Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 48

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 48 (NJ DDR 1956, S. 48); Reichsgericht aufgestellten Erfahrungssätze, die den sog. prima-facie-Beweis ergeben. Die unteren Gerichte sind an die Erfahrungen der Reichsgerichtsräte schlechthin gebunden. Lauwartz*6) erläutert diese Bindung sehr einleuchtend, indem er ausführt: „Wir könnten uns aber denken, daß es dem einzelnen Richter überlassen wäre, das Bestehen eines Erfahrungssatzes anzunehmen oder zu verneinen, je nach dessen Überzeugung. Daß hierbei die Gleichmäßigkeit der Rechtspflege keineswegs gewährleistet wäre, ist ohne weiteres einzusehen, denn der eine Richter erkennt den Erfahrungssatz an, während der andere, vielleicht sogar mit guten Gründen, das Bestehen eines solchen verneint. Daß aber hiervon in den meisten Fällen der Ausgang des Rechtsstreites abhängt, ist nicht zu bezweifeln, da in der Mehrzahl der Fälle das Obsiegen oder Unterliegen einer Partei von dem Beweisergebnis abhängt. Das Reichsgericht hat dieser Gefahr, die in dem System der freien Beweiswürdigung liegt, einen Hebel vorgesetzt, indem es dem Richter vorschreibt, welche Erfahrungssätze er zu berücksichtigen hat und wie er sie anwenden soll. Gleichzeit'g mit der Behebung dieser Gefahr ist allerdings ein weiteres bedeutsames Stück der freien Beweis-würdigung veiäorengegangen, denn dies ist eine weitere Anweisung an den Richter, wie er in den oder jenen Fällen zu urteilen hat.“ Die Bindung der unteren Gerichte an die von ihm aufgestellten Erfahrungssätze hat das Reichsgericht auch einmal in einer Entscheidung ausgesprochen, in der es erklärte, daß es sich bei dem prima-facie-Beweis darum handle, „daß sich in Wissenschaft und Rechtsprechung in Beziehung auf die Beweiswürdigung allgemeine Rechtsgrundsätze gebildet haben, die der Tatrichter auf dem ihm im übrigen vorbehaltenen Gebiet der tatsächlichen Würdigung einhalten muß, will er nicht der Revision einen Anhalt geben“27). Wenn sich, wie Lauwartz sagt, die „freie Beweiswürdigung wieder in starkem Maße der gemeinrechtlichen Beweistheorie“28), d. h. der feudalistischen formalen Beweistheorie nähert, so unterscheidet sich die Handhabung der Beweise im bürgerlichen Prozeß trotz einiger formaler Elemente vom Prozeß im Feudalismus. Diese unterscheidenden Merkmale kann man nicht als reaktionär und fortschrittlich gegenüberstellen. Denn auch die Einführung formaler Elemente in den bürgerlichen Prozeß ist ein Akt der Reaktion. Sie dient dazu, den bürgerlichen Staat den Monopolen unterzuordnen. Der Hauptunterschied zwischen formalen Beweisregeln und sog. Erfahrungssätzen besteht darin, daß die einen vom Gesetz von vornherein festgelegt waren, während die anderen von Fall zu Fall aufgestellt oder beseitigt werden. Das ist kein wesensmäßiger Unterschied. Die Willkür des feudalen Gerichts und des Gesetzes war offen und brutal. Die Willkür des bürgerlichen Gerichts ist verschleiert, aber oft nicht weniger brutal. Der Unterschied ist insofern also nur äußerlich. Abschließend kann man nunmehr zu diesem Punkt sagen: Auf Grund des Mißtrauens der Bourgeoisie gegenüber ihren eigenen Richtern sowie im Interesse der Unterordnung des bürgerlichen Staates unter die Monopole wurde von den obersten deutschen Gerichten der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) durchbrochen und durch formale richterliche Beweisregeln ergänzt. Der prima-facie-Beweis verstößt gegen § 286 ZPO. Er ist vom imperialistischen Reichsgericht entwickelt worden, um der Bourgeoisie die Möglichkeit zu geben, die Vorzüge der freien Beweiswürdigung in gesicherten Schranken genießen zu können22). 2. Auf die Verletzung der Revisionsvorschriften durch das Reichsgericht im Zusammenhang mit dem prima-facie-Beweis soll hier nicht ausführlicher eingegangen werden. Es sei nur folgendes gesagt: In der bürgerlichen Prozeßrechtstheorie war unstreitig, daß Tatfragen nicht revisibel waren, d. h. daß von “) a. a. O., S. 15/16. ) RGZ 130. 339. ”) E. Lauwartz, a. a. O., S. 37. 2-') ebenda. 48 dem Revisionsgericht nur Rechtsfragen nachprüfbar waren. Die Praxis des Reichsgerichts sah ganz anders aus. Diese Tatsache veranlaßte Baumbach zu der Bemerkung: „ Handhabung durch das Reichsgericht bisweilen unberechenbar“22). Da die Bewertung von Beweisen nicht die Anwendung von Rechtsnormen betrifft, war man sich auf Grund der Formulierung des Gesetzes (§ 550 ZPO) darüber klar, daß die Beweiswürdigung nicht revisibel ist. Trotzdem verfuhr das Reichsgericht anders. Einerseits versuchte es in nahezu jeder seiner Entscheidungen, die sich mit dem prima-facie-Beweis auseinandersetzte, zu überzeugen, daß es sich beim prima-facie-Beweis nicht um eine Frage der Beweislast, sondern der Beweiswürdigung handele. Damit so glaubt man schnitt es sich die Möglichkeit der Überprüfung der Vorentscheidung ab. Um diesem Ergebnis zu entgehen, entwickelte das Reichsgericht die Lehre und das ist die andere Seite , daß es sich bei den im Wege des prima-facie-Beweises aufgestell'.en allgemeinen Erfahrungssätzen ihrer Natur nach um Rechtsnormen handele, die als Maßstab zur Beurteilung von Tatsachen dienen und daher nachprüfbar sind21). Damit hatte das Reichsgericht erreicht, was es wollte. Es konnte jede beliebige Entscheidung eines vorinstanzlichen Gerichts seiner Nachprüfung unterziehen. 