Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 103

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 103 (NJ DDR 1957, S. 103); Gericht solche Verfahren im Sinne des öffentlichen Tadels einstellt. Es ist ein Mangel, daß bisher nur in wenigen Fällen so verfahren wird. Dadurch wird auf eine bessere erzieherische Wirkung auf die Beschuldigten in „kleinen“ Fällen und auf wichtige Erfahrungen für die künftige Anwendung des öffentlichen Tadels verzichtet. Beim Untersuchungsorgan sind nur noch wenige Fälle festzustellen, in denen zu Unrecht vom Ermittlungsverfahren abgesehen wurde oder Einstellungen erfolgten; im wesentlichen scheint die Ausweitung des materiellen Verbrechensbegriffs überwunden zu sein. Die Anwendung richtiger Maßstäbe bei der Strafverfolgung bedeutet aber noch lange nicht, daß alle strafprozessualen Bestimmungen genau eingehalten werden. Im allgemeinen muß festgestellt werden, daß die Untersuchungstätigkeit sich nur langsam verbessert und daß der gegenwärtige Stand noch nicht befriedigen kann. Es gibt immer noch zahlreiche und teilweise erhebliche Verletzungen strafprozessualer Vorschriften. Die von der VP-Führung ergriffenen Maßnahmen und die Methoden der Anleitung und Hilfe unmittelbar an der Basis haben noch nicht das gewünschte Ergebnis gebracht und sind sicher noch mangelhaft. Natürlich weist das auch darauf hin, daß die Kreisstaatsanwälte ihre Anleitung und Kontrolle weiter verbessern müssen; oft fehlt es auch noch an der notwendigen Konsequenz zur Kritik und an der Unduldsamkeit. Manches läßt man „noch durchgehen“. Was die Anwendung des § 108 StPO betrifft, so werden die Persönlichkeit des Täters und seine Beweggründe, sein Motiv, noch zu wenig erforscht. In einer Meineid-Sache z. B. wurde die Beschuldigte zu ihrem Motiv überhaupt nicht vernommen, jedoch im Schlußbericht über das Motiv ausführlich geschrieben. Die Erforschung der Persönlichkeit des Täters geschieht z. Z. überwiegend nur dadurch, daß schriftlich oder telefonisch im Betrieb, beim Bürgermeister usw. eine „Beurteilung“ angefordert wird. Oft ist mit solchen „Beurteilungen“ wenig anzufangen, weil sie gewöhnlich nicht die für das Strafverfahren wichtigen Fragen ausführlich genug beantworten; daran, daß der oder die Verfasser der „Beurteilung“ als Zeugen vor Gericht ihre Feststellungen zu vertreten haben, wird kaum gedacht. Damit ist dann die Erforschung der Persönlichkeit beendet und die Ermittlungsfrist abgelaufen, obwohl es darauf ankommt, daß diejenigen Tatsachen aus dem Leben und Verhalten des Täters, die mit der Straftat in Verbindung stehen und die das Gesamtverhalten charakterisieren, unmittelbar durch das Untersuchungsorgan selbst festgestellt werden. Noch selten sind Zeugenvernehmungen zur Person, die in bestimmten Strafsachen erforderlich sind, vor allem bei Jugendlichen die Vernehmung beider Elternteile, des Lehrausbilders und des Berufsschullehrers. In nicht wenigen Fällen werden der genaue Hergang der Handlung zu wenig erforscht und auch die Folgen der Tat nicht exakt festgestellt. Das trifft besonders auf Körperverletzungen zu. Man kann wenig mit einem Satz anfangen, in dem es lediglich heißt: „Der Täter schlug auf X ein, der dann liegenblieb.“ Es kann auch nicht genügen, wenn festgestellt wird, der Geschädigte sei „erheblich verletzt“ oder „arbeitsunfähig“. Solche Ungenauigkeiten erschweren die Anklageerhebung. Überhaupt ist die Sammlung objektiver Beweise und die Feststellung entlastender Umstände noch mangelhaft. Noch immer gibt es Fälle, in denen Beschlagnahmen oder Durchsuchungen nicht vom Staatsanwalt, sondern vom Untersuchungsorgan angeordnet wurden, obwohl keine Gefahr im Verzüge vorlag. Sehr stark mangelt es noch an ausführlichen schriftlichen Begründungen; in der Regel heißt es lakonisch: „Hausdurchsuchung ist durchzuführen.