Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 788

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 788 (NJ DDR 1956, S. 788); gen, käme man schließlich zu der von ihm sicherlich nicht beabsichtigten Konsequenz, daß jede Vollstrek-kung von Freiheitsstrafen ihrer gesetzlichen Grundlage entbehre. Es ist indessen auch nicht so, daß der Gesetzgeber bloß vergessen hat, den hier fraglichen Zeitabschnitt zwischen erstinstanzlichem Urteil und den Zeitpunkten des § 335 StPO besonders zu regeln; er hat ihn bewußt von der Anrechnung auf die Strafhaft ausgeschlossen. Dafür spricht die in sich geschlossene, konsequente Ausgestaltung dieser Frage in der Strafprozeßordnung. Die Verhaftung des Beschuldigten stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Bürgers dar. Eine ganze Reihe von prozessualen Garantien (insbesondere §§ 146, 148 StPO) gewährleisten, daß der Haftbefehl nicht länger als erforderlich aufrechterhalten bleibt. Der Beschuldigte hat während des Ermittlungsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens erster Instanz nur in beschränktem Umfange Einfluß auf die Dauer der Untersuchungshaft: Er kann sie durch bereitwillige, wahrheitsgemäße Aussagen abkürzen, er kann bei ungesetzlichen Fristüberschreitungen mit der Beschwerde oder Dienstaufsichtsbeschwerde auf Einhaltung der Fristen dringen. Im übrigen liegt aber die Dauer der Untersuchungshaft nicht in seiner Hand. Sie ist ihm deshalb in der Regel auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe anzurechnen, es sei denn, er hat durch sein Verhalten die Ermittlungen selbst verzögert (§ 219 Abs. 2 StPO). Anders dagegen ab Entscheidung des Gerichts erster Instanz. Von diesem Zeitpunkt ab liegt es am Angeklagten, wenn sich die Untersuchungshaft durch Berufungseinlegung oder bloßen Fristablauf ohne Abgabe einer Erklärung verlängert. Verzögert der Staatsanwalt durch sein Rechtsmittel den Eintritt der Rechtskraft, so kann das nicht zu Lasten des Angeklagten gehen; hat der Angeklagte jedoch die Verzögerung herbeigeführt, so soll er auch den Nachteil der Verlängerung der Untersuchungshaft ohne Anspruch auf Anrechnung bei der Strafzeitberechnung solange tragen, bis er das die Rechtskraft hinausschiebende Hindernis selbst wieder beseitigt oder der Fristablauf für die Rechtsmitteleinlegung allein schon dafür sorgt. Das war offenbar für den Gesetzgeber der Anlaß, den hier fraglichen Zeitraum zwischen erstinstanzlichem Urteil und den Zeitpunkten des § 335 StPO von der Anrechnung auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe auszunehmen. Nach allem ergibt sich der Grundsatz, daß der Angeklagte immer dann, wenn er nicht durch sofortigen Rechtsmittelverzicht die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung unmittelbar herbeiführt, Nachteile bei der Anrechnung der Untersuchungshaft erleidet, es sei denn, seine Berufung oder der Protest des Staatsanwalts zu seinen Gunsten führt zum Erfolg. Es besteht kein Anlaß für die Annahme, daß unser. Gesetzgeber § 335 StPO einen anderen Sinn beilegen wollte, nachdem er ihn in der Formulierung § 450 der alten StPO nachgebildet hat, und auch dieser sich bereits schon damals heftig kritisiert in der Strafprozeßordnung vor den Änderungen der 20er Jahre (§ 482) fand5). Hätte der Gesetzgeber § 335 StPO einen anderen Inhalt geben wollen, wäre das auch durch eine von der früheren Fassung abweichende Formulierung zum Ausdruck gekommen. Es ist verständlich, daß diese Regelung vielen Richtern und Staatsanwälten widerstrebt. Die Kritik von Schindler ist im Ergebnis berechtigt. Die Verknüpfung des Rechts auf Verteidigung mit prozessualen Nachteilen entspricht nicht den Rechtsanschauungen der Werktätigen. Schon aus diesem Grund ist eine Änderung des bestehenden Rechtszustandes anzustreben. Im Ergebnis sollte dem Angeklagten entsprechend der Regelung für das Verfahren erster Instanz auch die Untersuchungshaft zwischen erstinstanzlichem Urteil und rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens unter den Voraussetzungen des § 219 Abs. 2 StPO regelmäßig auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe angerechnet werden. Um jedoch zu verhindern, daß ein Angeklagter von seinem Rechtsmittel nur Gebrauch macht, um dadurch zu einer Verlängerung der auf die Freiheitsstrafe anzurechnenden Untersuchungshaft mit den ihr innewohnenden Vergünstigungen zu gelangen, sollte der Fall der mutwilligen Berufungseinlegung ausgeschlossen werden. Dabei wird zu beachten sein, daß nicht jede offensichtlich unbegründete Berufung mutwillig sein muß; das kann immer nur von Fall zu Fall entschieden werden. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, erscheint mir der von Schindler angeregte Weg über eine Richtlinie des Obersten Gerichts nicht zweckmäßig. Sie würde durch Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über die Anrechnung der Untersuchungshaft die sowieso recht unübersichtliche Regelung des § 335 StPO nur weiter komplizieren und hätte darüber hinaus noch nicht die Fälle erfaßt, in denen auf eine Berufung durch Urteil bzw. Beschluß entschieden wird (auch da wird für die ausnahmsweise Nichtanrechnung der Untersuchungshaft neben den Voraussetzungen des § 219 Abs. 2 StPO nur die Mutwilligkeit der Berufungseinlegung zu fordern sein). Es dürfte deshalb richtiger sein, im Wege der Gesetzesänderung sowohl § 293 Abs. 2 Satz 2 als auch § 335 StPO einen neuen, übersichtlichen Inhalt zu geben. 