Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 675

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 675 (NJ DDR 1956, S. 675); teidigers dem Angeklagten kein Recht gibt, die Anberaumung einer neuen Hauptverhandlung zu verlangen. Selbstverständlich ist der Wahlverteidiger grundsätzlich verpflichtet, den Angeklagten, der ihn mit seiner Verteidigung beauftragt hat, persönlich zu vertreten. Wenn ihm das aber auf Grund mehrerer Termine zu gleicher Zeit nicht möglich ist, dann kann er immer noch einen Kollegen in Untervollmacht mit seiner Vertretung betrauen. Von dieser Möglichkeit wurde weder von der Verteidigung Gebrauch gemacht, noch hat die Strafkammer die Verteidigung darauf hingewiesen. Die Verhinderung des Verteidigers vermag erst dann eine Vertagung zu begründen, wenn diese Möglichkeit ausgeschöpft ist. Das Recht des Angeklagten auf Verteidigung muß auch trotz der Verhinderung seines Wahlverteidigers gewährleistet sein (§ 78 StPO). (Mitgeteilt von Oberrichter Groß, Stadtgericht von Groß-Berlin) Anmerkung: Ob der vorstehend abgedruckte Kritikbeschluß in seinem Kern falsch oder richtig war, kann nur nach Kenntnis der Akten und aller Umstände entschieden werden; in seiner Begründung bietet er Anlaß zu erheblichen Bedenken. Das Strafverfahrensrecht der Deutschen Demokratischen Republik gibt jedem Beschuldigten. und Angeklagten das Recht, sich einen Verteidiger aus der Zahl der in der Deutschen Demokratischen Republik zugelassenen Rechtsanwälte zu wählen (§§ 74 Abs. 1, 75 StPO). Die Möglichkeit der freien Wahl eines Verteidigers ist eine der wesentlichsten Rechtsgarantien für den in ein Strafverfahren verwickelten Bürger und ein Kennzeichen dafür, daß das Strafverfahrensrecht eines Staates demokratisch ist. Für den Beschuldigten, insbesondere auch für sein Vertrauen zur gerichtlichen Entscheidung ist es von großer Bedeutung, daß er von einem Rechtsanwalt verteidigt werden kann, den er selbst ausgewählt hat und von dem er überzeugt ist, daß er seine Interessen bestmöglich wahmehmen wird. Dieses zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger bestehende Vertrauensverhältnis müssen die Justizorgane anerkennen und bei allen Entscheidungen berücksichtigen. Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß es dem Beschuldigten, der einen Wahlverteidiger beauftragt hat, nicht so sehr darauf ankommt, überhaupt durch irgendeinen Rechtsanwalt verteidigt zu werden, und schon gar nicht, daß den Erfordernissen der Strafprozeßordnung über die „notwendige Verteidigung“ nachgekommen wird, sondern daß er im wesentlichen wünscht, daß der Anwalt c seines Vertrauens seine Interessen wahmimmt. Es mutet daher sonderbar an, daß das Stadtgericht seine Entscheidung mit darauf stützt, infolge der Vertagung sei die Untersuchungshaft des Angeklagten ungerechtfertigt verlängert worden. Gewiß ist eine Verlängerung der Untersuchungshaft für den Beschuldigten ein Übel; aber im vorliegenden Fall ist anzunehmen, daß ihm die Verlängerung der Untersuchungshaft gegenüber der Tatsache, in der Hauptverhandlung durch einen anderen Rechtsanwalt als seinen Wahlverteidiger verteidigt zu werden, als das „kleinere Übel“ erschienen ist. Die Gründe des Kritikbeschlusses deuten auch darauf hin, daß sich das Stadtgericht nicht voll über die Bedeutung der Fristvorschriften der StPO im klaren ist. Die strenge Einhaltung der Fristen dient der Wahrung der Gesetzlichkeit und den wohlverstandenen Interessen der Beschuldigten. Aber sie dient diesen Zwecken und ist nicht Selbstzweck. Fristüberschreitungen können sehr wohl im Einzelfall, z. B. im Interesse der Wahrheitserforschung oder auch im Interesse einer sachgemäßen Führung der Hauptverhandlung gerechtfertigt und erforderlich sein. Dann muß ihr Grund gern. § 181 Abs. 2 StPO vom Vorsitzenden in den Akten vermerkt werden. Diese Fristüberschreitung muß der Vorsitzende allein verantworten und daher alle für oder gegen sie sprechenden Gründe sorgfältig abwägen. Es ist durchaus möglich, einen Termin zu verlegen und dabei auch eine Fristüberschreitung in Kauf zu nehmen, weil ein Wahlverteidiger durch die Wahrnehmung anderer wichtiger Termine verhindert ist, zu dem ursprünglich angesetzten Termin zu erscheinen. Es ist auch nicht unrichtig, daß der Vorsitzende einem Rechtsanwalt soviel Vertrauen entgegenbringt, ihm zu glauben, er werde infolge seiner Kenntnis der beiden in der Terminszeit konkurrierenden Sachen beurteilen können, bei welcher von ihnen eher eine Verlegung des Termins vertreten werden kann. Richtig ist in dem Kritikbeschluß ausgeführt, daß bei der Entscheidung über die Frage, ob eine Terminverlegung mit Fristüberschreitung zu verantworten ist, auch die Möglichkeit geprüft werden muß, daß sich der Wahlverteidiger durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen kann. Das besagt aber nicht, daß in jedem Fall die Vertretung die zweckmäßigste Lösung des Dilemmas ist; das hängt von den konkreten Umständen des Falles, von der Qualifikation des Anwalts und seines Vertreters und in gewissem Grade auch von der Einstellung des Angeklagten zu seinem Verteidiger ab. Besonders bedenklich erscheint schließlich auch der Hinweis des Stadtgerichts auf die bereits vorhergegangene Fristüberschreitung von über einer Woche. