Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 565

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 565 (NJ DDR 1956, S. 565); Anfechtung erfolgen soll, nur der Wille der das Rechtsmittel einlegenden Partei maßgeblich sein kann. Wie aber soll dieser Wille ermittelt werden? Reinwarth nimmt stets dann eine Beschränkung än, wenn der Rechtsmittelführer eine solche Erklärung ausdrücklich abgibt. Damit schränkt Reinwarth seinen eigenen Grundsatz ein, daß nämlich allein der Rechtsmittelführer bestimmt, welchen Umfang die von ihm beabsichtigte Anfechtung des Urteils haben soll; denn er fragt nicht nach dem Willen, sondern nach einer formalen Beschränkungserklärung, die oft durch Irrtum, Unkenntnis oder unterschiedliche Auffassungen zustande kommt. Die von Reinwarth angeführte Handelsschutzsache macht das ganz deutlich. Der tatsächliche Vorgang der Rechtsmitteleinlegung ist unschwer zu erraten; auf die Frage des Sekretärs, ob sich der Angeklagte zu Unrecht verurteilt fühle, wird dieser geantwortet haben: „Nein, aber zu hart!“ „Also wollen Sie nur die Strafhöhe an-fechten?“ Der Beschwerdeführer mußte dies bejahen, stellte sich aber unter dieser Erklärung etwas ganz anderes vor, als das Oberste Gericht später daraus machte. Reinwarth stellt mit einer solchen Arbeitsweise die Form über den Inhalt. Das ist formalistisch und deshalb undemokratisch. Auch im Strafrecht gilt der Grundsatz des § 2 GVG, die Rechte und Interessen der Bürger zu schützen. Deshalb kann die diesem Prinzip dienende Bestimmung des § 133 BGB ohne Bedenken auch bei der Beantwortung der Frage angewendet werden, wann ein Rechtsmittel beschränkt sei, zumal § 274 Abs. 2 StPO bestimmt, daß ein Irrtum in der Bezeichnung des Rechtsmittels keine nachteiligen Folgen hat. Wenn in dem genannten Falle der Angeklagte infolge eines unabwendbaren Ereignisses die Rechtsmittelfrist versäumt hätte, würde ihm das Gericht gegen die Folgen der Fristversäumnis geholfen haben. Wenn er aber In der berechtigten Überzeugung, daß bei Abgabe seiner Erklärung vor der Geschäftsstelle sein Begehren sachgemäß bearbeitet werden wird, sich auf die Ordnungsmäßigkeit der Rechtsmitteleinlegung verläßt, dann ist er für die fehlerhafte Beschränkung genausowenig verantwortlich zu machen, wie für ein unabwendbares Ereignis, z. B. für eine fehlerhafte Zustellung gemäß § 37 Abs. 2 StPO! Diesmal aber wird -der in der genannten Bestimmung zum Ausdrude gebrachte Grundsatz ignoriert und der Riegel der „Rechtssicherheit“ vorgeschoben. Wir sind der Auffassung, daß bei einer Divergenz zwischen Beschränkungserkiärung und Inhalt der Begründung nur der Inhalt der Begründung maßgeblich dafür sein kann, ob man eine Beschränkung als vorliegend ansieht. Diese Ansicht findet ihre Stütze im Gesetz selbst und seiner Systematik. Die Bestimmung des § 283 Abs. 1 StPO gilt auch für den Abs. 2, der lediglich den Abs. 1 dahingehend erläutert, daß die Begründung sich auf die Anfechtung des angewendeten Strafgesetzes oder die Strafzumessung beschränken kann. Von einer ausdrücklichen Erklärung ist kein Wort gesagt. Dafür heißt es im Absatz 1 der genannten Bestimmung, daß der Umfang der Anfechtung aus der Begründung hervorgehen muß, und das bedeutet nichts anderes, als daß dieser auch nur aus der Begründung hervorgehen kann. Der Auffassung Reinwarths ist deshalb vorbehaltlos beizupflichten, wonach eine Beschränkung des Rechtsmittels dann vorliegt, wenn sich, obwohl der Ausdruck „Beschränkung“ gar nicht gebraucht wurde, aus dem Inhalt der Rechtsmittelbegründung eindeutig ergibt, daß das Urteil nur in einem bestimmten Umfang angefochten werden soll. Bei der Beurteilung der Frage, wann diese Beschränkung eindeutig ist, sollte man aber hohe Anforderungen stellen und bedenken, daß der Grundsatz des Strafrechts „in dubio pro reo“, auch verfahrensrechtlich anzuwenden ist. Wir vertreten den Standpunkt, daß das Rechtsmittelgericht sich bei der Ermittlung des Willens des Rechtsmittelführeres nicht formal an den Wortlaut und die einzelnen Punkte der Begründung klammern darf. Andernfalls würde es den Erfolg eines Rechtsmittels von den Fähigkeiten des Verteidigers oder des Sekretärs abhängig machen. Deshalb kann es keinesfalls richtig sein, wenn Reinwarth schreibt, daß der mutmaßliche Wille nicht berücksichtigt werden könne. Wurde eine Beschränkungs- erklärüng abgegeben, so kann diese nur im Zusammenhang mit dem Inhalt der Begründung und als Einheit mit dieser verstanden werden. Die Erklärung für sich allein hat überhaupt keine Bedeutung, denn ein unbegründetes Rechtsmittel gibt es nach unserer Strafprozeßordnung nicht, im Gegenteil verlangt diese sogar die Gleichzeitigkeit von Rechtsmitteleinlegung und Begründung. Reinwarth will seine Auffassung mit dem Hinweis auf die Rechtssicherheit begründen. Ist das aber richtig? Bei der Anfechtung eines Urteils erfordert die Rechtssicherheit zweierlei: der Rechtsmittelführer muß einerseits davor sicher sein, daß die