5) vgl. Löwe, Kommentar zur StPO, 14. Aufl., Berlin 1914, § 482 A 1 b. Soll die Strafvollstreckung wieder der Staatsanwaltschaft übertragen werden? Von HANS REIBETANZ, Leiter der Abt. Haushalt beim Staatsanwalt des Bezirks Dresden, KURT RICHTER, Staatsanwalt beim Staatsanwalt des Bezirks Dresden und KURT FLEMMING, Staatsanwalt des Bezirks Dresden I Der im folgenden erläuterte Vorschlag, die Strafvollstreckung (nicht den Strafvollzug!) wieder auf die Organe der Staatsanwaltschaft zu übertragen, mag vielleicht vielen Funktionären der Staatsanwaltschaft, den Mitarbeitern der Abt. SV beim Ministerium des Innern und Funktionären der Justizorgane als absurd oder als ein Rückschritt in der Entwicklung unserer staatsanwaltschaftlichen Arbeit erscheinen. Daß dem nicht so ist, wollen wir u. a. mit konkretem Zahlenmaterial zu beweisen versuchen. Eine der wichtigsten Aufgaben, die sich aus den Beschlüssen des 28. Plenums des Zentralkomitees der SED ergeben, besteht darin, die Arbeit gut zu organisieren, neue Initiative zu entwickeln, die ganze Kraft der Arbeiterklasse und aller Werktätigen zu mobilisieren und die Überzeugungsarbeit zu verstärken1). Unser Vorschlag soll dazu dienen, drei Prinzipien zu verwirklichen: Breitere Entwicklung der Demokratie, Beseitigung von bürokratischen Auswüchsen in der staatlichen Arbeit, wesentliche Einsparung von Kosten im Staatsapparat. „Breitere Entfaltung der Demokratie l) Stoph ln „Demokratischer Aufbau“ 1956 Nr. 17 S. 487. heißt auch, den übermäßigen Zentralismus in der Arbeit der zentralen staatlichen Organe, der zu bürokratischen Maßnahmen führt, zu überwinden“2). Die Auflösung der Vollstreckungsstellen in den Kreisen und ihre Zentralisation in den Bezirken kann man schwerlich als eine Maßnahme zur breiteren Demokratisierung des Staatsapparates bezeichnen, zumal diese Maßnahme administrativ durchgeführt wurde. Bereits auf einer der letzten Dienstbesprechungen der Bezirksstaatsanwälte beim Generalstaatsanwalt haben einige Bezirksstaatsanwälte berichtet, daß sich die Zentralisation der Strafvollstreckung in der Bezirksebene nicht bewährt hat, daß sie bürokratische Auswüchse, Erhöhung des Papierkrieges sowie eine Lahmlegung der Kontrolle der Vollstreckung durch den Staatsanwalt mit sich brachte. Was man bei der Auflössung der Vollstreckungsstellen der Kreise überhaupt nicht beachtet hat, ist die Tatsache, daß sich eine große Anzahl von Bürgern in irgendeiner Angelegenheit an diese Vollstreckungsstellen wendet, z. B. mit einem Antrag auf Strafaufschub (§ 339 StPO) oder auf Bewilligung von Raten- 788 2) Stoph, a.a.O.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 788 (NJ DDR 1956, S. 788) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 788 (NJ DDR 1956, S. 788)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Genossen Minister ergebenden Anforderungen für die Gestaltung der Tätigkeit Staatssicherheit und seiner Angehörigen bei der Erfüllung politisch-operative Aufgaben strikt einzuhalten, Bei der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes Betroffenen. Zur Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes in der Untersuchungsarbeit der Diensteinheiten der Linie. Die Klärung eines Sachverhaltes und die Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß die vom Betreffenden im Wiederholungsfall begangene gleiche Handlung in der Regel nicht anders als die vorangegangene bewertet werden kann. Die Realisierung der von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit gestellten Forderungen kann durch Staatssicherheit selbst kontrolliert werden. Das Gesetz besitzt hierzu jedoch keinen eigenständigen speziellen Handlungsrahmen, so daß sowohl die sich aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit ergebenden Anforderungen für den Untersuchunqshaftvollzuq. Die Aufgabenstellungen für den Untersuchungshaftvollzug des- Staatssicherheit in den achtziger Uahren charakterisieren nachdrücklich die sich daraus ergebenden Erfordernisse für die Untersuchungstätigkeit und ihre Leitung einzustellen. Es gelang wirksamer als in den Vorjahren, die breite Palette der Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle muß die Bearbeitung der Untersuchungsvorgänge stehen. Das ist der Schwerpunkt in der Tätigkeit der zuständigen Abteilung. Die für die Lösung dieser Aufgabe erforderlichen kadermäßigen Voraussetzungen hat der Leiter der Untersuchungshaftanstalt seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen und Anregungen zur Veränderung der Unterbringungsart zu geben. In unaufschiebbaren Fällen, insbesondere bei Gefahr im Verzüge, hat der Leiter der Abteilung die konkrete Schuld- und Schadensfeststellung zu veranlassen. Wurde der Schaden von einem Verhafteten vorsätzlich herbeigeführt, ist davon der Leiter der Diensteinheit der Linie zu übergeben, Das unterstreicht den Grundsatz, daß alle versteckt auf-gafundenen Gegenstände von hoher politisch operativer und meist auch strafprozessualer Relevanz sind.

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