Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 645

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 645 (NJ DDR 1956, S. 645); NUMMER 21 JAHRGANG 10 ZEITSCHRIFT NEUEjüSfiZ FÜR RECHT W UND RECHTSWI BERLIN 1956 5. NOVEMBER SSENSCHAFT Neue Maßstäbe! Von WILLI SCHULZE, Staatsanwalt beim Generalstaatsanwalt der DDR Es ist jetzt fast sechs Monate her, daß in Auswertung des XX. Parteitages der KPdSU und der 3. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands festgestellt wurde, daß es notwendig ist, in der Strafjustiz zu anderen, der neuen politischen und ökonomischen Situation entsprechenden Maßstäben zu kommen. Mir scheint es Zeit zu sein, einmal zu prüfen, ob sich diese neuen Maßstfibe durchgesetzt haben. Ohne Zweifel hat sich insbesondere in der Strafjustiz manches geändert. Es ist nicht mehr so, daß wegen lächerlicher Bagatellen polizeiliche Untersuchungen eingeleitet, in vielen dieser Fälle auch Anklagen erhoben und unverhältnismäßig hohe Strafen ausgeworfen werden. Vor allem werden viel weniger Haftbefehle erlassen und Fahndungen ausgeschrieben. Die Bestimmungen der Strafprozeßordnung werden strenger beachtet und besonders die Rechte der Beschuldigten besser gewahrt. Die Strafen sind fast alle milder als in der Vergangenheit. Man kann auf den Gedanken kommen, es sei alles in Ordnung. Die neuen Maßstäbe haben sich durchgesetzt. Dieser Meinung sind auch viele Staatsanwälte und sicher auch Richter und Volkspolizisten. Bei genauerer Prüfung stoßen wir jedoch auf eine ganze Reihe so eigenartiger Beispiele und Anschauungen, daß wir jede Selbstzufriedenheit verlieren müssen Da wurden z. B. im Kreis Zossen am 28. August 1956 fünf junge Menschen, einer davon erst 16 Jahre alt, Ohne gründliche Prüfung und Würdigung der gegebenen Tatsachen wegen versuchten Totschlags in Haft genommen. Erst am 21. September 1956 wird festgestellt, daß der Sachverhalt .eine Anklage wegen versuchten Totschlages nicht rechtfertigt und die Untersuchungshaft nicht begründet ist. Die Bezirksstaatsanwaltschaft veranlaßte den lediglich vertretungsweise in diesem Kreis tätigen Staatsanwalt nicht zu äußerst sorgfältiger Prüfung, sondern bestärkte ihn dadurch noch in seinem Vorgehen, daß sie die Tat als „Schwerpunkt“ der Kriminalität bezeichnete. Im Kreis Hainichen wurde gegen ein 22jähriges Mädchen ein Verfahren wegen Diebstahls von 40 DM durchgeführt. Wozu aber mußte man aufgreifen, daß das Mädchen in ihrer vorherigen Arbeitsstelle, bei einem Fleischermeister, 10 DM aus der Kasse genommen hatte. Der Fleischer hatte sie dabei ertappt, ihr das Geld wieder abgenommen, sie sofort entlassen, jedoch keine Anzeige erstattet. Es ist kaum anzunehmen, daß er auf eine Anzeige verzichtet haben würde, wenn sie ihm notwendig erschienen wäre. In einem anderen Fall ist man der Meinung, daß die Verurteilte, eine alleinstehende Frau, Mutter von drei Kindern, die außerdem noch ihre Mutter zu unterstützen hat, unbedingt die Hälfte der ihr wegen Unterschlagung von etwa 300 DM auferlegten Gefängnisstrafe von vier Monaten verbüßen soll. Uber die Tatsache, daß diese Frau wegen der Unterschlagung vom VEB Kraftverkehr fristlos entlassen wurde und sicher nicht ohne Mühe eben erst einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat, glaubt man sich einfach hinwegsetzen zu können oder sogar zu müssen. In Döbeln wurde in einem Verfahren gegen eine Jugendliche nachgewiesen einer unserer Staatsanwälte dieses Kreises ist noch heute von diesem Nachweis nicht überzeugt , daß sie einen größeren Brand dadurch verursacht hat, daß sie aus dem Küchenherd herausgefallene Glut zwar entfernte, aber die Dielen nicht vorsorglich anfeuchtete. Es ist sehr fraglich, ob man hier den wirklich Schuldigen gefunden hat. Ich weiß nicht, ob bei ordnungsgemäßem Zustand der Feuerungsanlage der Brand überhaupt hätte entstehen können. Das Mädchen hat zwar „nur“ eine Verwarnung erhalten; wie nun aber, wenn jemand auf den Gedanken kommt, das Strafurteil zu benutzen, um das Mädchen für den noch immer recht erheblichen Schaden haftbar zu machen? Das sind nur Beispiele! Daß sie aus Zossen, Döbeln und Hainichen sind, sollte niemand verleiten zu glauben, daß es nur in diesen Kreisen solche Beispiele gibt. Es gibt mehr solche Fälle, die z. T. sogar in der Presse veröffentlicht waren. Es gibt aber auch Anschauungen, mit denen wir uns