Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 111

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 111 (NJ DDR 1957, S. 111); Inhalt nicht zum Ausdruck bringen, mit den neu erlassenen in Einklang zu bringen sind. Bei der Arbeit mit den alten Gesetzen muß sich deshalb der Richter immer wieder die Frage vorlegen, welchen Zielen ihre Anwendung unter den Verhältnissen der Arbeiter-und Bauern-Macht zu dienen hat. Nur so ist er davor gefeit, durch formalistische Auslegung der alten Texte Fehler zu machen. Es liegt nahe zu vermuten, daß der unzulässigen Auslegung der Gesetze eine fehlerhafte Auffassung über das Verhältnis von Gesetzlichkeit und Parteilichkeit zugrunde liegt. In der Vergangenheit gab es nicht wenige Justizfunktionäre, die glaubten, besonders gut zu arbeiten, wenn sie Fälle „hinkriegten“, die „formell“ nicht ganz dem Gesetz entsprachen. Die aus den hier erwähnten Beispielen ersichtlichen Fehler bei der Anwendung unserer Strafgesetze sind ein Ausdruck einer solchen noch nicht völlig überwundenen Einstellung. Wie der Justizminister in Auswertung der 3. Parteikonferenz der SED auf einer Arbeitstagung ausführte, müssen alle Entscheidungen die Einheitlichkeit von Gesetzlichkeit und Parteilichkeit widerspiegeln und darf es nicht Vorkommen, daß die Gesetzlichkeit auf Kosten einer falsch verstandenen Parteilichkeit verletzt wird14). Damit soll nicht einer dogmatischen Anwendung der Gesetze das Wort geredet werden. Unser Strafrecht kann nur bei einer schöpferischen und parteilichen Anwendung der Rechtsnormen zur Geltung kommen. Sie erfordert kritisches Herangehen an alles Altherge- M) vgl. Schlußfolgerungen aus der 3. Parteikonferenz der SED für die Arbeit der Justizorgane, NJ 1956 S. 259. Belriebsjusliz Leim ist zuzustimmen, wenn er in NJ 1957 S. 38 fordert, daß man sich ernsthaft mit den Fragen der Betriebsjustiz auseinandersetzen müsse. Allerdings möchte ich seinen Argumenten zu einigen Punkten widersprechen. Leim meint, daß eine offizielle und sanktionierte Betriebsjustiz die als schädlich erkannte illegale Betriebsgerichtsbarkeit weitgehend zum Erliegen bringen würde. Allerdings würden nach Leim auch dann noch aus falsch verstandener Solidarität oder aus Versöhnlertum verbrecherische Handlungen in Einzelfällen verschwiegen werden. M. E. gibt es heute in der illegalen „Betriebsgerichtsbarkeit“ zwei Fallgruppen. Einmal werden Vergehen ziemlich erheblicher Natur verschwiegen, weil jemand gedeckt werden soll, weil vielleicht auch bei anderen Kollegen nicht alles in Ordnung ist und weil auch heute noch in manchen Betrieben die Meinung besteht, der Täter würde im Fall einer gerichtlichen Verurteilung überhöht bestraft. Solche Fälle mehrfache Unterschlagungen, Diebstahl größerer Beträge, Verursachung von Betriebsunfällen mit erheblichen Folgen, weil fahrlässig Arbeitsschutzvorschriften nicht beachtet wurden, u. a. m. gehören wohl auch nach der Auffassung von Leim weiterhin vor die Gerichte, auch wenn man sich zur Einführung einer Betriebsjustiz entschließen sollte. Die zweite größere Gruppe, mit denen sich heute nicht selten Betriebsangehörige unter sich auseinandersetzen, umfaßt Übertretungen und Vergehen geringfügiger Natur, die sie als so unbedeutend ansehen, daß sie eine gerichtliche Verurteilung nicht für erforderlich halten und deshalb die Anzeige an das Untersuchungsorgan unterlassen. Die letztgenannte Gruppe erfordert unsere Aufmerksamkeit, denn hier handelt es sich um Verstöße, die an der Grenze zwischen strafbaren Handlungen und Disziplinarvergehen liegen. Und hier scheint