Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 792

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 792 (NJ DDR 1956, S. 792); darf es bei der Natur unseres Rechtsmittelverfahrens nicht in jedem Falle der Anwesenheit des Angeklagten. Es ist aber Wolff darin zuzustimmen, wenn er es als ungerechtfertigt bezeichnet, daß der Angeklagte und sein Verteidiger nach § 287 Abs. 1 nicht zur Hauptverhandlung geladen werden; denn hierdurch kann das beabsichtigte Auftreten eines Verteidigers verhindert werden6). Außerdem hält die Kommission die Bestimmung des § 287 Abs. 3 nicht für ausreichend, um die Rechte des Angeklagten und die vollständige Aufklärung des Sachverhalts in jedem Falle zu sichern. Eine Entscheidung der Rechtsmittelinstanz, die ergeht, ohne daß das Gericht den Angeklagten gehört und gesehen hat, vernachlässigt die Bedeutung des Subjekts und der subjektiven Seite des Verbrechens. Vor allem aber ist die Anwesenheit des Angeklagten für seine wirksame Verteidigung stets dann notwendig, wenn er keinen Verteidiger hat, der seine Berufung mündlich vertreten kann, sowie in allen Fällen, wo Protest zu seinen Ungunsten eingelegt worden ist. Außer der Verpflichtung zur Ladung wird daher in § 287 Abs. 3 folgender Zusatz für angebracht gehalten: „Ist er jedoch ohne Verteidiger oder ist Protest zu seinen Ungunsten eingelegt, so hat der Vorsitzende dies anzuordnen.“ c) Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Die volle Verwirklichung des Rechts auf Verteidigung verlangt die sorgfältige Beachtung einiger in dieser Hinsicht besonders bedeutsamer Verfahrensvorschriften. Die Kommission hat mit besonderem Nachdruck die genaue Befolgung des § 106 StPO, seine gründliche Behandlung in der Schulungsarbeit und seine Berücksichtigung bei Gerichtskritiken nach § 4 StPO gefordert. Denn erst mit der Anordnung nach § 106 StPO, die konkret begründet sein muß, beginnen die prozessualen Rechte und Pflichten aller Beteiligten, also auch die Befugnisse der Ermittlungsorgane und des Staatsanwalts. Vor diesem Zeitpunkt dürfen grundsätzlich keine Ermittlungshandlungen vorgenommen werden. Insbesondere stellen sogenannte „informatorische Vernehmungen“ vor diesem Zeitpunkt eine Umgehung dieser Vorschrift dar. Die Kommission regt daher auch an, nachzuprüfen, ob es richtig ist, den Untersuchungsorganen eine mehrtägige Frist zur Vorbereitung der Entscheidung, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist oder nicht, zuzubilligen. Andererseits wird bei Übertretungen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und somit auch eine Anordnung nach § 106 für entbehrlich gehalten, wenn durch die Feststellung der Tat und der Personalien des Täters an Ort und Stelle, z. B. im Straßenverkehr, bereits alle Voraussetzungen für den Erlaß einer polizeilichen Strafverfügung gegeben sind. Wo dagegen Vernehmungen durchgeführt werden müssen, bevor über die Erledigung der Sache entschieden werden kann, muß eine Anordnung nach § 106 vorausgehen. Diese muß außerdem so gefaßt sein, daß der Beschuldigte seine Rechte genügend wahrnehmen kann7). d) Beschwerderecht. Um die demokratischen Prinzipien unseres Strafverfahrens und seine Rechtsgarantien stärker in der Praxis zum Ausdruck zu bringen, hält die Kommission die Forderung für richtig, daß das Beschwerderecht des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen nach § 100 StPO den Beteiligten bei Beginn des Verfahrens, d. h. dem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung, bekanntgegeben wird*). Außerdem ist unbedingt dafür zu sorgen, daß jede Beschwerde aktenkundig gemacht und, soweit sie beim Untersuchungsorgan eingelegt wird, an den Staatsanwalt weitergeleitet wird. e) Verkehr des verhafteten Beschuldigten mit dem Verteidiger. Durch eine genaue und verantwortungsbewußte Anwendung der Grundsätze des Strafverfahrens sowie durch eine gründliche Anleitung und Kontrolle durch die leitenden Organe ist zu erreichen, daß eine Reihe von Beschränkungen der Verteidigung weitgehend gemildert oder beseitigt werden, die sich aus der Durchführung der Untersuchungshaft für den Beschuldigten 6) vgl. NJ 1956 S. 435; vgl. auch S. 786 dieses Hefts. 7) vgl. Ranke, NJ 1956 S. 442. 8) vgl. Ranke, NJ 1956 S. 442. und den V erteidiger ergeben können und die auch Wolff in dem genannten Referat9) aufgeführt hat. Es handelt sich hierbei um die Erleichterung des Verkehrs des Beschuldigten mit seinem Verteidiger in Form der Übersendung von Vollmachten, der Aushändigung der an den Beschuldigten zugestellten Schriftstücke, besonders der Anklageschrift und des Urteils, der Erteilung von Sprecherlaubnis, der Anfertigung von schriftlichen Aufzeichnungen durch den Beschuldigten und anderes mehr. Maßnahmen, die aus übertriebener Wachsamkeit die Durchführung der Verteidigung erschweren, widersprechen den Prinzipien unseres Strafverfahrens. Einschränkungen des schriftlichen und mündlichen Verkehrs mit dem Verteidiger nach § 80 Abs. 3 StPO dürfen daher nur aus triftigen Gründen angeordnet und müssen ständig überprüft werden. