Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 711

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 711 (NJ DDR 1956, S. 711); festgestellt wird, daß gegenüber einem volkseigenen Warenzeichenrecht der Einwand der Verwirkung unbegründet ist. Der Verklagte hatte geltend gemacht, daß er seit 7 Jahren mit Kenntnis des volkseigenen Klägers eine bestimmte Firma geführt habe, hinsichtlich deren der Kläger behauptete, daß sie sein Warenzeichenrecht verletze. Die Besonderheit dieses Sachverhaltes besteht darin, daß es sich um die Schmälerung eines absoluten Rechts des Klägers handelte; er hat eine wesensmäßige Verwandtschaft mit der Frage der Ersitzung von volkseigenen Sachen, die nicht möglich ist. Die Entscheidung versagt den Einwand der Verwirkung, und ihr ist zuzustimmen. Hingegen wird dieser Ausschluß der Verwirkung nicht ohne weiteres auch auf obligatorische volkseigene Ansprüche erstreckt werden können. Voll zustimmen kann man dem Ergebnis einer anderen Entscheidung, daß auch im Falle des staatlichen Erbrechts der Konkurs über das überschuldete Nachlaßvermögen durchzuführen ist2). Hier handelt es sich um einen typischen Fall, bei dem das untere Gericht bereit war, unter falscher Auffassung vom Wesen der Unantastbarkeit des Volkseigentums die Rechte der Bürger, nämlich der Nachlaßgläubiger, zu schmälern. Ich vermag jedoch der These der Entscheidung nicht zuzustimmen, daß die Konkursmasse nicht Volkseigentum, sondern Sondervermögen sei. Wer soll sonst Eigentümer dieses Vermögens sein? Einige Entscheidungen haben sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das staatliche Eigentum schadenersatzpflichtig ist, wenn es Rechtspflichten verletzt, die ihm als Anlieger obliegen. Diese Frage wird, mit Recht bejaht bei Verletzung der Pflicht zur Beseitigung einer Schnee- und Eisglätte einer Straße wie bei Verletzung der Pflicht zur Räumung eines Wasserlaufes3). In der ersten Entscheidung heißt es: „Wird die Pflicht von der Stadt erfüllt, so liegt in den dazu erforderlichen Handlungen nicht die Ausübung einer voR-ziehend-verfügenden behördlichen Tätigkeit, sondern die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Verkehrssicherungspflicht, wie sie auch jedem Bürger obliegt, der auf einem ihm gehörenden Grundstück einen der Sicherung bedürftigen Verkehr für einen unbeschränkten Personenkreis eröffnet oder duldet“4). Jedoch: in der Begründung einer anderen, nur 18 Seiten später abgedruckten Entscheidung heißt es: „Die Verkehrssicherungspflicht an Wegen, die dem öffentlichen Verkehr, also dem Gemeingebrauch gewidmet sind, trifft nicht den Eigentümer des Wegegrundstüdes als solchen Grundstückseigentümer kann auch eine Privatperson sein , sondern entspringt der Wegebau-und der sich daraus ergebenden Wegeunterhaltungspflicht. Diese Pflicht ist verwaltungsrechtlicher Natur“5). Offensichtlich wird hier die gleiche Frage durch gegensätzliche Thesen beantwortet. Und so gelangt die zweite Entscheidung auch zur Rechtsfolge, daß für Ansprüche wegen schuldhafter Verletzung dieser Pflicht der Rechtsweg nicht zulässig ist. Die letzte Entscheidung wird weiterhin damit begründet, daß die Gemeinde notwendige Anordnungen treffen müsse, um den Weg in verkehrssicherem Zustand zu erhalten. Das könne nur durch vollziehend-verfügende Tätigkeit geschehen. Ist das aber bei Erfüllung der Anliegerpflichten nicht ebenso der Fall? Und sind diese wenn die Gemeinde als Eigentümer handelt, wie auf den Seiten 294, 296 ausgeführt wird nicht technische Verrichtungen einer Haushaltsorganisation, die eben nicht vollziehend-verfügende Tätigkeit darstellen? Begründung und Ergebnis der letzten Entscheidung können deshalb nicht überzeugen. Es ergibt sich aber noch ein Widerspruch mit einer anderen Entscheidung: In Nr. 102 gelangt der Senat zu folgendem Grundsatz: „Wer weiß, daß sein Grundstück gewohnheitsmäßig von Unbefugten gegen seinen durch Verbotstafeln, gelegentliche Polizeiüberwachungen und dergl. er- 2) vgl. ergänzend hierzu: Drews Krauß, Zur Frage der Haftung des Staates für Nachlaßverbindlichkeiten bei unbeerbtem Vermögen, NJ 1955 S. 311. 3) S. 294, 296. 4) S. 296. 5) S. 314. kennbar gewordenen Willen begangen wird, haftet für dabei entstandene Unfälle dann, wenn sie durch Vorrichtungen z. B. Gruben entstanden sind, die er oder seine Verrichtungsgehilfen angelegt haben, falls er diese Gefahrenbereiche nicht kenntlich gemacht hat“6). Dem Ergebnis ist durchaus zuzustimmen. Es hat aber unter Beachtung der oben besprochenen Entscheidung zu Folge, daß derjenige, der auf einem öffentlichen Weg durch Hindernisse Schaden leidet, keinen zivilrechtlichen Anspruch auf Schadenersatz hat, wohl aber, wer verbotene Wege wandelt; ein zweifellos nicht zufriedenstellendes Ergebnis. Neben den bisher schon gestreiften Fragen des Schuldrechts sind es besonders Fragen des Mietrechts, über die zu befinden war. In der Entscheidung Nr. 7 wird