Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 634

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 634 (NJ DDR 1956, S. 634); Aus der Praxis für die Praxis Vorbereitung der zentralen Schöffenkonferenz „Hauptaufgabe der Schöffen ist, als Richter zu wirken, und alle Formen ihrer Betätigung sind eng verflochten miteinander, so daß man nicht sagen kann, welche Betätigung Voraussetzung für das Gelingen der anderen ist.“ Diese Worte des Ministers der Justiz*) haben bei der Durchführung vieler Schöffenaktivtagungen in den letzten Wochen nicht genügende Beachtung gefunden; allzusehr haben sich diese Tagungen im allgemeinen mit Fragen der Arbeitsorganisation und der politischen Massenarbeit, zu wenig jedoch mit der eigentlichen richterlichen Tätigkeit befaßt. Am Kreisgericht Pößneck jedoch konnte als Ergebnis der Aussprache an erster Stelle die folgende Schlußfolgerung gezogen und zum Beschluß erhoben werden: „Die Schöffen diskutieren mit den Werktätigen in den Betrieben, Dörfern und Verwaltungen über die neue Strafpolitik .“ Gerade weil die meisten Schöffenaktivtagungen nicht bis zu solchen Aufgaben vorgestoßen sind, die mit dem Inhalt der Rechtsprechung in Verbindung stehen, ist es von allgemeinem Interesse zu erfahren, in welcher Weise die Diskussion in Pößneck verlaufen ist. Zunächst kam das hohe Verantwortungsbewußtsein der Schöffen bei der Erfüllung ihrer richterlichen Funktionen darin zum Ausdruck, daß verschiedene Tagungsteilnehmer teilweise unter sachlicher Kritik an der Arbeitsweise einzelner Richter , darauf bestanden, ihre Rechte uneingeschränkt auszuüben. Diese Schöffen erklärten sich nicht damit einverstanden, daß sie von der Teilnahme an der Rechtsauskunft ausgeschlossen würden, und sie erkannten mit Recht die hierfür vom Gericht gegebene Begründung, der Auskunftsuchende ziehe es vor, mit dem Richter allein zu sprechen, nicht an. Andere Schöffen beanstandeten die Arbeitsweise eines Zivilrichters, der am Freitag so viele Terminsachen anberaume, daß es nicht mehr möglich sei, alle Urteile vor Beendigung der Schöffenperiode abzusetzen. Ein Teilnehmer der Aktivtagung kritisierte ein Urteil des Bezirksgerichts in einer Privatklagesache, welches zum zweiten Mal das kreisgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hatte; so zu verfahren bedeute, die Anleitung des Kreisgerichts auf Kosten der Prozeßparteien durchzuführen. Der Schöffe schlug vor, die Strafprozeßordnung dahingehend abzuändern, daß eine Sache nur einmal zurückverwiesen werden dürfe, im Falle einer zweiten Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils aber vom Bezirksgericht selbst entschieden werden müsse. (Das uns vorliegende Protokoll läßt leider nicht erkennen, ob in der weiteren Aussprache erläutert wurde, daß der Charakter unseres zweitinstanzlichen Verfahrens einer solchen Lösung entgegensteht. An die wesentlichste Frage aber rührte der Diskussionsbeitrag eines Schöffen, der sich mit Meinungen der Bevölkerung auseinandersetzte, die sich auf unsere Strafpolitik beziehen: Die „neuen Strafmaße“ seien „zu niedrig“. Unter Hinweis auf die Sittlichkeitsdelikte und ihre strafrechtliche Behandlung im Kreis Pößneck schlossen sich andere Schöffen diesen Ausführungen an. Sie hielten bei diesen Delikten, die einen Schwerpunkt in Pößneck bildeten, die Verhängung höherer Strafen für erforderlich, als im allgemeinen ausgeworfen würden; dies sei auch die Meinung der werktätigen Bevölkerung. Sicherlich werden Gericht und Staatsanwaltschaft in Pößneck diesem Hinweis der Schöffen ernsthaft nachgehen. Andererseits hatte es der gleiche Schöffe, wie er berichtete, von sich aus unternommen, den Werktätigen gegenüber die allgemeine Strafpolitik unserer Gerichte zu begründen, und er hatte hierfür auf die Zusammenhänge hingewiesen, die zwischen der internationalen Entspannung und der Festigung unseres Staates einerseits und der Notwendigkeit zur Anwendung staatlichen Zwanges andererseits bestehen. Gerade das Aussprechen solcher Gedanken, die Diskussion hierüber wird den Schöffen helfen, die Recht- ♦) NJ 1956 S. 521. sprechung zu verbessern und auch für ihre Überprüfung der in der juergangenen Schöffenperiode erlassenen Urteile den richtigen Ausgangspunkt zu finden. Dann wird es die Kritik der Schöffen hervorrufen, wenn ein Gericht so schablonenhafte Urteilsbegründungen verfaßt, wie z. B. ein Berliner Stadtbezirksgericht, bei dem von fünf uns vorliegenden, alle aus derselben Woche (Ende Mai) stammenden Urteilen drei den gleichen Satz enthalten: „Der Angeklagte ist ein werktätiger Mensch, der im Leben immer regelmäßig gearbeitet hat; das war bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen.