in den §§ 10 bis 14 JGG wiederholte Reihenfolge „keine Rangfolge“ darstelle. Die Erziehungsmaßnahmen der §§ 9 bzw. 10 bis 14 JGG weisen, wenn auch nicht in allen Fällen ohne weiteres erkennbar, auf jeden Fall aber nach ihrer voneinander abweichenden gesetzlichen Ausgestaltung und in ihrer verschiedenartigen Einwirkung teilweise recht erhebliche objektive Unterschiede nach Art und Schwere auf. Nur auf solche und nicht etwa auf allein von der persönlichen Auffassung des Verurteilten bzw. der Verfahrensbeteillgten abhängige Unterscheidungen kann es bei der hier zu lösenden Frage ankommen. Für die Verwarnung (§ 10) und die Heimerziehung, die nach §14 „nur dann anzuordnen ist, wenn andere Erziehungsmaßnahmen nicht mehr ausreichen“, dürfte das Bestehen eines objektiven Unterschieds unstreitig sein (vgl. Grube in Zeitschrift für Jugendhilfe und Heimerziehung 1955, Heft 10, S. 9). Mit diesen auf Art und Schwere der Erziehungsmaßnahmen abstellenden Fragen setzt sich das Urteil leider nicht auseinander. Irrigerweise macht das Bezirksgericht seine Entscheidung davon abhängig, ob die angestrebte Erziehungsmaßnahme „ausschließlich im Interesse des Jugendlichen“ liege und deshalb auch keine Schlechterstellung für ihn bedeute. Diese auch von Kaiser (a. a. O.) vertretene Auffassung wirkt auf den ersten Anschein bestechend. In ihr liegt aber die Verletzung des Verbots der Straferhöhung begründet, sie ist daher mit Entschiedenheit abzulehnen. Diese Auffassung übersieht, daß es sich hier um zwei verschiedene Fragen handelt: Darüber, welche der möglichen Erziehungsmaßnahmen im Einzelfall dem Erziehungsziel am dienlichsten ist, befindet das Gericht, ohne insoweit an eine bestimmte Rangfolge gebunden zu sein. Dafür aber, welche der angeordneten oder angestrebten Erziehungsmaßnahmen leichter oder schwerer zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten ist, stellt das Gesetz in den §§ 9, 10 bis 14 JGG objektive Maßstäbe auf. Die Auffassung des Bezirksgerichts würde den Grundsatz des Verbots der reformatio in peius praktisch überhaupt illusorisch machen. Denn alle Erziehungsmaßnahmen und auch die Strafe dienen den gleichen Zielen (§ 2 Abs. 2 JGG), und auf Strafe ist dann zu erkennen, wenn Erziehungsmaßnahmen für die Erreichung dieses Ziels nicht ausreichen. Konsequenterweise müßte daher das Bezirksgericht es auch für zulässig erklären, daß auf die Berufung des Angeklagten bzw. der anderen in § 48 Abs. 1 JGG genannten Personen an Stelle einer Erziehungsmaßnahme die Bestrafung, ja, sogar eine höhere Strafe als zuvor erkannt ausgesprochen wird. Ein solches Ergebnis hat das Bezirksgericht aber nicht gewollt. Muß nun danach das Referat Jugendhilfe/Heim-erziehung sich mit einer ihm ungeeignet erscheinenden Erziehungsmaßnahme abfinden, da ihm das Gesetz nur das Recht gibt, ein Rechtsmittel zugunsten des Jugendlichen einzulegen? Keineswegs! ln solchen Fällen wird es seine Aufgabe sein, beim Staatsanwalt als dem Wahrer der demokratischen Gesetzlichkeit die Einlegung des Protestes, für den die Beschränkung des § 48 JGG nicht gilt, anzuregen. Prof. Gerhard Pchalek, Direktor des Instituts für Strafrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena 128;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 128 (NJ DDR 1957, S. 128) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 128 (NJ DDR 1957, S. 128)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher ergebenden Schlußfolgerungen und Aufgaben abschließend zu beraten. Außerdem gilt es gleichfalls, die sich für die weitere Qualifizierung der beweismäßigen Voraussetzungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren, die im einzelnen im Abschnitt dargelegt sind. Gleichzeitig haben die durchgeführten Untersuchungen ergeben, daß die strafverfahrensrechtlichen Regelungen über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist, um den Zweck der Untersuchungshaft, die Ordnung der Untersuchungshaftanstalt und die Sicherheit zu gewährleisten. Die Wahrnehmung der Rechte der Verhafteten, insbesondere das Recht auf Verteidigung, in irgend einer Art beeinträchtigt wird. Durch den Leiter der Untersuchunqshaftan stalt sind deshalb alle Maßnahmen zur Sicherung der Angeklagten oder Zeugen und ihrer Rechte in Vorbereitung und Durchführung gerichtlicher Hauptverhandlungen, sowie zur Sicherung von Transporten mit Inhaftierten - Mit der wurde eine einheitliche Verfahrensweise für die Linie geschaffen.

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