angefochtene Entscheidung in einem weiteren Umfange aufgehoben wird, als er dies wünscht, und er muß sich andererseits darauf verlassen können, daß auf sein frist- und formgemäß eingelegtes Rechtsmittel eine Überprüfung erfolgt. Reinwarth läßt die zweite Konsequenz aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit überhaupt unbeachtet und verkehrt die erste dadurch in ihr Gegenteil, daß er nicht den mutmaßlichen Willen des Rechtsmittelführers erforscht, sondern sich formal an einen Ausdruck klammert. Damit aber wird aus dem demokratischen Grundsatz der Rechtssicherheit leerer Formalismus. Eine Solche Arbeitsweise verletzt unseres Erachtens die sich aus § 2 StPO ergebende erzieherische Aufgabe des Gerichts. Wohin es führt, wenn man sich die Ansicht Reinwarths zu eigen macht, zeigt das von ihm selbst angeführte Beispiel des illegalen Waffenbesitzes. Hier ist der Rechtmittelführer das Opfer einer unterschiedlichen und höchst streitigen Auffassung zwischen seinem Verteidiger und dem Obersten Gericht geworden. Während das Gericht davon ausgeht, daß die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand ein wesentlicher Teil einer Waffe ist, von der Seite der tatsächlichen Feststellungen her zu klären sef, hat der Rechtsanwalt eine Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals „wesentlicher Teil“ erwartet. Er befand sich dabei sogar in Übereinstimmung mit der Auffassung des Obersten Gerichts in anderen Strafsachen1). Für den Verteidiger in obiger Waffensache handelte es sich also um eine Frage der Subsumtion, so daß er mit Recht die Berufung gemäß § 283 Abs. 2 Ziffer 1 StPO beschränken konnte. Für den Angeklagten aber, der um Überprüfung einer Entscheidung ersucht, besteht nicht mehr die Rechtssicherheit, sondern völlige Ungewißheit, deren ihm günstiger oder ungünstiger Ausgang davon abhängt, welche Auffassung sein Rechtsanwalt bei der Begründung des Rechtsmittels zum Ausdruck bringt. v Darf aber bei uns der Erfolg eines Rechtsmittels Glückssache sein? Die den Prozeßparteien gegebene Möglichkeit, eine Entscheidung in der nächsten Instanz überprüfen zu lassen, ihr Vertrauen in unsere Rechtsprechung, das sie mit der Einlegung des Rechtsmittels bekunden, darf nicht durch eine formale Entscheidung zunichte gemacht werden. Die in unseren Gesetzen verankerten Grundsätze, z. B. der Schutz der gesetzlichen Rechte und Interessen der Bürger (§ 2 GVG), das Recht auf Verteidigung (§ 8 GVG), die erzieherische Aufgabe aus § 2 StPO verlangen eine möglichst unbürokratische Behandlung der Rechtsmittel, wie wir dies aus anderen Verfahrensvorschriften kennen, z. B. im Rentenverfahren der Sozialversicherung (VO vom 11. Mai 1953, GBl. S. 618). Unter diesem Gesichtspunkt sollte der Begriff der Rechtssicherheit seinen Inhalt erhalten. JOHANNES ROLLIG, GERHARD BORKMANN, PAUL SIEGEL, Oberrichter beim Bezirksgericht Karl-Marx-Stadt l) z. B. 2 Ust II 118 55, NJ 1956 Rechtsprechungsbeiiage Nr. 1. S. 2. Hier wird die Frage, ob ein zur Tat benutzter Schlüssel ein Diebeswerkzeug sei, der rechtlichen Beurteiiung unterworfen. Am 11. Oktober 1956, um 15 Uhr, findet in Karl-Marx-Stadt, HO-Hotcl Chemnitzer Hof, eine Konferenz der Leser unserer Zeitschrift statt. Wir bitten um rege Beteiligung. Die Redaktion 565;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 565 (NJ DDR 1956, S. 565) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 565 (NJ DDR 1956, S. 565)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich neaativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Unterbindung nichtgenehmigter Veröffentlichungen in westlichen Verlagen, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie bei der Bekämpfung der Verbreitung feindlich-negativer Schriften und Manuskripte, die Hetze gegen die und die anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft in der Regel auf Initiative imperialistischer Geheimdienste gebildet wurden und von diesen über Personalstützpunkte gesteuert werden. zum Zwecke der Tarnung permanenter Einmischung in die inneren Angelegenheiten der sozialistischen Staaten zu nutzen, antisozialistische Kräfte in der und anderen sozialistischen Ländern zu ermuntern, eich zu organisieren und mit Aktionen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und seiner Organe und der Bekundung einer Solidarisierung mit gesellschaftsschädlichen Verhaltensweisen oder antisozialistischen Aktivitäten bereits vom Gegner zu subversiven Zwecken mißbrauchter Ougendlicher. Die im Rahmen dieser Vorgehensweise angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, insbesondere die rechtzeitige Feststellung subjektiv verur-V sachter Fehler, Mängel, Mißstände und Unzulänglichkeiten, die feindlich-negative Einstellungen und Handlungen als soziale Gesamterscheinung und stößt damit zugleich gegen die einzelnen feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen und ihre Ursachen und Bedingungen vor.

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