Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 454

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 454 (NJ DDR 1956, S. 454); II Fast alle Redner brachten zum Ausdruck, daß sich die neuen Prinzipien überall, wenn auch mitunter erst nach eingehenden Diskussionen, durchsetzen. In der Frage der ungerechtfertigten Haftbefehle gab es besonders in einigen Grenzkreisen Meinungsverschiedenheiten, jedoch scheint bei den Gerichten auf diesem Gebiet jetzt Klarheit zu herrschen. Überprüfungen in den Bezirken ergaben, daß, von Ausnahmen abgesehen, Haftbefehle, die sich nachträglich als ungerechtfertigt erweisen, nur noch selten sind. Zur besseren Veranschaulichung und Anleitung haben die Richter in Frankfurt (Oder) ihre in der letzten Zeit erlassenen Haftbefehle einer Kontrolle unterzogen und konnten daraus bestimmte Schlüsse für die jetzige Handhabung ziehen. Insgesamt ist die Zahl der beantragten Haftbefehle erheblich niedriger geworden. Es kam allerdings auch zu Überspitzungen, die aber vereinzelt dastehen. So lehnte das Kreisgericht Rudolstadt den Erlaß eines Haftbefehls ab, weil der Tatbestand des § 131 StGB nicht erfüllt sei, obwohl offenkundig ein Verbrechen nach Artikel 6 vorlag, während im Bezirk Schwerin die Volkspolizei die Vollstreckung eines ihrer Ansicht nach unbegründeten Haftbefehls ablehnte. Die regelmäßige Überprüfung der erlassenen, aufgehobenen und abgelehnten Haftbefehle durch die Leiter der Strafverfolgungsorgane auf ihren monatlichen Besprechungen wird gewährleisten, daß leichtfertige Inhaftnahmen oder falsches Zurückweichen vor dem Erlaß eines Haftbefehls schnell zur Kenntnis der leitenden Organe gelangen und so schädliche Tendenzen in der richtigen Weise bekämpft werden können. Aus Kritikbeschlüssen der Gerichte an der Arbeit der Staatsanwaltschaft ergibt sich, daß sie streng auf die Wahrung des Rechts des Angeklagten auf Verteidigung achten, so z. B. darauf, daß die Anklageschrift nur beim Vorliegen wichtiger Gründe nicht ausgehändigt wird. Bei den anwesenden Justizfunktionären bestand Klarheit darüber, daß in Zukunft aus 'jeder Beurteilung eines Angeklagten hervorgehen muß, von wem die Information im einzelnen stammt, und daß, um dem Prinzip der Unmittelbarkeit gerecht zu werden, der für die Abfassung Verantwortliche auch als Zeuge vernommen wird. Es ist nicht immer leicht zu ernennen, ob im jeweiligen Fall eine Erziehung durch Strafe, aber ohne Freiheitsentzug genügt oder ob die Erziehung durch Strafe mit Freiheitsentzug erforderlich ist oder ob infolge fehlender Gesellschaftsgefährlichlkeit von einer Bestrafung überhaupt abzusehen ist; im letzteren Fall werden andere staatliche Organe und gesellschaftliche Organisationen gegebenenfalls für Wiedergutmachung und Erziehung zu sorgen haben. Die in der Hauptverhandlung ergehenden Entscheidungen der Gerichte lassen das Bemühen erkennen, die neuen Grundsätze schon im Rahmen des bestehenden Strafensystems durchzusetzen. Um das Ergebnis der bedingten Verurteilung zu erreichen, wird bei einer ganzen Reihe von Gerichten von der Möglichkeit der bedingten Strafaussetzung nach § 346 StPO unmittelbar im Anschluß an die Hauptver-handlung Gebrauch gemacht, und die meisten dieser Urteile halten einer Kritik stand. Dabei muß allerdings das gesetzlich geregelte Verfahren eingehalten werden; so ist es falsch, wenn bereits im Urteil die Gewährung der bedingten Strafaussetzung ausgesprochen oder erwähnt wird. Im allgemeinen kann aber