Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 49

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 49 (NJ DDR 1956, S. 49); Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen über den sog. prima-facie-Beweis eine Umkehrung der Beweislast eintreten ,“34). Der westdeutsche Bundesgerichtshof, der sich auch in dieser Frage vollinhaltlich der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen hat35), hat sich in einer seiner Entscheidungen zur Frage der Beweislastumkehr ziemlich klar ausgesprochen. Er erklärte nämlich: „Der Beweis des ersten Anscheins entfällt erst dann, wenn ein Sachverhalt dargetan wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsmäßigen Geschehensablaufs ergibt. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit hergeleitet wird, bedürfen des vollen Beweises“36). Und in der „Monatsschrift für Deutsches Recht“37) wurde erklärt: „Es ist hier nicht der Raum, ausführlich zu diesem merkwürdigen Gebilde des prima-facie-Beweises Stellung zu nehmen, das alle möglichen Mängel des Systems mit einem Schlagwort zudeckt. Es ist aber erforderlich, sich darüber Rechenschaft zu geben, daß der prima-facie-Beweis nicht nur die Beweiswürdigung betrifft, sondern auch die Beweislast.“ Man kann also feststellen, daß selbst die bürgerlichen Gerichte nicht umhin können, die Umkehr der Beweislast bei der Anwendung des prima-facie-Beweises zu bestätigen. Nunmehr kommen wir zurück auf die Frage des Verschuldens bei Schadensersatzprozessen. Nehmen wir an, Schaden und schadensverursachende Handlung stehen fest. Nunmehr „prüft“ das Gericht, ob ein Erfahrungssatz vorliegt, der auf ein Verschulden schließen läßt. Und das Gericht kommt jetzt wie das Reichsgericht z. B. zu der Feststellung, daß „schon der Umstand, daß die regelmäßig erforderliche Zeit bei der Beförderung erheblich überschritten wurde, nach den Erfahrungen des täglichen Lebens darauf schließen“ läßt, „daß die Beförderung schuldhaft verzögert ist“38). Die Beweislast wird verlagert, und der Beklagte hat zu beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft. Nicht immer wird ihm das gelingen, obwohl er weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat. Denn nicht immer ist es so, daß die Beweisführung für den Beklagten leichter ist als für den Kläger. Häufig hat für den Fall, daß der Kläger keine Beweise anbieten kann, auch der Beklagte keine Beweise zur Hand, ln diesen Fällen nun trägt nicht derjenige die Nachteile der Beweisfälligkeit, der sie nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen hätte, sondern derjenige, dem sie vom Gericht auf Grund der Anwendung des prima-facie-Beweises auferlegt worden sind. Da der prima-fac:e-Beweis aber nur eine Wahrscheinlichkeit, eine tatsächliche Vermutung, begründet, ergibt sich die Konsequenz, daß der Beklagte nicht auf Grund als richtig festgestellter Tatsachen, sondern auf Grund von Vermutungen verurteilt wird, nicht auf Grund der objektiven Wahrheit, sondern auf Grund eines mehr oder weniger hohen Grades von Wahrscheinlichkeit. Das häufigste Anwendungsgebiet für den prima-facie-Beweis ist u. a. das Gebiet des Verschuldens. Da hier bei Anwendung von Erfahrungssätzen das Verschulden des Beklagten nicht exakt festgestellt wird, andererseits der Beklagte als der Veranlasser des Schadens verurteilt wird, sprach man in der bürgerlichen Rechtswissenschaft von einem sich immer mehr entwickelnden Veranlassungsprinzip, durch das das Verschuldensprinzip ersetzt wird39 *). So setzten sich die bürgerlichen Gerichte mit Hilfe des prima-facie-Beweises über den Wortlaut der Gesetze hinweg. III Aus den bisherigen Ausführungen läßt sich schon entnehmen, daß der prima-facie-Beweis in der Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik keine Anwendung mehr finden kann. Eine der wichtigsten Seiten der demokratischen Gesetzlichkeit ist die Forderung an alle Staatsorgane, die ) RGZ 120, 161; s. auch RGZ 112, 231; 119, 62; 95, 69 und 163, 27. ) BGHZ 2, 5. “) BGHZ, 8, 239. 