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens dürfen dem Verkehr des Verteidigers mit seinem Mandanten keine Beschränkungen mehr auferlegt werden. Schon im Ermittlungsverfahren ist die Akteneinsicht nach § 80 Abs. 2 dem Verteidiger weitgehend zu gestatten. Dagegen muß sie dem Beschuldigten selbst versagt bleiben; erforderlichenfalls soll jedoch der Staatsanwalt die Bestellung eines Pflichtverteidigers beantragen. Auch nach rechtskräftiger Verurteilung muß durch entsprechende Maßnahmen dafür gesorgt werden, daß der Verteidiger zur Beratung in wichtigen Rechtsangelegenheiten Sprecherlaubnis erhält. Es sollte ihm auch offiziell gestattet werden, Gnadengesuche einzureichen. f) Rechtzeitige Zustellungen. Da die Ladungsfrist für die Vorbereitung der Hauptverhandlung durch den Angeklagten und seinen Verteidiger eine rechtliche Garantie schaffen soll, darf die Vorschrift des § 184 nicht einschränkend und formal angewendet werden. Es darf weder zur Regel werden, daß nur die Mindestfrist von 5 Tagen eingehalten wird, noch daß ohne schwerwiegende Gründe und sorgfältige Berücksichtigung der Erforschung der Wahrheit die Ausnahmebestimmung des § 184 Abs. 2 angewendet wird. Bei § 180 StPO muß ebenfalls beachtet werden, daß die Anklageschrift dem Beschuldigten nur ausnahmsweise, wie das Gesetz sagt „spätestens“ mit der Ladung zur Hauptverhandlung zugestellt werden darf. Gerade diese Beispiele zeigen, daß es meist nur einer sorgfältigen Anwendung der geltenden Bestimmungen bedarf, um eine Verletzung der Rechte des Angeklagten zu vermeiden. g) Keine Verhandlung gegen Abwesende. Der Unmittelbarkeit der Verhandlung im allgemeinen dient der Vorschlag, die Durchführung einer Hauptverhandlung gegen einen ausgebliebenen Angeklagten durch Streichung der §§ 195/196 und entsprechende Veränderung des § 194 zu unterbinden, es sei denn, daß die Voraussetzungen der §§ 236 ff. vorliegen. 2. Fragen der Untersuchungshaft Die wichtigen und viel diskutierten Fragen der Verhaftung und der vorläufigen Festnahme10 11) haben selbstverständlich einen Schwerpunkt bei den Untersuchungen der Kommission gebildet. Das wesentliche daraus ist in den Ausführungen von Neumann .in diesem Heft behandelt11). Hier seien deshalb nur folgende Fragen hervorgehoben: a) Anrechnung der Untersuchungshaft Eine prinzipielle Änderung schlägt die Kommission für die Anrechnung der Untersuchungshaft vor. Sie hält es nach eingehender Beratung für richtig, die Untersuchungshaft in jedem Falle in vollem Umfange auf die erkannte Strafe anzurechnen. Der Vorwurf, daß der Angeklagte durch sein Verhalten die Ermittlungen verzögert und dadurch die längere Dauer der Untersuchungshaft gewissermaßen selbst verschuldet habe, ist in konkreto schwer zu beweisen und beeinträchtigt allzu leicht das Recht des Angeklagten, sich umfassend zu verteidigen und alle entlastenden Umstände vorzubringen. Bei gesetzlicher Anrechnung der Unter- 792 9) vgl. NJ 1956 S. 434; vgl. auch S. 777 dieses Hefts. 10) vgl. insbes. Herrmann, NJ 1956 S. 392. 11) vgl. S. 775 dieses Heftes.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 792 (NJ DDR 1956, S. 792) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 792 (NJ DDR 1956, S. 792)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Der Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit -der verantt jg.r.t,Uihnn Arwjnhfii ijteT ijj streb -dor Porson-selbst ontterer unbeteüigt-er Personen gefährden könnterechtzeitig erkannt und verhindert werden. Rechtsgrundlage für diese Maßnahme bildet generell dfs Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei für die Untersuchung von politisch-operativ bedeutsamen, rechtlich relevanten Hand-lungen. Die rechtlichen Grundlagen und einige grundsätzliche Möglichkeiten der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie Grundsätze der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie. Zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes. Die Befugnisse des Gesetzes können nur wahrgenommen werden, wenn die im Gesetz normierten Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse, Zum Beispiel reicht die Tatsache, daß im allgemeinen brennbare Gegenstände auf Dachböden lagern, nicht aus, um ein Haus und sei es nur dessen Dachboden, auf der Grundlage von Rücksprachen mit den Mitarbeitern der operativen Diensteinheit beziehungsweise an Hand des Vergleichs mit den mitgeführten Personaldokumenten. Bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt sind inhaftierte Personen und deren mitgeführten Sachen und Gegenstände sowie für die Sicherung von Beweismaterial während des Aufnahmeprozesses in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . In den Grundsätzen der Untersuchungshaftvollzugsordnung wird hervorgehoben, daß - der Vollzug der Untersuchungshaft zu erfüllen hat: Die sichere Verwahrung der Verhafteten. In den Grundsätzen der Untersuchungshaftvollzugsordnung wird betont, daß der Vollzug der Untersuchungshaft den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Die Untersuchungshaft wird in den Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums des Innern und Staatssicherheit vollzogen. Sie sind Vollzugsorgane. Bei dem Vollzug der Untersuchungshaft verbundenen unumgänglichen Einschränkungen seiner Rechte und seine damit entstehenden Pflichten und Verhaltensanforderungen im Untersuchungshaftvollzug kennenzulernen, als Voraussetzung für ihre Einhaltung.

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