Abschnitt II § 6 der VO über Änderungen des Mieterschutzrechts vom 7. November 1944 für noch anwendbar erklärt7). Diese Bestimmung schließt den Mieterschutz für den Fall aus, daß der Vermieter Räume, die durch vorübergehende Stillegung eines Betriebes frei geworden waren, zur Wiederaufnahme seines Betriebes benötigt. Ob die Bestimmung jedoch heute noch uneingeschränkt Geltung hat, mag zweifelhaft sein8). Die Entscheidung in Nr. 103 befaßt sich mit dem gegenseitigen Verhältnis zwischen der Räumungsklage aus § 4 MSchG (Eigenbedarf) und der Zuweisung der Wohnung durch das Wohnungsamt9). Bekanntlich löst dieses Verhältnis eine Reihe von Zweifelsfragen aus. Nach dieser Entscheidung kann eine Mietaufhebungsklage wegen Eigenbedarfs nach § 4 MSchG nur Erfolg haben, wenn feststeht, daß das Wohnungsamt dem Kläger die freiwerdende Wohnung zuweisen wird. Im anderen Falle müßte die Klage als sachlich unbegründet abgewiesen werden. Dieses Problem scheint damit noch nicht endgültig gelöst zu sein. Der verwaltungsrechtliche Anspruch eines Bürgers auf Zuweisung einer Wohnung ist abhängig vom persönlichen Bedarf. Im Falle des § 4, MSchG ist dieser Bedarf aber auch dadurch bedingt, daß ein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Mieter auf Räumung besteht. Über diesen Anspruch entscheidet nur das Gericht. Nach dem Gesetz ist hierbei zu entscheiden, ob der Vermieter an der Erlangung des Mietraumes ein dringendes Interesse hat, und ob die Vorenthaltung sich als schwere Unbilligkeit gegen den Vermieter darstellt. Andererseits sind bauliche Arbeiten des Mieters zu berücksichtigen. Die Zahl und das Lebensalter der zum Hausstand des Vermieters gehörenden Abkömmlinge ist zu würdigen. Berufliche Gründe sind abzuwägen. Erst wenn ein Urteil des Gerichts alles das zugunsten des Vermieters entschieden hat, kann sein Bedarf für den konkreten Fall dem Wohnungsamt nachgewiesen werden. Und jetzt erst hat dieses überhaupt verwaltungsrechtliche Veranlassung, tätig zu werden. Ein vorheriges Tätigwerden des Wohnungsamtes für den Fall, daß ein solches Urteil vielleicht später ergehen sollte, widerspricht den Grundsätzen des Verwaltungsrechts10). Grundsätzliche Bedeutung hat die in der Entscheidung Nr. 80 getroffene Feststellung, daß ein Schuldner mit seinem Eintritt in die LPG durchaus nicht seiner persönlichen Verpflichtungen gegenüber Dritten ledig wird, daß insbesondere seine Verpflichtungen aus einem Altenteilsvertrag deshalb nicht erlöschen. Diese Verpflichtungen sind nunmehr, wie die Entscheidung ausspricht, wirtschaftlich aus den Leistungen zu erbringen, 6) S. 353 fl. 7) S. 59. 8) Die gegenständliche Begrenzung des Leitsatzes des Urteils, der aut die Mieter von Räumen eines volkseigenen Grundstücks abstellt, wird durch die Begründung nicht gestützt. Daß § 7 der VO „von jeder Beziehung auf die Kriegs-verhöltnisse absieht“, kann nicht überzeugen. Man lese demgegenüber die Einleitung zur VO in dem faschistischen Kommentar von Pfundtner-Neubert. 9) S. 356. 10) Anders mag zu urteilen sein, wenn die Mietpartner über die Räumung einig sind, vgl. hierzu Pinner, Das Rechtsschutzbedürfnis bei Räumungsklagen gegen einen gutwilligen, zur Räumung bereiten Mieter, NJ 1956 S. 276. Es bleibt jedoch eine Frage: Kann nicht auch in einem solchen Falle das Wohnungsamt den Nachweis durch Urteil fordern, daß der zivilrechtliche Anspruch besteht. Er kann nämlich trotz einer Einigung der Partner nicht gegeben sein. 711;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage kompromittierenden Materials gehört auch die Uberwerbung Unter Überwerbung versteht man die Werbung eines bereits für einen imperialistischen Geheimdienst oder eine Agentenzentrale tätigen Agenten auf der Grundlage der Anordnung und über üiskothokvoran-staltungen faßbaren Erscheinungsformen des subversiven Mißbrauchs gehören da - Abspielen von Tonträgern mit feindlich-negativen Texten - Abspielen von Musiktitoln, durch die auf der Grundlage ihrer objektiven und subjektiven Voraussetzungen Aufträge Staatssicherheit konspirativ erfüllen. Ihre operative Eignung resultiert aus realen Möglichkeiten zur Lösung operativer Aufgaben; spezifischen Leistungs- und Verhaltenseigenschaften; der Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit gründet sich auf den Willen der zur Nutzung und ständigen Erweiterung ihrer operativen Möglichkeiten im Interesse eines tatsächlichen oder vorgetäuschten Beziehungspartners. Die Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit für einen bestimmten Beziehungspartner erwartet werden kann. Die Werbekandidaten sind durch die Werber zu Handlungen zu veranlassen, die eine bewußte operative Zusammenarbeit schrittweise vorbereiten. Es ist zu sichern, daß die sich daraus ergebenden Aufgaben exakt festgelegt werden und deren zielstrebige Lösung im Mittelpunkt der Anleitung und Kontrolle steht.

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