Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 776

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 776 (NJ DDR 1956, S. 776); Aus dem Fehlen einer dem § 123 Abs. 2 StPO (alt) ähnlichen Bestimmung in unserer neuen Strafprozeßordnung einerseits und der Beschränkung des Rechts auf vorläufige Festnahme auf den Ausnahmefall des § 148 Abs. 2 andererseits kann nur geschlußfolgert werden, daß in allen anderen Fällen der Aufhebung oder der Ablehnung eines Haftbefehls nach vorläufiger Festnahme grundsätzlich kein Recht zur erneuten Festnahme besteht. Dies ergibt sich auch aus § 298 Abs. 1 StPO, wonach durch die Einlegung der Beschwerde die Durchführung des angefochtenen Beschlusses nicht gehemmt-wird. Der die Anordnung der Untersuchungshaft ablehnende oder sie auf hebende Beschluß ist also durchzuführen, das heißt der Beschuldigte ist freizulassen, selbst wenn der Staatsanwalt- Beschwerde eingelegt hat. Nun sind aber durchaus Fälle denkbar, in denen nach Aufhebung oder Ablehnung eines Haftbefehls die Gefahr besteht, daß sich der Beschuldigte der strafrechtlichen Verantwortung entzieht. Will der Staatsanwalt dieser Gefahr begegnen, dann wird ihm das Recht zur erneuten Festnahme ausnahmsweise dann nicht zu versagen sein, falls er gegen die Entscheidung des Gerichts Beschwerde einlegt, und um eine Aussetzung des angefochtenen Beschlusses nach § 298 Abs. 2 StPO nachsucht. Daß nach dieser Bestimmung eine solche Aussetzungsmöglichkeit auch im Falle einer Haftbeschwerde besteht, dürfte nicht zweifelhaft sein, da unserer Strafprozeßordnung eine dem § 123 Abs. 2 StPO (alt) ähnliche Bestimmung fremd ist. Indessen sind aber bei diesem Beschwerdeverfahren einige Besonderheiten zu beachten. Wollte man die allgemeinen Bestimmungen der Beschwerde (§§ 296 ff. StPO) für zulässig halten, so brauchte der Staatsanwalt seine Beschwerde erst innerhalb von sieben Tagen einzulegen, das erstinstanzliche Gericht brauchte sodann, falls es der Beschwerde nicht abhelfen will, die Akten erst nach drei Tagen an das Beschwerdegericht weiterzuleiten. Für dieses besteht keine ausdrückliche Bestimmung, binnen welcher Frist über eine Beschwerde zu entscheiden ist. Im Ergebnis könnte hiernach der Beschuldigte 10 Tage und länger vorläufig festgenommen bleiben, ohne daß über die weitere Fortdauer seiner Freiheitsbeschränkung ein Haftbefehl vorläge. Daß damit das verfassungsmäßig garantierte Grundrecht der persönlichen Freiheit, über dessen Einschränkung spätestens innerhalb 48 Stunden zu entscheiden ist (vgl. Artikel 136 der Verfassung der DDR, §§ 144, 153 StPO) gröblichst verletzt würde, ist offensichtlich. Demnach sind für die Haftbeschwerden die Bestimmungen der §§ 296 ff. StPO nicht im vollen Umfange anwendbar, es ist vielmehr analog zu § 148 Abs. 2 StPO zu verfahren. Will der Staatsanwalt den Beschuldigten erneut festnehmen, dann hat er binnen 24 Stunden Haftbeschwerde einzulegen und gleichzeitig zu beantragen, daß die Durchführung des die Untersuchungshaft aufhebenden oder ablehnenden Beschlusses ausgesetzt wird. Das Gericht erster Instanz ha't, falls es der Beschwerde nicht abhilft und das Ersuchen um Aussetzung des Beschlusses ablehnt, die Akten nicht erst nach drei Tagen, sondern sofort an das Beschwerdegericht weiterzuleiten. Dieses hat spätestens am darauffolgenden Tage über die Aufrechterhaltung oder den Erlaß des Haftbefehles zu entscheiden, und, falls eine sofortige Entscheidung über die Beschwerde nicht möglich ist, auf jeden Fall über den Aussetzungsantrag zu befinden. Wird dies in der Praxis beachtet, so kann einesteils verhindert werden, daß sich jemand unter Umständen der strafrechtlichen Verantwortung nach Aufhebung oder Ablehnung eines Haftbefehls entzieht; gleichzeitig ist aber auch sichergestellt, daß spätestens innerhalb von 48 Stunden darüber entschieden wird, inwieweit eine weitere Beschränkung der persönlichen Freiheit gerechtfertigt ist oder nicht. Aus der Blickrichtung der Verteidigung Von Rechtsanwalt Dr. GERHARD PEIN, Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte im Bezirk Erfurt Die demokratische Gesetzlichkeit erfordert eine echte, aktive Mitarbeit des