Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 774

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 774 (NJ DDR 1956, S. 774); den Folgen einer Fristversäumung gewährt, weil die Haftanstalt eine Haftbeschwerde so nachlässig weitergeleitet hatte, daß diese erst nach Fristablauf zum zuständigen Gericht gelangte. Sind nun wie das Oberste Gericht meint Nachlässigkeiten des Verteidigers für den Angeklagten keine „objektiven Hindernisse“? Seinem Wesen nach soll § 37 StPO den Prozeßparteien die Rechtsausübung garantieren, soweit diese im Interesse der Prozeßbeschleunigung nur zeitlich begrenzt möglich ist. Die Garantie ist allerdings nur dann am Platze, wenn objektiv die fristgemäße Rechtsausübung nicht möglich war, und sie hat nur für denjenigen Bedeutung, den die Folgen der Fristversäumung, der Verlust der zeitlich beschränkten Prozeßhandlung, treffen. Versäumt ein Verteidiger eine Frist, zu deren Wahrung er vom Angeklagten allgemein mit der Be-vollmächtiguhg beauftragt war, so wird nicht er, sondern der Angeklagte in seinem Interesse beeinträchtigt, denn dieser ist zur Fristwahrung verpflichtet und trägt deshalb auch die Folgen eines pflichtwidrigen Verhaltens. Das Oberste Gericht hat zutreffenderweise die „unabwendbaren Zufälle“ als objektive Hindernisse bezeichnet, aber nicht ausgesprochen, für wen es objektive Hindernisse sein müssen. Man kann nur vermuten, daß es den Angeklagten gemeinsam mit dem Verteidiger als eine Prozeßpartei betrachtet und daraus ableitet, daß es für das Versagen der Vergünstigung des § 37 StPO gleichgültig ist, welcher Partner dieser gemeinsamen Prozeßpartei an der Fristversäumung schuld ist. M. E. verkennt das Oberste Gericht dabei die Rolle des Verteidigers im Strafprozeß, die durch sein Verhältnis zu unserem Staat und zu dem Angeklagten bestimmt wird. Sich der Hilfe eines Verteidigers zu bedienen, ist das gesetzlich gewährleistete Recht des Angeklagten. Das Vertrauen des Angeklagten, daß er sich unbedenklich auf seinen Verteidiger verlassen kann und daß ihm durch die Beauftragung eines Verteidigers keine Nachteile erwachseri können, ermöglicht es diesem, tatsächlich zur Rechtsfindung und somit zur Erfüllung einer gesellschaftlichen Aufgabe beizutragen. Die Beziehungen zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger werden jedoch beeinträchtigt, wenn der Angeklagte letzten Endes für Pflichtwidrigkeiten des Verteidigers bei der Fristwahrung haften muß. Pflichtwidrigkeiten anderer Rechtspflegeorgane (z. B. unzulängliche Rechtsmittelbelehrung usw.), soweit sie ausnahmsweise eine Fristversäumung verursacht haben, werden in der Praxis als Gründe für die Befreiung von den Folgen einer Fristversäumung anerkannt. Eine unterschiedliche Behandlung von Unachtsamkeiten der staatlichen Rechtspflegeorgane und denen der Rechtsanwaltschaft wie sie die Entscheidung des Obersten Gerichts zum Ausdruck bringt bedeutet, der Rechtsanwaltschaft eine mindere Stellung einzuräumen als den anderen Rechtspflegeorganen. Wenn § 85 ZPO für den Zivilprozeß die Regelung enthält, daß Handlungen des Prozeßbevollmächtigten prozessual für und gegen die vertretene Partei wirken, dann mag diese Bestimmung dort angebracht sein. Bei Zivilstreitigkeiten geht es überwiegend um finanzielle Ansprüche. Pflichtwidrigkeiten des Prozeßbevollmächtigten, die sich zum Nachteil der vertretenen Partei auswirken, können deshalb zwar nicht immer (z. B. bei Gestaltungsklagen), aber doch meistens im Wege des Regresses ausgeglichen werden. Im Strafprozeß dagegen ist ein Ausgleich im Innenverhältnis nicht möglich. Wenn z. B. der Verteidiger die Berufungsfrist versäumt hat und der Angeklagte deshalb die erkannte Strafe verbüßen muß, dann kann der Freiheitsentzug nicht nachträglich durch eine finanzielle Leistung des Verteidigers wiedergutgemacht werden. Schließt man sich also der Meinung der Obersten Gerichts an, dann kommt man unweigerlich zu einem der Strafrechtspflege widersprechenden Ergebnis, nämlich dem, daß der zur Fristwahrung Verpflichtete, ohne selbst pflichtwidrig gehandelt zu haben, infolge fremden Verschuldens benachteiligt, ja, in Einzelfällen bestraft wird (z. B. wenn eine verurteilende Entscheidung bei einem zulässigen Rechtsmittel hätte aufgehoben werden müssen). Wenn im Bereich des Verteidigers durch Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit Fristen versäumt werden, durch welche der Angeklagte von der vorzunehmenden Prozeßhandlung ausgeschlossen wird, dann kann für das Gewähren der Vergünstigung nach § 37 StPO nur entscheidend sein, ob der Angeklagte tatsächlich in der Lage war, das Versäumnis seines Verteidigers zu verhindern oder nicht. Die eigene Sorglosigkeit des Angeklagten kann nicht darin gefunden werden, daß er seinen Verteidiger nicht kontrolliert, deshalb von dessen Pflichtwidrigkeit keine Kenntnis erlangt und somit nichts zu deren Beseitigung unternimmt. Eine Kontrolle des Verteidigers durch den Angeklagten zu verlangen, würde bedeuten, die Sorgfaltspflichten zu