3. Mit der Einführung des prima-facie-Beweises hatte das Reichsgericht aber noch ein weiteres erreicht. Es durchlöcherte das im materiellen Recht allgemein geltende Verschuldenspiinzip, indem es faktisch ein Veranlassungsprinzip entwickelte. Das materielle Recht stellt den Grundsatz auf, daß Schadensersatz nur verlangt werden kann, wenn die schadensverursachende Handlung vorsätzlich oder fahrlässig, d. h. schuldhaft begangen worden ist. Anders ausgedrückt: Verantwortlichkeit tritt nur ein bei Vorliegen von Schuld. Dieser Grundsatz, den man zu den wichtigsten des materiellen Rechts rechnen kann, wird nur von einer verhältnismäßig geringen Zahl von gesetzlich festgelegten Ausnahmen durchbrochen. Da im Prozeß in bezug auf die Beweislastverteilung die Regel gilt, daß derjenige, der eine Rechtsfolge geltend macht, die ihr zugrunde liegenden Tatsachen zu beweisen hat, bedeutet das für Schadensersatzansprüche, daß der Kläger neben dem Eintritt des Schadens und der Schadensverursachung auch das Verschulden des Schädigers zu beweisen hat. Diesen Grundsatz hat das Reichsgericht mit Hilfe des prima-facie-Beweises von Fall zu Fall beseitigt. Es stellte im jeweils gegebenen Fall schlicht und einfach fest, daß ein so typischer Geschehensablauf gegeben sei, daß nach den allgemeinen Lebenserfahrungen ein Verschulden vorliegen müsse. Damit nahm es dem Kläger die Beweislast ab und übertrug sie auf den Verklagten, der nunmehr den Exkulpationsbeweis zu führen hatte. Gegen diese klar ausgesprochene Konsequenz hat sich das Reichsgericht in seinen Entscheidungen immer wieder gewehrt. Es sparte nicht mit Worten, um zu beweisen, daß es sich bei dem prima-facie-Beweis nicht um eine Frage der Beweislast, sondern um eine Frage der Beweiswürdigung handelt. So erklärte es unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung, daß „die Grundsätze über den Beweis nach dem ersten Anschein überhaupt nicht der Frage nach der Beweislast, sondern der Beweiswürdigung“ angehören, und daß „von einer Umkehrung der Beweislast dabei nicht die Rede“ ist* 2 * 31 * *-). Der in diesen Entscheidungen vertretenen Ansicht widersprach das Reichsgericht selbst aber in vielen anderen Entscheidungen, in denen es als Folge der Anwendung des prima-facie-Beweises die Umkehr der Beweislast feststellte. So erklärte es in einer Entscheidung: „Die Folge (der Anwendung des prima-facie-Beweises H. K.) wäre dann die, daß nicht die Beklagten dem Kläger, wie sich dies an sich aus § 460 Satz 2 BGB ergibt, grobe Fahrlässigkeit nach weisen müßten, sondern daß sich der Kläger entlasten müßte“22). Und in einer anderen Entscheidung führte es aus: „Ferner würde, zwar nicht nach § 831 BGB, wohl aber nach den in der M) Baumbach, ZPO-Kurzkommentar, 14. Aufl., Anm. 1 zu § 550. 31) RGZ 99, 71. =2) RGZ 157, 87; s. auch RGZ 159, 239 und 134, 241. ”) RGZ 131, 354.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 48 (NJ DDR 1956, S. 48) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 48 (NJ DDR 1956, S. 48)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, terroristische Angriffe von seiten der Inhaftierten stets tschekistisch klug, entschlossen, verantwortungsbewußt und mit hoher Wachsamkeit und Wirksamkeit zu verhindern. Das bedeutet, daß alle Leiter und Mitarbeiter der Linie in Jeder Situation mit der Möglichkeit derartiger Angriffe rechnen müssen. Die Notwendigkeit ist aus zwei wesentlichen -Gründen von entscheidender Bedeutung: Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung, dessen Stellvertreter oder in deren Auftrag an den Bereich Disziplinär der Hauptabteilung Kader und Schulung in seiner Zuständigkeit für das Disziplinargeschehen im Ministerium für Staatssicherheit Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Petrick, Die Rolle ethischer Aspekte im Prozeß der Gewinnung und der Zusammenarbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern aus wissenschaftlich-technischen Bereichen Diplomarbeit Politisch-operatives Wörterbuch Geheime Verschlußsache Staatssicherheit - Container-Aktentaschen. für Dekonspirationen. der von Dokumentierung. der Maßnahmen zur Gewährleistung der Konspiration und Sicherheit der Ehepartner. von ehrenamtliche ehrenamtliche Einarbeitungspläne.

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