Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 624

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 624 (NJ DDR 1956, S. 624); Dazwischen steht gewissermaßen als Übergangsgruppe c) jener „gewisse Teil“, bei dem noch die „Überreste der alten kleinbürgerlichen Anschauungen vorhanden sind“. Das ist die Gruppe, aus der die Täter solcher Verbrechen stammen, die nicht Ausdruck des Klassenkampfes sein sollen; denn so meint Streit „wo kämen wir hin, wenn wir weiter alle diejenigen, die noch mit Resten der alten Lebensweise, alten Gewohnheiten behaftet sind und aus dieser Belastung heraus strafbare Handlungen begehen, als Klassenfeinde betrachten würden?“ Damit schält sich der Kern des Streitschen Gedankenganges wie folgt heraus: 1. Täter, die aus zurückgebliebenem Bewußtsein heraus straffällig werden, sind keine Klassenfeinde. 2. Wollte man von solchen Tätern begangene Verbrechen als Erscheinungen des Klassenkampfes betrachten, so würden sie damit jedoch zu Klassenfeinden gestempelt. 3. Also können strafbare Handlungen, die von Bürgern mit zurückgebliebenem Bewußtsein ausgeführt werden, nicht Ausdrude des Klassenkampfes sein. Sehen wir zu, ob diese These wirklich theoretisch haltbar ist. II Die These „Bürger, die aus zurückgebliebenem Bewußtsein heraus straffällig werden, sind keine Kiassenfeinde“ unterstellt zunächst einmal, daß es generell möglich ist, von der Tatsache des Straffälligwerdens im konkreten Fall her die Gesamtpersönlichkeit des Täters klassenmäßig zu typisieren. Streit macht diese Unterstellung als seinen Ausgangspunkt ja auch offenkundig, indem er uns seine drei Menschengruppen als „reine“, absolute Typen offeriert: jemand ist entweder ganz „alter“, ganz „neuer“ oder ganz „zurückgebliebener Mensch“; einer der drei Kategorien läßt sich jedes Individuum zuordnen, und seine Handlungen müssen dann samt und sonders zu seinem Typ „passen“. Ich will es den sachverständigeren Strafrechtlern überlassen, zu beurteilen, inwieweit hier die Gefahr einer „marxistischen“ Wiederbelebung der imperialistischen Tätertypenlehre akut zu werden droht. Auf jeden Fall bedeutet doch diese Methode mit Verlaub zu sagen ein Operieren gleichsam mit einer Art verabsolutierter Modellfiguren. Streit geht nicht aus von dem lebendigen Menschen, wie ihn die Übergangsperiode in der Deutschen Demokratischen Republik produziert, wie er uns tagtäglich in der Masse gegenübertritt, und Streit läßt außer acht, was an der Art u§d Weise, w i e sich die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus auf ideologischem Gebiet vollzieht, wie sie sich im Bewußtsein der einzelnen Menschen widerspiegelt und in ihrem Handeln niederschlägt, typisch und damit für unsere Gegenwart kennzeichnend ist. Zwar stellt Streit in seinem Aufsatz Betrachtungen über den Charakter von Widersprüchen an, die sich zwischen einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft und der Gesellschaft ergeben können. Offenbar ist ihm aber der dabei naheliegende Gedanke an d i e Widersprüchlichkeit, die innerhalb des Bewußtseins jedes einzelnen existiert und sich in seinen Taten manifestiert, nicht gekommen. Ich möchte indessen so weit gehen, zu behaupten, daß diese Widersprüchlichkeit das typische Hauptmerkmal unserer Übergangsperiode auf ideologischem Gebiet ist. Der Prozentsatz von Menschen mit absolut negativer, feindseliger Einstellung zu unserem Staat ist gering; diese Kategorie ist bereits atypisch geworden. Aber auch der „vollendete sozialistische Mensch“, der „von den neuen sozialistischen Moralprinzipien durchdrungen“ ist und sich schon in seinem gesamten Handeln gewohnheitsmäßig von allen diesen Prinzipien leiten läßt, findet sich selten: Streits „großer Teil“ ist jener Typ des Menschen, den die sozialistische Gesellschaft formen soll und formen wird; aber er ist heute noch nicht typisch. Typisch ist der Mensch, in dessen Kopf sich der Kampf des Neuen gegen das Alte, der sich unaufhörlich in unserer spezifischen ökonomischen und politischen Übergangs- und Spal- tungswirklichkeit vollzieht, in dessen Kopf sich also auch das gleichzeitige Dasein von Neuem und Altem mit all seiner Widersprüchlichkeit abbildet. Schon dieses empirische Abbild, das aus den Wahrnehmungen, Empfindungen und Erfahrungen positiven wie