überspannen. Für den Angeklagten, der ja die Folgen der Fristversäumung zu tragen hat, ist somit die Nachlässigkeit im Bereich des Verteidigers immer ein „objektives Hindernis“, welches die Vergünstigung des § 37 StPO herbeiführen muß. Demgegenüber ist es m. E. auch nicht stichhaltig, wenn sich das Oberste Gericht zur Unterstützung seiner Argumentation mit auf § 37 Satz 2 StPO beruft. Wenn das Gesetz ausdrücklich die unverschuldete Unkenntnis von einer Zustellung als unabwendbaren Zufall bezeichnet, dann nur, um diesen Fall, der in der Praxis öfter als das Vorliegen anderer Gründe erscheinen kann, gleich den Naturereignissen als Beispiel aufzuführen. Nicht kann m. E. daraus abgeleitet werden, daß es Fälle gibt, bei denen die Beseitigung nachteiliger Folgen zu versagen ist, obwohl den Angeklagten selbst kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Das Oberste Gericht führt ferner aus, daß der Anwendungsbereich des § 37 StPO eng gehalten werden müsse, um das „Prinzip der zeitlichen Konzentration des Strafverfahrens konsequent durchzusetzen“. Die Nichtanerkennung von Nachlässigkeiten des Verteidigers bedeute eine Garantie für die peinliche Einhaltung der Fristen. Die Einengung des § 37 StPO soll also nach Meinung des Obersten Gerichts als Erziehungsmittel dienen. Da eigene Nachlässigkeiten des Angeklagten aber noch niemals ein Befreiungsgrund i. S. des § 37 StPO waren, kann mit dieser strengen Regelung nur die Erziehung des Verteidigers zur gewissenhaften Fristeinhaltung bezweckt sein. Bei diesem ist allerdings das Mittel verfehlt, denn ihm erwachsen ja aus der Versagung der Befreiung von den Folgen einer Fristversäumung keine Nachteile. Er kann höchstens einige Mandanten verlieren, die befürchten, gleichfalls die Rechnung für Nachlässigkeiten ihres Rechtsanwalts bezahlen zu müssen. Wenn in Einzelfällen die Erziehung von Rechtsanwälten zur gewissenhaften Ausübung ihres Berufs und dazu gehört die sorgfältige Beachtung der Prozeßfristen noch erforderlich ist, dann ist der Weg über die Rechtsanwaltskollegien oder die Justizverwaltung zu wählen. Da auch im Strafprozeß jeder für sein eigenes Verhalten einzustehen hat, ist es nicht angängig, aus einer Zwecksetzung heraus, wie sie im Beschluß des Obersten Gerichts angedeutet wird, die Verantwortung für Nachlässigkeiten des Verteidigers auf dessen Mandanten zu verlagern. Die umfassende Gewährleistung des Rechts auf Verteidigung und Wahrung der Rechte der Bürger im Strafverfahren erfordern es vielmehr, Nachlässigkeiten und Büroversäumnisse des Verteidigers dann als „objektive Hindernisse“ für den Angeklagten anzuerkennen, wenn er nicht gegen die eigenen Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Eine solche Regelung besteht beispielsweise in der Volksrepublik Polen. Nach der Rechtsprechung des dortigen Obersten Gerichts darf jede Säumnis des Verteidigers oder jede unrichtige Ausübung seiner Pflichten dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, wenn dieser an der Pflichtwidrigkeit seines Verteidigers schuldlos ist1). b vgl. „Über die Rechtsanwaltschaft in der Volksdemokratie“, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, Berlin 1956, S. 13. 774;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 774 (NJ DDR 1956, S. 774) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 774 (NJ DDR 1956, S. 774)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit herauszuarbeiten. Möglich!:eiten der politisch-operativ effektiven Nutzung der Regelungen des für die Ingangsetzung eines Prüfunnsverfahrens durch die Untersuchunosoroane Staatssicherheit. Die Durchführung eines strafprozessuslen Prüfuncisverfahrar. durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit in Ermittlungsverfahren mit Haft bearbeiteten Personen hat eine, wenn auch differenzierte, so doch aber feindlieh-negative Einstellung. Diese feindlich-negative Einstellung richtet sich gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung dazu aufforderte, ich durch Eingaben an staatliche Organe gegen das System zur Wehr zu setzen. Diese Äußerung wurde vom Prozeßgericht als relevantes Handeln im Sinne des Strafgesetzbuch vorliegt - als Ordnungswidrigkeit zügig und mit angemessener Ordnungsstrafe verfolgt werden. Nach wie vor werden die entsprechenden Genehmigungen durch das Ministerium des Innern, die Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchunqshaftanstalt. Bei der Gewährleistung der allseitigen Sicherheiter Unter- tivitäten feindlich-negativer Personen sind die potenzenaer zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei oder der Nationalen Volksarmee oder anderen Übernahme Übergabesteilen. Der Gefangenentransport erfolgt auf: Antrag des zuständigen Staatsanwaltes, Antrag des zuständigen Gerichtes, Weisung des Leiters der Abteilung. Der Leiter hat sich vor der Vorführung von Inhaftierten zu Arztvorstellungen und medizinischen Behandlungen mit der Untersuchungsabteilung zu konsultieren.

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