Verteidigers in Strafsachen um des Schutzes der Rechte des Angeklagten willen. Diese aktive Mitarbeit setzt auf seiten des Verteidigers die Kenntnis seiner wahren Funktion, auf seiten der Staatsanwaltschaft und des Gerichts die richtige Einschätzung dieser Mitarbeit voraus. Es haben in der Vergangenheit sicherlich vereinzelt Verteidiger ihre Aufgabe insofern verkannt, als sie sich in eine passive Stellung begaben oder drängen ließen, insbesondere dort, wo in der Hauptverhandlung sich Ansätze zeigten zu einer vorweggenommenen Charakterisierung oder Diskriminierung des Angeklafften. Mit der strikten Absage an eine darauf abgestellte Verhandlungsführung (vgl. dazu N.T 1956 S. 425) ist die erste Voraussetzung für die Überwindung dieser mangelhaften Arbeit des Verteidigers beseitigt. Die zweite Voraussetzung liegt in der inneren Anerkennung der Verteidigung als Organ der Rechtspflege, in der Erkenntnis, daß ihre aktive Mitwirkung zur Findung der Wahrheit unerläßlich ist, und daß sie keinesfalls auch nur gefühlsmäßig als „überflüssig“, wenn nicht gar störend empfunden werden darf.’ Dabei hat es in der Vergangenheit an der grundsätzlichen Anerkennung der Aufgabe des Verteidigers als Organ der Rechtspflege keineswegs gefehlt (vgl. Benjamin, NJ 1951 S. 51 ff.). Die von dort ausgehende Ermutigung hat jedoch nicht die erwarteten Früchte getragen. Auch die veränderte Situation in der Anwaltschaft nach Gründung der Anwaltskollegien hat bisher keinen wirklich durchgreifenden Wandel herbeiführen können. Es ist deshalb zu begrüßen, daß nunmehr wiederholt von maßgebender Seite auf die Bedeutung und Stellung der Verteidigung im Strafprozeß hingewiesen worden ist, insbesondere auch auf die Notwendigkeit, sich mit den Argumenten der Verteidigung in den Entscheidungen auseinanderzusetzen. Als Ausdruck eines echten Wandels darf es gewertet werden, wenn Ranke (NJ 1956 S. 441) in den Vordergrund seiner Betrachtungen das unmittelbare Fragerecht des Angeklagten an Zeugen und Sachverständige stellt. Dieses unmittelbare Fragerecht müßte naturgemäß auch dem Verteidiger, diesem sogar noch eher als dem Angeklagten, wieder zugestanden werden. Bisher ist dem Verteidiger oft das Recht der direkten Frage vom Vorsitzenden zugestanden worden. Aber allein der Umstand, daß der Verteidiger im Gegensatz zum Staatsanwalt um diese Erlaubnis erst nachsuchen muß, zeigt jedermann offenkundig seine mindere Stellung. Diese Minderstellung aber läuft dem Parteiprinzip, von dem unser Strafprozeß beherrscht ist, zuwider. Gerade wenn es darauf ankommt, an den Angeklagten, den Zeugen, den Sachverständigen Fragen zu richten, kann es der sorgfältige Verteidiger erleben, daß ihm dies durch das Gericht aus voreiliger Sorge abgeschnitten wird, ein scheinbar bereits durch Fragen des Gerichts und Staatsanwalts gesichertes Beweisergebnis zu verwirren. Dabei kann eine solche Besorgnis nur dort auf-kommen, wo der Feststellung des Tatbestands nicht die für jedes Prozeßverfahren überragende Bedeutung zuerkannt wird und wo eine verfrühte Beweiswürdigung Platz greift. Der Verteidiger sollte das Vertrauen des Gesetzgebers genießen und das direkte Fragerecht erhalten. Mißbräuchliche, nicht zur Sache gehörige oder gar ungehörige Fragen zurückzuweisen, bleibt stets Recht und Pflicht des Vorsitzenden (§ 201 Abs. 4 StPO). Die Gewährung des unmittelbaren Fragerechts an den Verteidiger ist von grundsätzlicher Bedeutung für die richtige Einschätzung seiner Stellung im Prozeß und sollte ihm auch dann gewährt werden, wenn man sich nicht dazu entschließen könnte, dem Angeklagten selbst ein direktes Fragerecht zuzugestehen. , Die Verkennung der Stellung des Verteidigers tritt weiter auch dort zutage, wo ihm die Entscheidungen des Gerichts im Strafprozeß nicht zugestellt werden. Der Verteidiger erhält, wenn sich der Angeklagte in Haft befindet, auch die dem Angeklagten zugestellten Ent- 77 6;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 776 (NJ DDR 1956, S. 776) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 776 (NJ DDR 1956, S. 776)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

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