37) Peters, Die Beweislast, MDR 1949, S. 67. “) RGZ 99, 19. ®) G. Höfer, Der Prima-facie-Beweis ln der reichsgericht- lichen Rechtsprechung, Inaugural-Dissertation, Göttingen 1926. Gesetze streng einzuhalten und anzuwenden. Für die Gerichte bedeutet das insbesondere, daß s:e allen ihren Entscheidungen einen Sachverhalt zugrunde legen, der der objektiven Wahrheit, d. h. den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Ausdruck des Neuen in der Praxis unserer Gerichte ist das gemeinsam von Wissenschaft und Praxis entwickelte Grundprinzip sowohl des Straf-wie auch des Zivilprozesses, nämlich das Grundprinzip der Erforschung der objektiven Wahrheit. Die bewußte Distanzierung unserer Gerichte von der Rechtsprechung des Reichgerichts und die kraftvolle Entwicklung neuer Anschauungen auch auf dem Gebiet des Prozeßrechts haben es vermocht, den prima-facie-Beweis ohne große Schwierigkeiten zu überwinden. Bis 1953 tauchte der prima-facie-Beweis in der juristischen Literatur der Deutschen Demokratischen Republik überhaupt nicht auf. Danach fand bei der Behandlung eines noch heute aktuellen Problems am Rande eine Erörterung des prima-facie-Beweises statt, wobei fast alle hierzu veröffentlichten Entscheidungen den prima-facie-Beweis ablehnen und die Pflicht des Gerichts, die objektive Wahrheit zu ermitteln, hervorheben. Die Hauptdiskussion drehte sich um die Frage der Mankohaftung, wobei insbesondere erörtert wurde, ob für die Frage des Verschuldens eine generelle Beweislastumkehrung zu vertreten sei. Im Ergebnis der Diskussion wurde eine Beweislastumkehrung bei Mankosachen abgelehnt und das Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik nahm dazu in seinem Urteil vom 3. Dezember 1953 Stellung. Es führte aus: „Allein der Standpunkt, das derjenige, der Ersatz begehrt, die Voraussetzungen der Ersatzpflicht, den Eintritt des Schadens und das Verschulden des Schädigers zu beweisen hat, entspricht dem gelten-ten Recht. Die entgegengesetzte Auffassung hat in der Regel dazu geführt, daß dem Beschäftigten eine Schadensersatzpflicht ohne Verschulden auferlegt wurde. Hinzu kommt noch, daß es der demokratischen Gesetzlichkeit widerspricht und daher unzulässig ist, unter dem schützenden Schild der Umkehrung der Beweislast alle Folgen von Verantwortungslosigkeit leitender Funktionäre, deren Pflichtverletzungen oder Mängel der Organisation, wie sie uns auf dem Gebiete des Handels immer noch begegnen. Auf die Beschäftigten abzuwälzen“70). In der weiteren Begründung der Entscheidung führt das Oberste Gericht dann noch aus, „daß man auch dann nicht eine Umkehrung der Beweislast annehmen kann, wenn sich im Sinne eines Beweises des ersten Augenscheins eine hohe Wahrscheinlichkeit für das klägerische Vorbringen ergibt“41). Ohne sich hier weiter mit dem prima-facie-Beweis inhaltlich auseinanderzusetzen, vertritt das Oberste Gericht in dieser Entscheidung den Standpunkt, daß ein Wahrscheinlichkeitsbeweis nie Grundlage eines Urteils sein kann. In der Entscheidung vom 5. Oktober 195 442) hat das Oberste Gericht den gleichen Standpunkt eingenommen und die Umkehr der Beweislast als einen gröblichen Verstoß gegen die Gesetzlichkeit bezeichnet. Angesichts dieser Entscheidungen ist es erstaunlich, daß in dem Urteil des Obersten Gerichts vom 8. April 1954 faktisch der entgegengesetzte Standpunkt vertreten wurde. Hier wurde nämlich gesagt, daß unter Umständen der dem Kläger obliegende Beweis schon durch Beweis im Sinne des ersten Augenscheins als erbracht angesehen werden kann43). Gleichzeitig wies das Oberste Gericht darauf hin, daß das gleiche hinsichtlich überzeugender Indizien gilt. Offenbar hat hier das Oberste Gericht den wesentlichen Unterschied zwischen prima-facie-Beweis und Indizien verkannt. Beide haben nichts miteinander gemein; denn der prima-facie-Bewe!s liefert lediglich gesetzliche Vermutungen, Wahrscheinlichkeiten, während der Indizienbeweis bei Beachtung der anfänglich genannten Punkte dem Gericht die Richtigkeit der er- “) OG ln NJ 1954 S. 122. ") ebenda. ) OG ln NJ 1955 S. 315. ) OG ln NJ 1954 S. 478; vgl. auch BG Erfurt ln NJ 1955 S 353. Hier wird die Möglichkeit einer Anwendung des prima-facie-Beweises bejaht, ohne den prima-facie-Beweis selbst anzuwenden. 49;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

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