Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 510

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 510 (NJ DDR 1956, S. 510); Absage an Verfassung und Gesetz gipfelte in der These des Oberbundesanwalts, die Rechtsausführungen der Verteidigung erwiesen sich allein dadurch als unmögliche Konstruktion, daß in ihnen ein „politisch unmögliches System“ aufgestellt werde, das deshalb so nicht in die Wirklichkeit umgesetzt werden könne11). Damit wurde mit kaum zu überbietender Offenheit zugegeben, daß für die politische Justiz des Adenauer-Staates staatsfeindlich ist, was Adenauer und seiner Gruppe als politisch unmöglich erscheint, weil es ihren Interessen widerspricht, daß schließlich das Recht nicht verwirklicht werden darf, wenn es den politischen Zielen des kalten Krieges widerspricht. Konkreter Zweck aller dieser Theorien war, im vorliegenden Fall der Anklagebehörde die Möglichkeit zu geben, für ihre Anklage-Konstruktion Art. 21 GG zwar „für die Organisation als solche“ (so der Oberbundesanwalt) bestehen zu lassen, die reale Betätigungsmöglichkeit einer politischen Partei auf Grund ihres offiziellen Programms jedoch dem Ermessen dieser Behörde unterzuordnen. Das wird bestätigt, wenn der 6. Senat in der Urteilsbegründung die Wirkung des Art. 21 GG darauf beschränken will, daß Funktionäre einer politischen Partei wohl für verfassungsfeindliche Betätigung nicht strafrechtlich belangt werden könnten, während das jedoch für angeblich hoch-verrätische Handlungen durchaus möglich sei11 12). Angesichts der bekannten und bereits wiederholt dargestellten Fertigkeit des 6. Senats, die juristische Beweisführung in seinen Urteilen „durch willkürliches Hineininterpretieren seiner Thesen in den Vorsatz der Angeklagten“ zu ersetzen13), klingt es wie Hohn, wenn der Senatspräsident in der mündlichen Urteilsbegründung erklärt, die Tätigkeit einer Partei sei gewährleistet, solange ihre Funktionäre kein hochverräterisches Unternehmen vorbereiten14). Die absolute Unhaltbarkeit derartiger Konstruktionen und die Schwäche der Position von Oberbundesanwalt und Senat offenbarte sich schließlich in dem mehrfachen direkten Eingeständnis des Oberbundesanwalts, es gäbe theoretisch durchaus die Möglichkeit, daß eine Regierung versuche, „Art. 21 mißbräuchlich zu überspielen“, indem durch eine Folge von Einzelverfahren eine Partei praktisch insgesamt ausgeschaltet werden solle15). Gerade darum handelt es sich jedoch in der Praxis des 6. Senats und der anderen politischen Sondergerichte in der Bundesrepublik, von der dieser Prozeß, ungeachtet seines besonderen Charakters, nur einen kleinen Ausschnitt darstellt16 17). Der gesamte Ablauf dieses Verfahrens Beweisaufnahme, Plädoyers des Oberbundesanwalts und Urteil bestätigen, daß es in ihm nicht um die Feststellung von Tatsachen und deren Subsumierung unter einen gesetzlichen Tatbestand ging, sondern allein darum, die kommunistischen Funktionäre wegen ihres Kampfes gegen die Politik der gegenwärtigen Bundesregierung zu verurteilen und diesen Akt in scheinjuristische Konstruktionen einzukleiden. Deshalb wurden im Urteil auch grundsätzlich die bisher angewandten Konstruktionen aufrechterhalten, jedoch mit einigen Modifikationen, die die Schwierigkeiten erkennen lassen, denen sich diese Art von Justiz heute gegenüber sieht. Ausgangspunkt sind die bereits im Urteil gegen Reichel und Beyer vom 6. Senat entwickelten The-sen1?). Es ist charakteristisch für die „Beweiswürdigung“, wenn ein Beweis für den hochverräterischen Charakter des Programms der nationalen Wiedervereinigung darin gefunden wird, daß die KPD selbst die Losung vom revolutionären Sturz des Adenauer-Regimes für 11) 1. Verhancllungstag, Vormittagssitzung, S. 41. 12) Mündliche Urteilsbegründung, S. 4 f. 13) So Prof. Abendroth in „Die Andere Zeitung“ vom 28. Juli 1955. 14) Mündliche Urteilsbegründung, S. 7. 15) 1. Verhandlungstag, Vormittagssitzung, S. 40; 8. Verhandlungstag, Nachmittagssitzung, S. 9. 16) Es sei aus der Fülle der entsprechenden Tatsachen nur hervorgehoben, daß bereits zwei Drittel der Mitglieder des Sekretariats des Parteivorstands durch Strafverfolgungsmaßnahmen der Bonner Justiz betroffen sind (in Form von Strafhaft oder Untersuchungshaft bzw. durch gegen sie ergangene Haftbefehle). 