negativen entsteht, die die Bürger tagaus, tagein, unmittelbar oder mittelbar sammeln, ist damit in sich gerade so widersprüchlich wie unsere Wirklichkeit selbst. Der Kampf des Neuen gegen das Alte findet aber in den Köpfen seine individuelle Fortsetzung, indem die gesammelten Erfahrungen verarbeitet und bewertet werden. Dabei stoßen nun schon vorhandene neue Anschauungen und bereits gewonnene neue Bewertungsmaßstäbe (= Moralprinzipien) mit mitgeschleppten oder infiltrierten alten Vorstellungen zusammen. Materielle Lage, Klassenzugehörigkeit und der allgemeine Entwicklungsstand des Bewußtseins jedes einzelnen beeinflussen im Durchschnitt den Ausgang dieses Kampfes. Aber auch schlechte persönliche Erfahrungen, Verärgerung und ähnliche, auch von Streit angeführte Ursachen spielen eine oftmals nicht unerhebliche Rolle, bewirken Resignation und Hemmungen, gebären Vorbehalte, wenn die Gedanken schließlich die Gestalt von Motiven annehmen. Das Ergebnis ist eine Widersprüchlichkeit der Motive, die ebensolche widersprüchliche Reaktionen in der Verhaltensweise auslösen. Die Masse der Bürger unseres Staates bewegt sich doch tatsächlich so, daß ein Teil der Handlungen des einzelnen und im Verlauf der Entwicklung wird dieser Teil immer eindeutiger überwiegen vom Standpunkt der sozialistischen Moral aus betrachtet positiv, ein anderer Teil negativ bewertet werden muß. Wenn man so will, ist im Sinne -der Streitschen Einteilung die Mehrzahl der Bürger, gemessen an der Vielzahl ihrer Handlungen, bald „Freund“, bald „Feind“ des Neuen. Haben wir uns das einmal klargemacht, so können uns etwa ein Unternehmer, der aktiv und aus ehrlicher Überzeugung in der Nationalen Front mitarbeitet, aber doch um seines Profits willen geltende Wirtschaftsstrafgesetze oder Arbeitsschutzvorschriften nicht mit der gleichen Überzeugung für notwendig hält, ja, sie vielleicht sogar einmal verletzt, oder der Aktivist, dessen Ehe infolge seiner Haltung nicht sozialistischen Moralprinzipien entsprechend geprägt ist, ja, vielleicht sogar geschieden werden muß, auch theoretisch keine Rätsel auf geben. Wie sollte es nicht sein, daß mitunter hundert positiven Taten eine negative gegenübersteht, die so schwer wiegt, einen solchen Gefährlichkeitsgrad erreicht, daß sie sogar im Einzelfalle den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt 1 und alles zusammen geht doch aus von ein und demselben Menschen. Auf der Grundlage dieser Überlegungen muß man zu dem Schluß kommen, daß der von Streit gewählte Ausgangspunkt seine Feststellung, Täter, die aus einem zurückgebliebenen Bewußtsein heraus straffällig werden, seien keine Klassenfeinde , ohne selbst direkt unrichtig zu sein, im luftleeren Raum steht. Sie ist das Ergebnis einer verfehlten, undialektischen Fragestellung, der eine schablonenhafte Einteilung der Menschen statt der realiter gegebenen typischen Widersprüchlichkeit im Bewußtsein der Bürger zugrunde liegt. Damit hat Streit für sich selbst die Gefahr von Fehlschlüssen heraufbeschworen, einer Gefahr, der er wie mir scheint in der weiteren Entwicklung seines Gedankens denn auch prompt erlegen ist. Streit hat sich gewissermaßen seinem eigenen Schematismus zum Opfer gebracht. Weil er sich die Sache nicht anders vorstellen kann, als daß aus zurückgebliebenem Bewußtsein heraus straffällig gewordene Personen als „Klassenfeinde“ typisiert werden müßten, wenn die von ihnen begangenen Verbrechen als Erscheinungen des Klassenkampfes angesehen würden, sieht er keinen anderen Ausweg, als den ganzen Klassenkampf aus diesem Bereich zu „verbannen“. Schon von der formalen Seite her betrachtet ist dies ein Unterfangen von außerordentlicher Tragweite; geht es doch hierbei um nichts weniger, als daß die Qualifikation der weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle, mit denen unsere Strafgerichte befaßt sind, als Ausdruck des Klassenkampfes geleugnet wird. Was den Inhalt der Problematik betrifft, so ist der Klassenkampf schließlich eine objektive Gesetzmäßigkeit in 624;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 624 (NJ DDR 1956, S. 624) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 624 (NJ DDR 1956, S. 624)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

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