“ Bei Durchsuchungen fehlt in manchen Fällen noch der zweite unbeteiligte Zeuge. Bei Durchsuchungen bei anderen Personen (§ 134 StPO) wird in der Regel noch § 137 Abs. 2 StPO verletzt; in den Akten ist meist keine schriftliche Bestätigung zu finden, daß der Zweck der Durchsuchung vorher bekanntgegeben wurde. Die 48-Stunden-Frist für die richterliche Bestätigung wird auch noch mißachtet. So wurde in einem Fall der Kreisstaatsanwalt rund eine Woche nach der Durchsuchung im Schlußbericht gebeten, für die richterliche Bestätigung zu sorgen! Die größten Mängel und Schwierigkeiten zeigen sich in Verfahren gegen unbekannte Täter und solchen, in denen die Handlung nicht bewiesen werden konnte. Die Fälle, in denen der Staatsanwalt nach § 164 Abs. 1 Ziff. 3 StPO einstellen muß, haben meist ihre Ursache in einer mangelhaften Arbeit des Untersuchungsorgans (einschließlich der Abt. K); sei es, daß die Ermittlungen, vor allem die ersten Feststellungen unmittelbar nach der Tat, nicht oder erst mit großer Verspätung oder unsachgemäß durchgeführt wurden, daß nicht alle Beweismöglichkeiten ausgeschöpft oder aucji die gesamten Ermittlungen nicht zügig und konzentriert geführt wurden, sei es, daß Mittel der Kriminalistik, wie Spurensicherung und Untersuchung', nicht zur Anwendung kamen. Bei einem Kreisstaatsanwalt wurden in einem bestimmten Zeitraum zwei Drittel aller im Bezirk erledigten Verfahren nach § 164 Abs. 1 Ziff. 3 StPO eingestellt. Bei näherer Überprüfung ergaben sich die eben beschriebenen Mängel; die Mehrzahl der eingestellten Verfahren war auch nicht einstellungsreif, bot noch Möglichkeiten der Ermittlung und hätte zu diesem Zweck zurückgegeben werden müssen. Das soll an folgenden Beispielen gezeigt werden: Eine Angestellte wurde beschuldigt, aus einem Tischkasten in einer Dienststelle einen Geldbetrag gestohlen zu haben. Alle Umstände deuteten auch darauf hin, daß die Betreffende als Täterin in Frage kam. Zu ihrer Entlastung führte sie an, daß sie das in der betreffenden Zeit gekaufte Kleid mit dem Geld bezahlt habe, daß sie von ihrem Vater erhalten habe. Der Vater wurde nicht vernommen. Ihr Vorgesetzter hatte in einer Beurteilung geschrieben, die Beschuldigte sei nach der Tatzeit „spendenfreudig“ gewesen. Er wurde auch nicht vernommen, um festzustellen, worin sich die „Spendenfreudigkeit“ äußerte. In einer Körperverletzungssache machte sich wegen widersprechender Aussagen eine Gegenüberstellung erforderlich. Zu dieser erschienen nur zwei Personen, die anderen nicht. Die Gegenüberstellung wurde auch nicht erzwungen, sondern der Vorgang bequemerweise an den Kreisstaatsanwalt ungenügend ermittelt abgegeben, der dann nach § 164 Abs. 1 Ziff. 3 StPO einstellte, weil eine Gegen- überstellung keinen Erfolg “ versprechen würde. Bei Einstellungen nach § 164 Abs. 1 Ziff. 3 StPO gibt es auch Verfahren, wo verpaßte Gelegenheiten nicht mehr nachgeholt werden, z. B. sofortige Spurensicherung, Tatortbesichtigung u. a. In einem Fall wurde ein Ehepaar eines Einbruchdiebstahls in einer HO-Gast-stätte beschuldigt. Es waren Süßigkeiten im Werte von rund 75 DM gestohlen worden. Zwei Fährtenhunde nahmen zu verschiedenen Zeiten die Spur auf und führten zur Wohnung der Beschuldigten. Fußspuren stimmten mit den Schuhen der Beschuldigten überein. Jedoch wurden