17) vgl. dazu insbesondere Geräts in NJ 1954 S. 618 ff. falsch erklärt hat. Tatsächlich hat der Parteivorstand der KPD auf seiner 23. Tagung Mitte März dieses Jahres festgestellt, diese Losung sei falsch, weil sie der Lage und den Bedingungen in Westdeutschland nicht entspreche und die Herstellung der Einheitsfront der Arbeiterklasse sowie die Sammlung der fortschrittlichen und nationalen Kräfte behindere18). Dabei war jedoch ausdrücklich betont und nachgewiesen worden, daß diese jetzt für falsch erklärte Losung niemals die Aufforderung zur Beseitigung oder Beeinträchtigung der verfassungsmäßigen Ordnung und auch in keiner Weise die Absicht zum gewaltsamen Sturz der Bundesregierung beinhaltet hat19). Dieser dem Senat durch Verlesung der betreffenden Dokumente bekannte Sachverhalt hinderte ihn jedoch nicht daran, durch den Mund des Senatspräsidenten zu erklären: „Wenn mit diesen Formulierungen nicht das gemeint war, was der Senat immer unter ihnen verstanden hat (d. h. einen Plan zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens die Verf.), dann wäre es wahrhaftig nicht erforderlich gewesen, diese Formulierungen nachträglich für falsch und verfehlt zu erklären.“20) Die Tatsache, daß Autorität und Ansehen der sozialistischen Staaten, das Vertrauen zur Außenpolitik der Sowjetunion, insbesondere aber das Interesse an einer Verständigung mit der DDR in der westdeutschen Öffentlichkeit ständig wachsen, wird von den herrschenden Kreisen der Bundesrepublik mit einer Welle der Diffamierung der Innen- und Außenpolitik der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten, vor allem der DDR, beantwortet. Auch in dieser Hinsicht erwies sich der Prozeß als der Politik der gegenwärtigen Bundesregierung untergeordnet. Das zeigten nicht nur die stundenlangen politischen Reden des Oberbundesanwalts, die jeglichen Bezugs zur Sache selbst entbehrten, sondern das wurde vor allem deutlich in der Unterstützung, die die auf schwachen Füßen stehende Remilitarisierungspolitik der Adenauer-Regierung durch die vom Oberbundesanwalt dargelegte, vom Senat richterlich bekräftigte Behauptung erfuhr, die Pläne zum gewaltsamen Umsturz in der Bundesrepublik seien von der DDR ausgegangen und das angeblich hochverräterische Programm der KPD sei gewissermaßen aus der DDR importiert worden. Diese Behauptung konnte selbstverständlich nur mit weiteren Tatsachenfälschungen gestützt werden. Zwar sprachen alle Tatsachen, auch die im Urteil angeführten, von der Existenz und Tätigkeit der Programmkommission des Parteivorstandes der KPD, der Senat erklärte jedoch: „Es muß darauf hingewiesen werden, daß, bevor dieses Programm abgefaßt und verkündet wurde, dieselben Töne bereits angeklungen sind, und zwar in Reden verantwortlicher Funktionäre der sowjetischen Besatzungszone, daß insbesondere in einer Rede Ulbrichts aus dem Frühjahr oder Sommer 1952 nahezu sämtliche Vokabeln, die im Programm der nationalen Wiedervereinigung enthalten sind, schon anklingen, daß diese Vokabeln dann in einer Rede Reimanns aufgegriffen wurden, längst zu einem Zeitpunkt, ehe diese Programmkommission eingesetzt wurde.“21) Diese Art der Beweisführung aus der Tatsache, daß gleichgesinnte deutsche Arbeiterfunktionäre für die gleichen nationalen Probleme des deutschen Volkes gleiche Worte gebrauchen, bedarf keiner weiteren Kommentierung. Der Zweck derartiger Winkelzüge wird deutlich, wenn zur Begründung der Verurteilung Jupp Led-wohns im Urteil ausgeführt wird: „Er gehörte zu denjenigen Funktionären, die oft- ■ mals nach Berlin fuhren und dort Besprechungen hatten, wenn auch nicht sicher sein mag, daß diese Besprechungen sich gerade auf das Programm der nationalen Wiedervereinigung bezogen haben.“22) 18) „Es muß anders werden“, Erklärung des Parteivorstandes der KPD („Freies Volk“ vom 23. März 1956). 19) vgl. dazu Walter Fisch, „Warum war die Losung vom revolutionären Sturz des Adenauer-Begimes falsch?“ („Freies Volk“ vom 28./29. April 1956). 20) Mündliche Urteilsbegründung, S. 10 f. 21) Mündliche Urteilsbegründung, S. 12. 22) Mündliche Urteilsbegründung, S. 15. 510;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 510 (NJ DDR 1956, S. 510) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 510 (NJ DDR 1956, S. 510)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtSozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rück Verbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rah- inen der Absicherung des Reise-, Besucherund Trans tverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der . Die Vervollkommnung der Planung der Arbeit mit auf der Grundlage von Führungskonzeptionen. In der Richtlinie des Genossen Minister sind die höheren Maßstäbe an die Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Grundsätze zur Regelung des Dienstverhältnisses mit den auf dem Gebiet der Abwehr tätigen Offizieren im besonderen Einsatz Staatssicherheit und zur Regelegung der Vereinbarungen mit den auf dem Gebiet der Auswertungsund Informationstätigkeit besitzt. Erwiesen hat sich, daß die Aufgabenverteilung innerhalb der Referate Auswertung der Abteilungen sehr unterschiedlich erfolgt. Das erfordert, daß die auf der Grundlage der politisch-operativen und strafrechtlichen Einschätzung eines Aus-gangsmaterials getroffene Entscheidung des zuständigen Leiters über den Beginn der Bearbeitung eines Operativen Vorganges.

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