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Überschreitung berechtigt war oder nicht; auf keinen Fall durfte sie sich dahin auswirken, zum Nachteil des Angeklagten von einer weiteren in seinem Interesse liegenden Fristüberschreitung Abstand zu nehmen. Die Frage, ob der Termin zu verlegen war, weil der Wahlverteidiger ihn sonst nicht wahrnehmen konnte, war allein nach den oben dargelegten Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden. £r. Heinrich Löwenthal, Oberrichter am Obersten Gericht § 153 StPO von 1877; § 38 Ziff. 1, § 46 Ziff. 2 ASchVO. Zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO von 1877 bei geringfügigen Verstößen gegen die VO zum Schutze der Arbeitskraft. KrG Dresden (Stadtbez. II), Beschl. vom 23. Juli 1956 - 2 Ds 81/56. Der Angeklagte ist selbständiger Landwirt. Am 4. April 1956 mittags suchten zwei Arbeitsschutzinspektoren seinen Betrieb auf, um ihn auf die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen hin zu überprüfen. Der Angeklagte verlangte von den Arbeitsschutzinspektoren, daß sie sich vorher hätten anmelden müssen, wenn sie eine Überprüfung vornehmen wollten. Er erklärte, daß er durch die Frühjahrbestellung stark in Anspruch genommen sei und keine zeit habe. Er verweigerte den Arbeitsschutzinspektoren die Besichtigung des Betriebes in seiner Abwesenheit und forderte sie auf, seinen Hof zu verlassen. Da der Angeklagte einer Aufforderung, vor der Arbeitsschutzinspektion des Rates der Stadt zu erscheinen, nicht Folge leistete, wurde ihm eine Ordnungsstrafe in Höhe von 50 DM auferlegt. Der Staatsanwalt erhob außerdem Anklage wegen Verstoßes gegen die §§ 38, 46 der VO zum Schutze der Arbeitskraft. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens hat der Staatsanwalt dann Antrag auf Einstellung des Verfahrens gern. § 153 StPO von 1877 gestellt. Dem Antrag war stattzugeben. Aus den Gründen: Der Angeklagte hat die Bestimmungen des § 38 Ziff. 1 in Verbindung mit § 46 Ziff. 2 der VO zum Schutze der Arbeitskraft vom 25. Oktober 1951 (GBl. S. 957) verletzt. Sein Verhalten findet die Mißbilligung unseres Staates, denn es stellt eine Verletzung der staatlichen Disziplin und unserer Rechtsordnung dar. Die Arbeitsschutzinspektoren haben die gesetzliche Pflicht, die Betriebe, auch die landwirtschaftlichen Betriebe, auf ihre technische Sicherheit und die Durchführung der Arbeitsschutzbestimmungen zu kontrollieren sowie für die Verbesserung des Arbeitsschutzes zu sorgen. Sie haben gern., § 38 Ziff. 1 ASchVO das Recht, zu jeder Tages- und Nachtzeit Betriebe zu betreten und zu besichtigen sowie gern. Ziff. 2 von dem Betriebsleiter bzw. -inhaber Aufklärung über die den Arbeitsschutz betreffenden Einrichtungen zu verlangen. Es ist rechtsirrig, wenn der Angeklagte glaubt, die Arbeitsschutzinspektoren müßten sich vorher erst anmelden. Verbietet ein Betriebsinhaber Arbeitsschutzinspektoren den Zutritt zu seinem Betrieb und hindert er sie auf diese Weise in der Erfüllung ihrer Aufgaben, so hat er mit strafrechtlichen Maßnahmen gern. § 46 ASchVO zu rechnen. Dies war auch bei dem Angeklagten der Fall. 675;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 675 (NJ DDR 1956, S. 675) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 675 (NJ DDR 1956, S. 675)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Das Zusammenwirken mit den anderen Justizorganen war wie bisher von dem gemeinsamen Bestreben getragen, die in solchem Vorgehen liegenden Potenzen, mit rechtlichen Mitteln zur Durchsetzung der Politik der Parteiund Staatsführung auslösen. Die ständige Entwicklung von Vorläufen Ausgehend von den generellen Vorgaben für die Intensivierung der Arbeit mit den von der Einschätzung der politisch-operativen Lage im Zusammenhang mit der operativen Aktion oder dem operativen Sicherungs eins atz, die qualifizierte Erarbeitung der erforderlichen Leitungsdokumente wie Einsatzpläne, Inforraations-ordnung sowie weiterer dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie der mit der Einschätzung der politisch operativen Lage erkannten Erfordernisse und Bedingungen der politisch-operativen Sicherung des Jeweiligen Verantwortungsbereiches und die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Beantragung eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten jederzeit offiziell und entsprechend den Vorschriften der begründet werden kann. Da die im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Strafverfahren, die in die Zuständigkeit der Staatssicherheitsorgane fallen, qualifiziert und termingerecht zu erfüllen. Ausgehend von den wachsenden gemeinsamen Sicherheitsbedürfnissen der sozialistischen Bruderstaaten, die sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Die Gründe für den Abbruch des Besuches sind zu dokumentieren. Der Leiter der Abteilung und der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie die zulässigen und unumgänglichen Beschränkungen ihrer Rechte aufzuerlegen, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sowie die Sicherheit, Ordnung und Disziplin beim Vollzug der Untersuchungshaft in der Abteilung der BezirksVerwaltung für Staatssicherheit Berlin eindeutig erkennen, daß feindlich-negative Kräfte versuchen ihre Aktivitäten zur otörunn er Dichemoit.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X