Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 125

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 125 (NJ DDR 1957, S. 125); läßlich der' Konfirmation der U. H., zu der R. von Frau H. eingeladen wurde, nahm er etwa 5 Glas Bier und die gleiche Anzahl Schnäpse zu sich. Nach Beendigung der Feier blieb R. in der Wohnung zurück, um Frau H. beim Aufräumen zu helfen. Als sich R. allein im Wohnzimmer aufhielt, kehrte die bereits zu Bett gegangene U. H., nur mit einem kurzen Nachthemd bekleidet, zurück und es kam zwischen dem Angeklagten und ihr zu unzüchtigen Handlungen wie Betasten der Brust und gegenseitige Berührung der Geschlechtsteile. Derartige Handlungen wiederholten sich in der Folgezeit gelegentlich zweier Besuche des R. bei der Familie H., davon einmal während eines Krankenhausaufenthaltes der Frau H. Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten R. wegen fortgesetzten Verbrechens gegen § 174 Ziff. 1 StGB in Tateinheit mit Verbrechen gegen § 176 Abs. 1 Ziff. 3 StGB zu zwei Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf drei Jahre. Mit der Berufung wurde unrichtige Anwendung des Strafgesetzes und unrichtige Strafzumessung gerügt. Sie macht u. a. geltend, daß dem Angeklagten mit dem Ehrenrechtsverlust der Eintritt ins Leben nach Verbüßung der Freiheitsstrafe erschwert werde und diese Strafe den Anschauungen der Werktätigen und auch der in Vorbereitung befindlichen Strafrechtsreform nicht entspräche. Auf Grund der gesellschaftlichen Leistungen und Verdienste des Angeklagten einerseits, des schlechten Leumunds der Verletzten U. H. insbes. in sexuellen Dingen und deren weitestgehenden Entgegenkommens gegenüber dem Angeklagten andererseits, erscheine die Zubilligung mildernder Umstände gern. § 176 Abs. 2 StGB angebracht. Die Berufung hatte hinsichtlich der Strafzumessung teilweise Erfolg. Aus den Gründen: Aus alledem ergibt sich, daß der Angeklagte immer bereit war, unter Einsatz seines ganzen Könnens und seiner ganzen Kraft dem gesellschaftlichen Fortschritt zu dienen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen war daher besonders zu prüfen, wo die Ursachen für das Verbrechen des Angeklagten liegen. Dabei wurde vom Kreisgericht außer acht gelassen, daß die Zeugin U. H. insbesondere anläßlich ihrer Konfirmation durch ihr herausforderndes Verhalten nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, daß sich der Angeklagte zu den verbrecherischen Handlungen hat hinreißen lassen. Es ist unzweifelhaft, daß der vom .Angeklagten genossene Alkohol ihn bis zu einem gewissen Grade bedenkenlos machte, so daß er sich in der verführerischen Situation zu Handlungen hinreißen ließ, die er im normalen Zustand verurteilt hätte. Dies entschuldigt jedoch den Angeklagten nicht in dem Maße, daß eine Gefängnisstrafe, welche der Zubilligung mildernder Umstände gleichkäme, gerechtfertigt wäre. Der Senat erachtet daher eine Zuchthausstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten als notwendige Erziehungsmaßnahme für ausreichend. Hinsichtlich der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte wurde der Auffassung der Verteidigung beigepflichtet, da diese zusätzliche Strafe unseren heutigen Auffassungen vom Erziehungszweck der Bestrafung im allgemeinen widerspricht. Sie ist nur in besonders schwerwiegenden Fällen anzuwenden. Es ist unser Ziel, alle Menschen, die sich strafbar gemacht haben, auf den richtigen Weg zurückzuführen, damit sie wieder zu vollwertigen Gliedern unserer Gesellschaft werden. Dabei soll einem jeden von ihnen nach der Strafverbüßung die Möglichkeit geboten werden, auf einem Gebiet zu arbeiten, wo er der Gesellschaft großen Nutzen bringen kann, damit er einen Teil des von ihm Verursachten Schadens wiedergutmachen kann. Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen Menschen, der als Sportlehrer eine große Qualifikation besitzt und gesellschaftlich aktiv war. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte würde es ihm jedoch auch nach seiner Strafverbüßung noch für längere Zeit unmöglich machen, seinen Willen zur Wiedergutmachung der Gesellschaft zu beweisen. Anmerkung: Den Erwägungen des BG hinsichtlich der Strafzumessung, insbesondere soweit sie sich auf die Ablehnung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte gern. §§ 32 ff. StGB beziehen, ist im Prinzip zuzustimmen. Dieses Urteil regt vor allem unter zwei Gesichtspunkten zu Gedanken über die Strafzumessung an. 1. Zu Recht rügt der Senat zunächst, daß das Kreisgericht neben dem gesellschaftlich positiven und verdienstlichen Verhalten des Angeklagten vor der Tat das herausfordernde oder zumindest entgegenkom- mende Verhalten der Schülerin U. H. gegenüber R. vor bzw. während der Tat bei der Strafzumessung nicht genügend berücksichtigt habe. Sowohl bei Verbrechen gegen § 174 Ziff. 1 StGB als auch bei Verbrechen gegen § 176 Abs. 1 Ziff. 3 StGB handelt es sich, wie bei anderen Sexualdelikten auch, um Verbrechen, deren Begehung tatbestandsmäßig die Mitwirkung seitens des Verletzten in dieser oder jener Hinsicht voraussetzen bzw. doch sehr häufig mit einer solchen Mitwirkung des Verletzten korrespondieren werden. Nicht ohne Sinn spricht die Strafrechtslehre in diesen Fällen beim Verletzten von einem „notwendigen Teilnehmer“. Das Verhalten eines solchen „notwendigen Teilnehmers" bei der Tat vermag zwar (von einer eventuellen Verantwortlichkeit nach anderweitigen Bestimmungen, wie z. B. § 240 StGB, abgesehen) keine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verletzten auch wenn es noch so aktiv war wegen Teilnahme am Verbrechen i. S. der §§ 47 ff. zu begründen. Es ist jedoch stets ein wichtiges Kriterium für die Feststellung des Ausmaßes der Gesellschaftsgefährlichkeit und moralisch-politischen Verwerflichkeit der Tat und dementsprechend auch für die Strafzumessung. Dieser Erwägung kann m. E. nicht entgegengehalten werden, daß im Falle einer bestimmten Verantwortung des Täters gegenüber dem Verletzten (wie z. B. in vorliegender Strafsache) die Ausnutzung eines solchen herausfordernden Verhaltens des Verletzten gerade deshalb besonders gefährlich und verwerflich sei, da der Täter auf Grund seiner Verantwortung einem solchen Verhalten erzieherisch entgegenzutreten zumindest moralisch verpflichtet gewesen sei. Dieses Argument entbehrt nicht einer gewissen Sophistik; denn würde es vom Gericht nicht ebenso als ein erschwerender Umstand angesehen werden, wenn der Täter trotz seiner Verantwortung für den Verletzten die Tat gegen dessen Willen ausgeführt und dessen Widerstand durch raffinierte Überredungen, Versprechungen oder andere Verführungskunststücke oder gar durch Drohungen oder Gewaltanwendung überwunden hätte? Es entsteht die Frage, was in diesen Fällen sonst die Schuld des Täters und damit die Gefährlichkeit und Verwerflichkeit seiner Tat mindern und gegebenenfalls „mildernde Umstände“ z. B. nach §176 Abs. 2 StGB begründen könnte, wenn nicht vor allem auch eine solche (vom Täter nicht vorsätzlich herbeigeführte) Mitwirkung des Verletzten. Diese Erwägung ist in vorliegender Strafsache m. E. von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des Verbrechens gern. § 174 Ziff. 1 StGB. Bei diesem wird eine bestimmte Verantwortung des Täters für den Verletzten bereits vom Tatbestand als strafbegründender Umstand gekennzeichnet und kann folglich als solcher nicht noch einmal als erschwerender Umstand bei der Strafzumessung heran-gezogen werden, so daß es für diese entscheidend auf die besonderen Umstände der konkreten Tat, insbesondere also auch auf das gegenseitige Verhalten von Täter und Verletztem ankommt. Entwas anders verhält es sich beim Verbrechen nach § 176 Abs. 1 Ziff. 3 StGB, der ein solches Verantwortungs- und Abhängigkeitsverhältnis nicht als strafbegründenden Umstand voraussetzt und es deshalb generell zuläßt, diesen und ähnliche Umstände als erschwerend bei der Strafbemessung bzw.'der Abgrenzung zum minderschweren Fall zu berücksichtigen. Im vorliegenden Falle erscheint es mir jedoch recht fraglich, ob die Eigenschaft des Angeklagten als Sportlehrer der Verletzten für die Begehung der Tat in Gestalt der Ausnutzung oder eines Mißbrauchs dieser Eigenschaft eine solche maßgebliche, das Vorliegen mildernder Umstände grundsätzlich ausschließende Rolle gespielt hat, oder ob für die Tatbegehung nicht das enge persönliche Bekanntschaftsverhältnis zur Familie H. eine dominierende Rolle gespielt hat. Damit hat sich m. E. auch der Senat des BG zu wenig auseinandergesetzt, als er ohne nähere Begründung, bei der auch ein Hinweis auf die fortgesetzte Begehung notwendig gewesen wäre, das Vorliegen eines minderschweren Falles gern. § 176 Abs. 2 StGB abgelehnt und eine Strafe von einem Jahr und vier Monaten Zuchthaus als notwendige und ausreichende Erziehungsmaßnahme angesehen hat. 2. Besonders bemerkenswert erscheinen die Ausführungen des Senats zur Ablehnung der Aberkennung 125;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 125 (NJ DDR 1957, S. 125) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 125 (NJ DDR 1957, S. 125)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

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