die Schuhe nicht beschlagnahmt, die Spuren nicht fotografisch gesichert Gipsabdruck war nicht möglich und keine entsprechende Untersuchung beim Kriminaltechnischen Institut durchgeführt. Die Beschuldigten bestritten schließlich die Tat übrigens wurde ihr „Alibi“, sie hätten in der betreffenden Nacht die Wohnung nicht verlassen, nicht genügend überprüft , und das Verfahren wurde nach § 164 Abs. 1 Ziff. 3 StPO eingestellt. Solche „verpaßten Gelegenheiten“ und Lücken der Beweissammlung gibt es auch in Vorgängen, in denen Anklage und Bestrafung erfolgt, weil die Schuld noch durch andere Beweise, meist durch das Geständnis der Beschuldigten, nachgewiesen werden kann obwohl das nicht restlos befriedigt. Bei Verfahren „gegen Unbekannt“, die ebenso zur Einstellung gelangen, sind derartige Mängel sehr zahlreich festzustellen. Abgesehen von verspäteten Anzeigen seitens der Geschädigten werden oft erst nach Tagen in nicht wenigen P'ällen nodi später, manchmal sind es Wochen die ersten Untersuchungen durch die Abt. K durchgeführt. Von einer erfolgversprechenden Spurensicherung, einer Tatortbesichtigung u. a. kriminalistischen Maßnahmen, die gerade in solchen Fällen notwendig sind, kann dann überhaupt nicht mehr die Rede sein. Das trifft besonders auf oft 103;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 103 (NJ DDR 1957, S. 103) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 103 (NJ DDR 1957, S. 103)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Oie Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache - Studienmaterial Grundfragen der Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit bearbeiteten Ermittlungsverfahren beinhalten zum Teil Straftaten, die Teil eines Systems konspirativ organisierter und vom Gegner inspirierter konterrevolutionärer, feindlicher Aktivitäten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der sind vielfältige Maßnahmen der Inspirierung feindlich-negativer Personen zur Durchführung von gegen die gerichteten Straftaten, insbesondere zu Staatsverbrechen, Straftaten gegen die staatliche Ordnung der DDR. Bei der Aufklärung dieser politisch-operativ relevanten Erscheinungen und aktionsbezogener Straftaten, die Ausdruck des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher sind, zu gewährleisten, daß unter strikter Beachtung der dem Bürger zustehenden Rechte, wie der Beschwerde, die in den Belehrungen enthalten sein müssen, zu garantieren. Diese Forderungen erwachsen aus der sozialistischen Gesetzlichkeit und ist für die Zusammenarbeit das Zusammenwirken mit den. am Vollzug der Untersuchungshaft beteiigten Organen verantwortlich. Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit in der Linie entsprechend den jeweiligen politisch-operativen Aufgabenstellungen stets weiterführende Potenzen und Möglichkeiten der allem auch im Zusammenhang mit der vorbeugenden Aufdeckung, Verhinderung und Bekämpfung der Bestrebungen zum subversiven Mißbrauch zu nutzen. Zugleich ist ferner im Rahmen der Zusammenarbeit mit den zuständigen anderen operativen Diensteinheiten zu gewährleisten, daß die im Zusammenhang mit dem Handeln des Verdächtigen sthen können bzw, die für das evtl, straf rechtlich relevante Handeln des Verdächtigen begünstigend wirkten wirken, konnten? Welche Fragen können sich durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als auch als Anlaß zur Prüfung des Vorliegens des Tatverdachtes entsprechend Ziffer - eigene Feststellungen der Untersuchungsorgane - genutzt werden.

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