“ Und diese „Berücksichtigung“ erfolgte dann in Form der sofortigen bedingten Strafaussetzung sowohl im Falle einer jungen Verkäuferin, die einen geringen Betrag in ihrer Verkaufsstelle unterschlagen hatte, als auch hinsichtlich eines Arbeiters in einem Fleisch verarbeitenden Betrieb, der trotz vielfältiger mündlicher und schriftlicher, allen Beschäftigten erteilten Warnungen eigenmächtig Fleisch entnommen hatte, als sogar hinsichtlich eines Gerüstbauhelfers, der von verschiedenen Baustellen seit längerer Zeit Messinghähne und -schrauben, Kupferdraht u. ä. entwendet und nach Westberlin verbracht hatte. Solche Urteile, die an die Stelle einer eingehenden Würdigung aller Umstände, die den Täter zu seiner strafbaren Handlung veran-laßten, derart schablonenhafte Formulierungen setzen, lassen Zweifel daran aufkommen, daß wirklich drei verantwortungsbewußte Richter zwei davon gewählte Repräsentanten der werktätigen Bevölkerung sich sorgfältig mit dem Prozeßstoff beschäftigt und ihre gemeinschaftlichen Überlegungen in den Urteilsgründen niedergelegt haben. Die Beratung des Schöffenaktivs am Kreisgericht Pößneck hat Ansatzpunkte für ein fruchtbares Herangehen an die richterlichen Aufgaben gezeigt. Dem Gericht die Ansicht der Werktätigen über seine Spruchpraxis übermitteln, den Werktätigen die Strafpolitik des Gerichts erläutern, mit den Berufsrichtern gemeinsam um die Entwicklung einer immer richtigeren Strafpolitik ringen das sind wesentliche Aufgaben unserer gewählten Schöffen. HILDE NEUMANN, Berlin Schützt § 10 Buchst, b JSchVO auch Jugendliche? Zu dieser Frage heißt es in dem in NJ 1956 S. 401 ff. veröffentlichten Bericht über die erste Arbeitstagung der Jugendstaatsanwälte in Erfurt: „§ 10 Buchst, b JugendschutzVO war ebenfalls Gegenstand mehrerer Diskussionsbeiträge, da einige Staatsanwälte und Richter hier den Hinweis auf die Jugendlichen vermissen und deshalb der Meinung sind, diese Bestimmung sei lediglich auf Kinder anwendbar. Demgegenüber wies der Vertreter des Generalstaatsanwalts darauf hin, daß nach dem gesamten Inhalt und Ziel der Jugendschutzverordnung Kinder und Jugendliche geschützt werden, infolgedessen § 10 Buchst, b auch auf Jugendliche anwendbar sei.“ Die vom Vertreter des Generalstaatsanwalts vertretene Ansicht verstößt eindeutig gegen das Gesetz. Eine erweiterte Auslegung in dem Sinne, daß § 10 Buchst, b JSchVO Kinder und Jugendliche schütze, steht im Widerspruch zu § 2 Abs. 2 der VO und stellt eine ungesetzliche Analogie dar. Dort heißt es nämlich ausdrücklich: „Jugendlicher ist, wer über 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Als Kind gilt, wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.“ Die Begriffe „Kind“ und „Jugendlicher“ umfassen also verschiedene Altersstufen. Sie sind genau definiert und dürfen daher in der Justizpraxis weder einengend noch erweiternd ausgelegt werden, auch nicht unter Bezugnahme auf den „gesamten Inhalt und das Ziel der Jugendschutzverordnung“. Erwägungen über Sinn und Inhalt eines Gesetzes können nur dann für die Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung maßgeblich sein, wenn sie-nicht gegen den Gesetzeswortlaut verstoßen. So ist z. B. 'in den §§ 170 d und 181 Ziff. 2 StGB die erweiternde Auslegung des Tatbestandsmerkmales „Kind“ durch- 634;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 634 (NJ DDR 1956, S. 634) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 634 (NJ DDR 1956, S. 634)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung des UatFsjfcungsführers in der täglichen Untersuchungsarbeit, abfcncn im Zusammenhang mit Maßnahmen seiner schulischen Ausbildung und Qualifizierung Schwergewicht auf die aufgabenbezogene weitere qualitative Ausprägung der wesentlichen Persönlichkeitseigenschaften in Verbindung mit der Androhung strafrechtlicher Folgen im Falle vorsätzlich unrichtiger oder unvollständiger Aussagen sowie über die Aussageverweigexurngsrechte und? Strafprozeßordnung . Daraus ergeben sich in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsvertahrens. Sie wird nicht nur getroffen, wenn sich im Ergebnis der durchgeführten Prüfungsmaßnahmen der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege vorliegen, ist die Sache an dieses zu übergeben und kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Staatsanwalt ist davon zu unterrichten.

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