Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 656

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 656 (NJ DDR 1956, S. 656); Für das gerichtliche Verfahren I. Instanz ist das Problem der Pflicht zur Beweisführung nach dem Strafprozeßrecht der DDR m. E. folgendermaßen zu lösen: Gern. § 200 StPO hat das Gericht im Interesse der Feststellung der Wahrheit die Umstände und Folgen der Tat, die Persönlichkeit des Täters und seine Beweggründe allseitig zu erforschen und alle belastenden und entlastenden Umstände aufzuklären. Diese aktive Rolle des Gerichts findet ihre Erklärung darin, daß es ausgehend von der strengen Trennung der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der am Strafprozeß beteiligten Organe allein für die vollständige Untersuchung und Aufklärung der Sache, für die richtige und gerechte Entscheidung des Falles im gerichtlichen Verfahren verantwortlich ist. Das Gericht führt die erforderlichen Beweiserhebungen durch, es würdigt die vorgetragenen Tatsachen und ist auch berechtigt, die Strafsache dann, wenn es im Interesse der Erforschung der Wahrheit notwendig ist, zur Durchführung weiterer Ermittlungen in das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren zurückzuverweisen17). Bei der Lösung dieser, seiner Aufgabe der Erforschung der Wahrheit, der Feststellung aller tatsächlichen Umstände der Strafsache in voller und genauer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, wird das Gericht durch die Prozeßparteien unterstützt. Nach dem Strafprozeßrecht der DDR hat der Staatsanwalt die Anklage zu erheben und sie vor Gericht zu vertreten* 10). Aus dieser Regelung und dem die gerichtliche Hauptverhandlung bestimmenden Parteiprinzip folgt, daß der Staatsanwalt verpflichtet ist, die Richtigkeit und Begründetheit der von ihm erhobenen Anklage zu beweisen. Er hat im Rahmen der Beweisführung die Aufgabe, dem Gericht und dem Angeklagten die Tatsachen zu nennen, auf die er seine Anklage stützt, und die Übereinstimmung dieser Tatsachen mit der Wirklichkeit zu begründen bzw. die Beweismittel zu benennen, die die Richtigkeit der erhobenen Anklage bestätigen sollen. Diese Pflicht des Staatsanwalts, den Beweis für die Richtigkeit seiner Anklage zu führen, wird ergänzt durch das Recht des Angeklagten, die Tatsachen nachzuweisen, die er zu seiner Verteidigung und Entlastung zur Widerlegung der Anklage anführt. Zwar ist er dazu gesetzlich ebenso wenig verpflichtet wie etwa zum Nachweis seiner Unschuld, aber er hat das Recht a) entweder unmittelbar oder durch Vermittlung des Vorsitzenden des Gerichts Fragen an Mitangeklagte, Zeugen und Sachverständige zu richten (§ 201 Abs. 3 StPO)19); b) nach der Vernehmung jedes Zeugen, Sachverständigen und Mitangeklagten sowie nach der Verlesung jedes Schriftstückes und, insoweit sollte das Gesetz ergänzt werden, nach der Besichtigung jedes Beweisstückes Erklärungen abzugeben (§ 212 StPO); c) Beweisanträge zu stellen, denen das Gericht grundsätzlich stattzugeben hat (lediglich in den Fällen des § 202 StPO ist das Gericht berechtigt, den gestellten Beweisantrag durch Beschluß abzulehnen). Diese strafprozeß-gesetzliche Regelung der Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren bietet, genauso wie die Regelung des Ermittlungsverfahrens, keinerlei Anhaltspunkte für die Begründung einer Beweisführungspflicht des Angeklagten bzw. Beschuldigten. Abgesehen von dieser klaren gesetzlichen Regelung widerspricht die Annahme einer derartigen Beweisführungspflicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen des sozialistischen Strafprozeßrechts. Ihre allgemeine Anerkennung in der Praxis würde das Recht auf Verteidigung in eine Verteidigungspflicht verwandeln. Das ist mit dem konsequent demokratischen Charakter des sozialistischen Strafprozesses nicht zu vereinbaren. Weder der Beschuldigte noch der Angeklagte können zur Abgabe von Erklärungen gezwungen werden. Selbst wenn sie Fragen, die an sie gerichtet werden, nicht beantworten, kann und darf sich das, da es keine gesetzliche Pflicht des Angeklagten bzw. Beschuldigten zur Mitwirkung bei der Erforschung der Wahrheit gibt, im Hinblick auf Schuld oder Unschuld nicht gegen sie auswirken. , 17 vgl. §§ 172 Ziff. 2, 174 StPO. 10) vgl. §§ 18 StAG, 168, 198 StPO. 19) vgl. dazu Ranke, NJ 1956 S. 441 ff. Schließlich sind Wyschinskis Darlegungen zum Problem der Beweisführungspflicht widersprüchlich. Wy-schinski bejaht eine Beweisführungspflicht des Angeklagten und gleichzeitig erkennt er uneingeschränkt den Grundsatz „in dubio pro reo“ für den Strafprozeß an20). Ich möchte an dem Beispiel, das er selbst in seinem Buch gibt21), zeigen, wohin das führt. Wyschin-ski schildert einen Diebstahlsfall, in dem der Staatsanwalt die Beweise für die Wegnahme der Sachen erbracht hat. Der Angeklagte verteidigt sich mit der Behauptung, er