Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 582

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 582 (NJ DDR 1956, S. 582); Normen gesprochen, die unseren gesellschaftlichen Bedingungen nicht mehr entsprechen, und auf die negativen Auswirkungen solcher mangelhafter Normen aufmerksam gemacht: Hemmung des sozialistischen Aufbaus, Rechtsunsicherheit, mangelnde Entwicklung des Rechtsbewußtseins9). Uber die technischen Mängel der Gesetzgebung, „die oft den primitivsten formalen Ansprüchen nicht genügt“, hat Nathan ausführlich gesprochen10 11 12). Benjamin hat auf Anordnungen der Fachminister aufmerksam gemacht, die von diesen außerhalb ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit erlassen wurden. Bachrach und M a r o w s k i11) führen mit Recht aus: „Mängel ln der Gesetzgebung sind ein Faktor, der die Verwirklichung des Prinzips der Gesetzlichkeit beeinträchtigt. Die Machtorgane oder die Gerichte stehen dann vor der Alternative, entweder das geltende, wenn auch nicht adäquate Recht strikt anzuwenden und damit ein bestimmtes gesellschaftliches Interesse zu gefährden, oder die betreffende Frage entgegen dem Inhalt des geltenden Rechts zu entscheiden.“ Die Gewährleistung der Gesetzlichkeit in der Gesetzgebung kann einmal ein Element der Gesetzgebung selbst sein (Einhaltung der Zuständigkeit bei Erlaß von Anordnungen, klare und wissenschaftliche Terminologie usw.). Sie kann aber auch dadurch erfolgen, daß die Werktätigen in der Gestalt von Kritik und Vorschlägen zur Gesetzgebung Stellung nehmen und eine Weiterentwicklung der Normen bewirken. Eine bedeutsame, wissenschaftliche Verallgemeinerung der Praxis sind die Beschlüsse der höchsten Organe der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Aus ihnen ist zu entnehmen, daß a) die Wahrung der Gesetzlichkeit auch in der ständigen Überprüfung der gesetzlichen Bestimmungen besteht; b) diese Kontrollfunktion durch die Werktätigen auszuüben ist; c) diese Kontrolle sich in unserer staatlichen Ordnung als eine gesellschaftliche Notwendigkeit darstellt. So heißt es z. B. in dem Beschluß der 3. Parteikonferenz über Maßnahmen zur weiteren Entfaltung der Demokratie in der Deutschen Demokratischen Republik: „Um das neue sozialistische Recht weiter zu festigen, die strikte Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit, zu gewährleisten und den Schutz der Rechte der Bürger zu garantieren, werden folgende Maßnahmen für erforderlich gehalten: 1. In der Gesetzgebung sind veraltete Bestimmungen, die den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht mehr entsprechen, zu ändern oder aufzuheben. 2. .“12). Das demokratische Erfordernis der ständigen Überprüfung der Gesetzgebung, „insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob überall schon der neue Inhalt seinen vollen Ausdruck gefunden hat“13 * *), ist häufig Gegenstand der Plenartagungen des ZK der SED gewesen. Die These, daß auch die Gesetzgebung den Prinzipien der Gesetzlichkeit unterliegt, wird den Weg dazu öffnen, daß sich die Forschung einigen wichtigen Fragen der Gesetzgebung zuwendet, die noch keine ausreichende Beantwortung erfahren haben. Hierher gehört auch die Frage des Verhältnisses zwischen Form und Inhalt. Können gesetzliche Bestimmungen über Eheschließung und Ehescheidung durch den Ministerrat erlassen werden, kann das Ministerium der Finanzen einzelne zivilrechtliche Bestimmungen in Preisanordnungen festlegen, können allgemeine Lieferbedingungen die Rechte der Käufer gegenüber dem Bürgerlichen Gesetzbuch abändem usw.? II Eine bedeutsame Frage für die Rechtsanwendung ist das Verhältnis von Gesetzlichkeit und Parteilichkeit. Die konsequente Anwendung unseres Rechts ist eine parteiliche Anwendung, denn das Recht selbst ist parteilich. Deshalb bedeutet Einhaltung der Gesetzlichkeit 0) Protokoll, S. 31 34. 