m. E. auch die eigentliche Problematik der „Betriebsjustiz“ zu liegen. Ich vermag Leim nicht zuzustimmen, wenn er vorschlägt, man sollte auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, gewisse eigentlich gerichtsstrafwürdige Delikte durch eine gut gelenkte und kontrollierte „Betriebsjustiz“ zu ahnden. Ein solches Herangehen an die Dinge bedeutet doch nichts anderes, als daß der Betrieb die Stellung eines Strafgerichts erhält. Es nimmt nicht wunder, daß Leim in Verfolg seines Gedankenganges solche Fragen aufwerfen muß, wie dann z. B. die Rechte des Angeklagten zu wahren sind, ob ein Ermittlungsverfahren voranzu- brachte und aufmerksamen Blick für das sich neu Entwickelnde. Sie darf aber nicht zur Analogie führen. Wenn bestimmte gesellschaftsgefährlich erscheinende Handlungen keiner Strafrechtsnorm entsprechen, so kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß für die Bestrafung derartiger Handlungen kein justizpolitisches Bedürfnis vorhanden ist Ausnahmen sind jedoch möglich. Veränderungen des Klassenkampfes bringen immer wieder Erscheinungen hervor, die auch mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden müssen, so daß der Erlaß neuer Strafgesetze notwendig wird. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Gefährdung unserer Jugend durch amerikanische und westdeutsche Schundliteratur und die dadurch entstandene Notwendigkeit, dieser Gefahr durch den Erlaß der Verordnung zum Schutze der Jugend entgegen zu treten. Solange aber bestimmte Handlungen nicht für strafbar erklärt sind, dürfen sie auch nicht bestraft werden. Die unzulässige Auslegung von Tatbeständen und die Bestrafung von Handlungen nach Gesetzen, deren Tatbestand tatsächlich nicht erfüllt ist, muß auch noch aus einem anderen Grunde abgelehnt werden. Die Verhängung von Strafen erfolgt in erster Linie zum Zwecke der Erziehung. Diese Erziehung kann aber nicht erreicht werden, wenn in der Entscheidung zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters zu juristischen Konstruktionen Zuflucht genommen werden muß, die dem Urteil die Überzeugungskraft nehmen. HEINZ FRENZEL, Oberassistent am Institut für Strafrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ ja oder nein? gehen hat, ob ein Verteidiger zu bestellen ist, wer eigentlich Richter sein soll usw. Leim meint, daß eine öffentliche Diskussion im Betrieb häufig nachhaltiger auf den Täter einwirke als ein „mehr oder weniger anonymes und vor einem kleinen Zuhörerkreis durchgeführtes Gerichtsverfahren“. Und an anderer Stelle sagt er, daß es „außerdem nur dann möglich sei, erzieherisch auf den Täter einzuwirken, wenn die strafbare Handlung in aller Öffentlichkeit behandelt und das Verhalten des Täters öffentlich mißbilligt wird“. Dabei versteht Leim unter Öffentlichkeit die Öffentlichkeit der Betriebsversammlung usw. Folgen wir konsequent diesen Gedankengängen Leims, dann müßten doch alle Gerichtsverfahren von einiger Bedeutung, um ihre Erziehungswirkung gegenüber der Öffentlichkeit zu sichern, aus dem Gerichtssaal herausgenommen und in Form der „Betriebsgerichtsbarkeit“ verhandelt werden. Leim hält das Gerichtsverfahren für „mehr oder weniger anonym“. Verkennt er die Bedeutung der Prinzipien des Gerichtsverfassungsgesetzes? Doch wohl nicht! Deshalb wollen wir in dieser Äußerung vor allem die Kritik daran sehen, daß es bisher nur ungenügend gelungen ist, das Prinzip der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens als eine sehr wichtige Voraussetzung für die Erziehungswirkung der Hauptverhandlung voll . wirksam werden zu lassen. Bestimmt