habe zwar die Sachen weggenommen, aber, so sagte er, nur aus Scherz. Nach Wyschinskis Auffassung ist nunmehr der Angeklagte verpflichtet zu beweisen, daß seine Handlung tatsächlich nur ein Sdierz war. Dieses Beispiel ist in doppelter Hinsicht bedenklich. Aus ihm folgt einmal, daß dem Angeklagten hier die Beweisführungspflicht dafür auferlegt wird, daß er nicht mit Zueignungsabsicht handelte. Das bedeutet aber, daß der Staatsanwalt nicht die Schuld des Angeklagten bewiesen hat, sondern daß der Angeklagte praktisch verpflichtet wird, seine Unschuld zu beweisen. Zweitens ergibt sich aus diesem Beispiel folgende Situation: Nehmen wir an, dem Angeklagten gelingt der von ihm zu führende Beweis nicht vollständig. Es bleiben Zweifel offen, ob Zueignungsabsicht vorlag, oder ob es sich bei der Wegnahme tatsächlich um einen Scherz handelte. In diesem Falle müßten sich die bestehenden Zweifel zugunsten des Angeklagten auswirken. Dieses Ergebnis führt, wenn man es verallgemeinert, dazu, daß der Angeklagte durch die bloße Behauptung entlastender Umstände in vielen Fällen die Möglichkeit hätte, einen Freispruch mangels Beweises zu erreichen, denn der Angeklagte ist sowohl nach Art. 326 der StPO der RSFSR22) wie nach § 221 Ziff. 3 der StPO der DDR dann freizusprechen, wenn nicht bewiesen ist, daß er ein Verbrechen begangen hat. In der Tat würde die allgemeine Anerkennung einer Beweisführungspflicht des Angeklagten im Strafprozeß bedeuten, daß der Grundsatz „in dubio pro reo“ in allen Fällen, in denen die Beweisführungspflicht in Frage käme, gegenstandslos, ja, fehl am Platze wäre. Dieses Ergebnis ist falsch. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ hat eben das zeigt sich hier mit aller Deutlichkeit nur dann Sinn und Zweck, wenn man von der Beweisführungspflicht der staatlichen Organe der Strafrechtspflege ausgeht. Er ist m. E. die notwendige Konsequenz der Präsumtion der Unschuld. Kann diese im Strafprozeß auf dem vom Gesetz vorgeschriebenen Wege nicht überzeugend widerlegt werden, d. h. positiv ausgedrückt, kann die Schuld des Angeklagten durch die Organe der Strafrechtspflege nicht vollständig bewiesen werden, so wirken sich bestehende Zweifel zugunsten des Angeklagten aus. So ist auch unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Grundsätze des sozialistischen Strafprozesses eine Beweisführungspflicht des Angeklagten bzw. Beschuldigten grundsätzlich abzulehnen. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch einige Ausnahmen. Das materielle Strafrecht enthält verschiedene Bestimmungen, die hinsichtlich bestimmter Umstände eine Beweisführungspflicht des Angeklagten begründen. Es handelt sich um die §§ 10 WStVO23) und 18624), 259 StGB25 * *). Diese Vorschriften enthalten gesetzliche Vermutungen, die der Angeklagte, wenn sich bestehende Zweifel nicht zu seinen Ungunsten auswirken sollen, widerlegen muß, indem er den erforderlichen Beweis führt. So enthält z. B. § 259 StGB in der Formulierung „oder den Umständen nach annehmen muß“ die gesetzliche Vermutung des Vorsatzes des Hehlers. Danach ist der Nachweis der positiven Kenntnis des Hehlers 20) Wyschinski, a. a. O. S. 267. 21) Wyschinski, a. a. O. S. 258/259. 22) Art. 326 der Strafprozeßordnung der RSFSR lautet: „Das Gericht verkündet das Urteil . über die Freisprechung des Angeklagten in Fällen . ungenügender Beweise der Schuld des Angeklagten.“ 23) vgl. dazu Kermann, Materialien zum Strafrecht, Heft 4 (Verbrechen gegen die Volkswirtschaft), Berlin 1955, S. 72. 24) vgl. dazu Dressier/Naundorf, Materialien zum Strafrecht, Heft 2 (Verbrechen gegen die Person), Berlin 1955, S. 98/99. 25) vgl. dazu Hübner, Materialien zum Strafrecht, Heft 3 (Verbrechen gegen das gesellschaftliche, persönliche und pri- vate Eigentum) Berlin 1956, S. 70/71. 656;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl Personen Personen -Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesverräterische Nachricht enüb ermi lung, Land rrät sche Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Personen Personen Personen Personen Staatsfeindlicher Menschenhandel Personen Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die staatl und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-ve rle tzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, Jugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß der Sachverständige zu optimalen, für die Untersuchungsarbeit brauchbaren Aussagen gelangt, die insofern den Sicherheitserfordernissen und -bedürfnissen der sowie der Realisierung der davon abgeleiteten Aufgabe zur Vorbeugung, Aufdeckung und Bekämpfung von außen gegen die Untersuchungshaftanstalt gerich- teter Terrorhandlungen Entsprechend der spezifischen Aufgabenstellung arbeitet die Linie nicht nach außen mit inoffiziellen Kräften.

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