gesagt werden, daß der größte Teil der Richter durchaus eine klare Vorstellung von den neuen Grundsätzen der Strafpolitik hat und sich auch 'bemüht, dies in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringen. Gleichwohl zeigt es sich in einer Reihe von Beispielen, daß teils die alte Betrachtungsweise noch nicht überwunden, teils der Grad der Gesellschaftsschädlichkeit insofern nicht richtig eingeschätzt wird, als 'bei manchen schweren Delikten eine unangebrachte Milde, ein Zurückweichen erkennbar ist. Aus Berlin wurden einige Entscheidungen mitgeteilt, die beispielhaft die Abweichungen nach der einen oder anderen Seite beleuchteten. So wandelte das Stadtge- richt auf die Berufung der Angeklagten die für einen schweren Raubüberfall vom Stadtbezirksgericht Treptow durchaus richtig verhängte Zuchthausstrafe von fünf Jahren in eine dreijährige Gefängnisstrafe um, während in einem anderen Fall bei einem Buntmetalldiebstahl von geringem Wert die verhältnismäßig hohe Gefängnisstrafe von 6 Monaten ausgeworfen wurde, obwohl die gesetzlich angedrohte Mindeststrafe dem Strafzweck entsprochen hätte. Die meisten der in Vorbereitung der Arbeitsbesprechung überprüften Berliner Urteile ließen jedoch erkennen, daß die Richter in zunehmendem Maße zu einer richtigen Differenzierung gelangen. Dies gilt auch für die Anwendung von Geldstrafen, die in gewissem Umfang den Zweck eines öffentlichen Tadels erfüllen sollen, obwohl es auch hier Beispiele schlechter und unüberlegter Urteile gab. So ist es z. B. wenig erfolgversprechend, einem mittellosen Rentner eine hohe Geldstrafe aufzuerlegen. Während es in einigen Bezirken, so z. B. in Karl-Marx-Stadt, unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Tadels zu einem Ansteigen der Einstellungen nach § 153 StPO kam, ist im Bezirk Suhl ein Ansteigen der Freisprüche zu verzeichnen. Dort wurde festgelegt, auch diese Fälle im Kollektiv der Behördenledter auszuwerten und für die weitere Arbeit entsprechende Schlüsse zu ziehen. Die zur Zeit nebeneinander herlaufende Anwendung von Geldstrafen, bedingter Strafaussetzung und Einstellung nach § 153 StPO kann an sich nicht als Mangel bezeichnet werden, sondern zeigt vielmehr das Bestreben der Gerichte, wenn auch auf verschiedenem Wege, zu einem dem Grade der Gefährlichkeit der strafbaren Handlung angemessenen Ergebnis zu kommen. Übereinstimmend wird -berichtet, daß die Gerichte einen strengeren Maßstab als bisher an die Prüfung der Gesellschaftsschädlichkeit einer Handlung legen und auch der Einschätzung der Persönlichkeit des Angeklagten größere Aufmerksamkeit widmen. Vom Bezirksgericht Potsdam und auch aus anderen Bezirken wurden Beispiele dafür gebracht, daß wirkliche Angriffe auf die Grundlagen unseres Staates richtig als Staatsverbrechen behandelt, und auch entsprechend hart 'bestraft wurden, während Handlungen, die ihrem Inhalt nach keinen derartigen Angriff darstellen, aber noch als Staatsverbrechen angeklagt waren, richtig qualifiziert worden sind. Die Justizverwaltungsstelle Halle hat ihre Untersuchungen über die Strafpolitik mit einer örtlichen Analyse der Ursachen der verschiedenen Delikte verbunden und deren Ergebnis den Staatsorganen übermittelt, die in der Lage sind, einige dieser Ursachen zu beseitigen. Es handelt sich hierbei vor allem um Verstöße gegen das Gesetz zur Regelung des innerdeutschen Zahlungsverkehrs. Ganz allgemein ist eine Senkung des Strafmaßes und ein Anwachsen der Gefängnis- auf Kosten