dringend auseinandersetzen müssen, wenn wir das verwirklichen wollen, was die Kommission des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in dem bekannten Artikel im „Neuen Deutschland“ „Alles für die Festigung der demokratischen Gesetzlichkeit“ dringend gefordert hat. So haben einige Staatsanwälte zwar sehr schnell gesehen, daß sich der Abgeordnete Karl Kleinschmidt in seinem Artikel über den Fall des „Hoppenrader Karten-legers“ in der „Berliner Zeitung“ auf Grund einseitiger Informationen hat zu Schlußfolgerungen hinreißen lassen, die unberechtigt und auch nicht mehr sehr sachlich waren; sie haben aber nicht daran gedacht, wirklich ernsthaft zu überprüfen, was die Staatsanwaltschaft in diesem Fall falsch gemacht hat. Ja, einige Staatsanwälte haben sogar mit dem Gedanken gespielt, ob man den Verfasser des Artikels nicht wegen Verleumdung „belangen“ könnte. Ist das nicht sehr kennzeichnend dafür, daß sich die neuen Maßstäbe bei uns noch nicht festgesetzt haben und noch manchesmal die Neigung vorhanden ist, wieder zu überspitzen und eine zwar etwas aus dem Rahmen gefallene, letzten Endes aber doch begründete Kritik sogar mit einer strafbaren Handlung zu verwechseln? Beweist das nicht, daß diese Genossen noch nicht begriffen haben, daß alle Bürger nicht zuletzt gerade die gewählten Volksvertreter das Recht haben, öffentlich zur Tätigkeit der Justiz Stellung zu nehmen und zu erwarten, daß auch über Fehler offen und ehrlich gesprochen wird? Oder gibt es vielleicht für die Sicherheitsorgane, für die Statasanwalt-schaft und die Justiz keine Verpflichtung zu offener Selbstkritik? Uber ein ähnliches Verhalten von Funktionären der Justiz und Volkspolizei in Berlin berichtete der Justizberichterstatter des „Neuen Deutschland“ auf der Tagung der Justizberichterstatter vom 19. Oktober 1956. Seine in einem Presseartikel geübte Kritik an schlechten polizeilichen Vernehmungs- und Protokollierungsmethoden wurde nicht sachlich ausgewertet und statt zur Uber- 645;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 645 (NJ DDR 1956, S. 645) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 645 (NJ DDR 1956, S. 645)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Der Leiter der Hauptabteilung wird von mir persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß die gründliche Einarbeitung der neu eingesetzten leitenden und mittleren leitenden Kader in kürzester Frist und in der erforderlichen Qualität erfolgt, sowie dafür, daß die gewissenhafte Auswahl und kontinuierliche Förderung weiterer geeigneter Kader für die Besetzung von Funktionen auf der Ebene der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und führenden Mitarbeiter ist auszurichten auf das Vertiefen der Klarheit über die Grundfragen der Politik der Parteiund Staatsführung zu leisten. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben ihre Führungs- und Leitungstätigkeit auf die Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge zu konzentrieren und zu gewährleisten, daß die Maßnahmen und Schritte zur kontinuierlichen und zielgerichteten Heiterführung der Arbeitsteilung -und Spezialisierung nicht zu strukturellen Verselbständigungen führen. Durch konkrete Maßnahmen und Festlegungen, vor allem in den Beratungen beim Leiter der vermittelt wurden, bewußt zu machen und schrittweise durchzusetzen. Zu diesem Zweck wurden insgesamt, Einsätze bei den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen sowie den örtlichen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Organisationen und Einrichtungen. Soweit zu einigen grundsätzlichen politisch-operativen Aufgaben, wie siesich aus den Veränderungen der Lage an der Staatsgrenze der und den daraus resultierenden politisch-operativen Konsequenzen und Aufgaben. Es handelt sich dabei vor allem um neue Aspekte der politischoperativen Lage an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Bearbeitung; den Einsatz qualifizierter erfahrener operativer Mitarbeiter und IM; den Einsatz spezieller Kräfte und Mittel. Die Leiter der Diensteinheiten, die Zentrale Operative Vorgänge bearbeiten, haben in Zusammenarbeit mit den zuständigen operativen Diensteinheiten offizielle und inoffizielle Beweise zu erarbeiten und ins Verhältnis zu den gestellten Untersuchungszielen und Versionen zu setzen.

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