10) Protokoll, S. 202 ff. 11) RID 1956, Nr. 1, Sp. 22. 12) Otto Grotewohl, Referat auf der 3. Parteikonferenz der SED, Anhang, S. 86. 13) Walter Ulbricht, Die Warschauer Konferenz und die neuen Aufgaben in Deutschland (Referat auf der 24. Tagung des ZK der SED), Berlin 1955, S. 99. auch Wahrung der Parteilichkeit. Die Vorstellung, daß zur parteilichen Rechtsanwendung ein Mehr erforderlich sei, führt zu Fehlern, zur Einschmuggelung von Faktoren der Gesetzlichkeit, die nicht aus dem Gesetz folgen. So wird die falsche Auffassung vertreten, daß in Zivilprozessen, an denen eine volkseigene Prozeßpartei beteiligt sei, die Parteilichkeit darin zum Ausdruck komme, daß die volkseigene Prozeßpartei den Prozeß gewinnt. Der Minister der Justiz führte auf der Konferenz von Richtern und Staatsanwälten' im Dezember 1955 im Referat aus: „Auch überzeugt nicht die Formulierung in dem Potsdamer Kommissionsbericht, wo es heißt: .Die streitigen Verfahren wurden zugunsten des Volkseigentums entschieden; die Urteile waren daher auch parteilich.1 Das ist eine zu primitive Einschätzung und falsche Vorstellung vom Wesen der Parteilichkeit.“1) An anderer Stelle des Referats heißt es: „Was die Einschätzung der Rechtsprechung in Zivilsachen anbelangt, so besteht auch hier die gleiche gefährliche Tendenz, die Probleme einfacher darzustellen, als sie sind. Auch hier tauchen in verschiedenen Berichten, wie in Potsdam und Schwerin, Feststellungen auf, die darauf hinauslaufen: ,Die Urteile waren im Ergebnis richtig und parteilich, denn sie sprachen sich stets zugunsten der LPG, VEB, MTS aus.1 In einer noch größeren Anzahl von Berichten ist dies zwar nicht ausdrücklich gesagt, es geht jedoch aus der ganzen Art der Darstellung die gleiche Auffassung hervor.“i5) Und zu ernstem Nachdenken müssen folgende Ausführungen Anlaß geben: „Berücksichtigt man, daß in der Mehrzahl der Prozesse auf dem Lande die Klassenzugehörigkeit auch der Partei, die nicht Träger gesellschaftlichen Eigentums ist, eine andere ist als in der Industrie, daß es sich nämlich in der Mehrzahl um werktätige Bauern handelt, mit denen nach der uns vom 25. Plenum gestellten Aufgabe das Klassenbündnis gerade zu festigen ist, so tritt die Gefährlichkeit dieser These offen zutage.“i6) Die Zitate liefern genügend Beweis dafür, daß für die Praxis die Frage der Parteilichkeit des Rechts hervorragende Bedeutung hat. Die Parteilichkeit Jes Rechts beruht in letzter Instanz auf den philosophischen Grundsätzen des Marxismus-Leninismus, auf den Gesetzen des dialektischen und historischen Materialismus. Die Lehre von Staat und Recht, als ein Teil der marxistisch-leninistischen Theorie, kann keine anderen alle besonderen Gesetzmäßigkeiten verallgemeinernden Grundlagen haben als jeder andere Teil der marxistischen Lehre, nämlich die marxistisch-leninistische Philosophie. Wir haben uns bisher mit den philosophischen Grundlagen unseres Rechts nicht ausreichend befaßt. Deshalb kommt es zu gewissen fehlerhaften Formulierungen, die geeignet sind, die Praxis falsch zu orientieren. So werden im Lehrmaterial für das Fernstudium „Die marxistisch-leninistische Theorie des Staates und des Rechts“17) Wendungen gebraucht, wie „die demokratische Gesetzlichkeit parteilich handhaben , die demokratische Gesetzlichkeit parteilich verwirklichen ., die parteiliche Verwirklichung unseres Rechts“ usw. Bereits die Logik macht auf die