von Zuchthausstrafen festzustellen. Dem scheint es zu entsprechen, daß bei einigen Bezirksgerichten ein Rückgang der Berufungen und ein Anwachsen der Proteste zu verzeichnen ist, von denen jedoch der größte Teil wieder zurückgenommen wurde. Der Direktor des Bezirksgerichts Cottbus berichtete, daß sich die Bürger jetzt mehr als bisher mit den Entscheidungen der Gerichte befassen und ihnen mehr Vertrauen entgegen bringen, was in einer größeren Zahl von Stellungnahmen, ja selbst in bestimmten Beschwerden zum Ausdruck kommt. Im ganzen kann gesagt werden, daß es sich bei der Durchsetzung der neuen Grundsätze der Strafpolitik um einen noch längst nicht abgeschlossenen Entwicklungsprozeß handelt; hier und da auftretende Fehler und Schwankungen finden ihre Erklärung nicht in einem Zweifel an den Grundlinien unserer Politik, sondern in einer noch ungenügenden Beherrschung der neuen Grundsätze, die jedoch mehr und mehr überwunden wird. Während wir noch in den Monaten März und April Urteile finden können, die das Bestreben erkennen ließen, die bisher verbüßte Untersuchungshaft zu recht-fertigen, haben sich die Gerichte hiervon weitgehend freigemacht. 454;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 454 (NJ DDR 1956, S. 454) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 454 (NJ DDR 1956, S. 454)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Auf der Grundlage der Verordnung können gegen Personen, die vorsätzlich oder fahrlässig Berichterstattungen veranlassen oder durchführon und nicht für eine solche Tätigkeit befugt waren, Ordnungsstrafen von, bis, ausgesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist zugleich festzustellen, daß ein nicht zu unterschätzender Teil der Personen - selbst Angehörige der bewaffneten Kräfte - die Angriffe auf die Staatsgrenze der mit dem Ziel des Verlas-sens des Staatsgebietes der sowie des ungesetz liehen Verlassens durch Zivilangesteilte. Die Diensteinheiten der Linie haben in eigener Verantwortung und in Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten und der Militärstastsanwaltschaft vielfältige Maßnahmen zur Überwindung vcn ernsten Mängeln, Mißständen und Verstößen gegen geltende Weisungen, insbesondere hinsichtlich Ordnung und Sicherheit sowie - Besonderheiten der Täterpersönlichkeit begründen. Die Begründung einer Einzelunterbringung von Verhafteten mit ungenügender Geständnisbereitsc.hfioder hart-nackigem Leugnen ist unzulässig. Die notwendiehffinlcheiöuhgen über die Art der Unterbringung und Verwahrung verbunden, das heißt, ob der Verhaftete in Einzeloder Gemeinschaftsunterbringung verwahrt wird und mit welchen anderen Verhafteten er bei Gemeinschaftsunterbringung in einem Verwahrraum zusammengelegt wird. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat begründet werden kann. Auf der Grundlage dieser Analyse sind die weiteren Maßnahmen zum Erreichen der politisch-operativen Zielstellung festzulegen Soweit nicht die Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz können nicht die dem Strafverfahren vorbehaltenen Ermittlungshandlungen ersetzt werden, und die an strafprozessuale Ermittlungshandlungen gebundenen Entscheidungen dürfen nicht auf den Maßnahmen beruhen, die im Rahmen der zulässigen strafprozessualen Tätigkeit zustande kamen. Damit im Zusammenhang stehen Probleme des Hinüberleitens von Sachverhaltsklärungen nach dem Gesetz in strafprozessuale Maßnahmen.

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