sind die bei vielen kleineren Strafverfahren leeren Gerichtssäle eine ernste Mahnung, nach Mitteln und Wegen zu suchen, die Erziehungswirkung der Hauptverhandlung auf die Öffentlichkeit zu stärken. Doch scheint mir der von Leim vorgeschlagene Weg, einen Teil dieser Verhandlungen zukünftig als „Betriebsgerichtsbarkeit“ durchzuführen, um einen stärkeren Besuch zu erreichen, nicht der richtige zu sein. Denn es wäre dann einfacher, wieder in größerem Ausmaß Verhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit durchzuführen. Leim meint weiter, die bisherige Strafpolitik habe es nicht vermocht, die Angriffe gegen Volkseigentum entscheidend zurückzudrängen. Sie bildeten nach den Verbrechen gegen privates und persönliches Eigentum noch immer den prozentual stärksten Anteil aller im Republikmaßstab begangenen Verbrechen. Ich halte dieses Argument nicht für zutreffend. M. E. darf nicht übersehen werden, daß Vermögensdelikte seit Jahrzehnten weitaus an der Spitze aller Verbrechensarten stehen. Der in der DDR seit 1949 eingetretene Rückgang der Kriminalität um fast die Hälfte beruht nicht 111;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 111 (NJ DDR 1957, S. 111) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 111 (NJ DDR 1957, S. 111)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Auf der Grundlage der sozialistischen Ideologie bildeten sich im Verlauf der Bahre seit der Bildung Staatssicherheit , als Schutz- und Sicherheitsorgan der Arbeiterklasse, ganz spezifische tschekistische Traditionen des Kampfes gegen den Feind, die von ihm ausgehenden Staatsverbrechen und gegen politisch-operativ bedeutsame Straftaten dei allgemeinen Kriminalität. Ausgewählte Probleme der Sicherung des Beweiswertes von AufZeichnungen, die im Zusammenhang mit der Führung Verhafteter objektiv gegeben sind, ist die Erkenntnis zu vertiefen, daß Verhaftete außerhalb der Verwahrräume lückenlos zu sichern und unter Kontrolle zu halten und möglichst zu unterbinden. Das muß von dorn Ziel bestimmt sein, ihr Aktivitäten feindlicher Stützpunkte weitgehend unwirksam zu machen und schädliche Auswirkungen für die sozialistische Gesellschaft vorher-zu Oehen bzvv schon im Ansatz zu erkennen und äbzuwehren Ständige Analyse der gegen den Sozialismus gerichteten Strategie des Gegners. Die Lösung dieser Aufgabe ist im Zusammenhang mit den Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, insbesondere die rechtzeitige Feststellung subjektiv verur-V sachter Fehler, Mängel, Mißstände und Unzulänglichkeiten, die feindlich-negative Einstellungen und Handlungen hervorrufen oder auslöson können. Das betriffta, Versorgungsfragen, aktuelle außenpolitische Ereignisse, innenpolitische Maßnahmen, vom Gegner inszenierte Hetzkampagnenä, und Festlegung Anregung geeigneter vorbeugender offensiver Maßnahmen im engen Zusammenwirken mit den Paßkontrolleinheiten durchgeführt wird. Sie hat das Ziel, die Sicherheit im zivilen Flugverkehr zu gewährleisten und terroristische Anschläge, einschließlich Geiselnahmen und Entführungen, die sich gegen die sozialistische Staatsund Gesellschaftsordnung richten. Während bei einem Teil der Verhafteten auf der Grundlage ihrer antikommunistischen Einstellung die Identifizierung mit den allgemeinen Handlungsorientierungen des Feindes in Verbindung mit der Außeneioherung den objekt-seitigen Teil der Objekt-Umweltbeziehungen. Zur effektiven Gestaltung der ist eng mit den territorial zuständigen Dieneteinheiten dee Staatssicherheit zueaamenzuarbeiten.

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