Fehlerhaftigkeit der Formulierung und damit des Gedankens aufmerksam. Denn die nach dieser Formulierung logisch auch mögliche „unparteiliche Handhabung der demokratischen Gesetzlichkeit“ zeigt doch bereits, daß hier ein Widerspruch in sich selbst gegeben sein muß, der einer Tautologie in der positiven Fassung entspricht. Worin ist die Parteilichkeit unserer juristischen Gesetze begründet? Grundlage unserer Gesetzgebung sind die Erkenntnisse des dialektischen und historischen Materialismus. Die juristischen Gesetze gründen sich auf die Erkenntnis der objektiven Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung. Diese Erkenntnis wird in juristischen Gesetzen ausgenutzt, um die objektiven Gesetzmäßigkeiten im Sinne der fortschrittlichen Entwicklung der Gesellschaft zu fördern. Das Gesetz der unbedingten Übereinstimmung zwischen den Produktionsverhältnissen und dem Charakter der Produktivkräfte, das Gesetz der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft sind dabei die grundsätzlichen objektiven Gesetzmäßigkeiten, deren Verwirklichung durch die juristischen Gesetze gefördert wird, mit dem allge- 14) Die neuen Aufgaben von Gericht und Staatsanwalt, S. 27. 15) a. a. O. S. 30/31. 16) a. a. O. S. 31. 17) Lehrmaterial Nr. 4 zum Lehrprogramm Nr. 5. 582;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 582 (NJ DDR 1956, S. 582) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 582 (NJ DDR 1956, S. 582)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann auf Empfehlung des Arztes eine Veränderung der Dauer des Aufenthaltes im Freien für einzelne Verhaftete vornehmen. Bei ungünstigen Witterungsbedingungen kann der Leiter der Untersuchungshaftanstalt seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen und Anregungen zur Veränderung der Unterbringungsart zu geben. In unaufschiebbaren Fällen, insbesondere bei Gefahr im Verzüge, hat der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ein wirksames Mittel zur Kontrolle über die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Fristen, die im Zusammenhang mit der Verhaftung und Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie für die Gesamt aufgabenstellung Staatssicherheit . Diese hohe Verantwortung der Linie ergibt sich insbesondere aus der im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens und aus der vor und während der Bearbeitung des Forschungsvorhabens gewonnenen Ergebnisse, unter anderem auch zur Rolle und Stellung der Persönlichkeit und ihrer Individualität im Komplex der Ursachen und Bedingungen für das Zustandekommen von feindlich-negativen Einstellungen und ihres Umschlagens in staatsfeindliche Handlungen nicht vorgegriffen werden soll. Ausgehend vom Ziel der Forschung, zur weiteren Qualifizierung der Tätigkeit der Linie Untersuchung Staatssicherheit bei der Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter. Die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken mit Diensteinheiten Staatssicherheit und anderen Schutz- und Sicherheits- Rechtspflegeorganen bei der Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen behandelt werden, die Angriffsrichtung, Mittel und Methoden feindlich-negativer Handlungen Inhaftierter erkennen lassen, und eine hohe Gefährdung der inneren Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Diensteinheit im Interesse der Lösung uer Aufgaben des Strafverfahrens zu gestalten und durchzusetzen sind. Der Aufnahmeprozeß Ist Bestandteil dieses Komplexes vor politisch oteraCrven Aufgaben und Maßnahmen polf tisch-opsrat iver Untersuchungshaitvollzuges.

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