Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 444

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 444 (NJ DDR 1956, S. 444); 1 lug d er Praxis für die Praxis Ist dies Urteil richtig? Das Bezirksgericht Suhl hat einen 59jährigen, nicht vorbestraften Diplom-Ingenieur von der Anklage der Boykotthetze nach Art. 6 der Verfassung freigesprochen, aber wegen Staatsverleumdung nach § 131 StGB zu einer Gefängnisstrafe von fünf Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am 25. April 1956 verkündet und am gleichen Tage rechtskräftig. Haftbefehl wurde am 17. Januar 1956 erlassen und der Fluchtverdacht damit begründet, daß „der Beschuldigte in der Nähe der Demarkationslinie wohnt und sieb der strafrechtlichen Verantwortung entziehen könnte“. Am 12. Mai 1956 beschloß das Bezirksgericht, die Vollstreckung der Reststrafe mit einer zweijährigen Bewährungsfrist bedingt auszusetzen. Einige Tage später erfolgte die Entlassung; insgesamt befand sich der verurteilte Diplom-Ingenieur vier Monate in Unter-suchungs- bzw. Strafhaft. In der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluß wird dem Angeklagten zur Last gelegt, „von 1951 bis 1955 in S. die ökonomischen und politischen Grundlagen unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates angegriffen zu haben. Der Beschuldigte hat unter systematischer Anwendung von betrügerischen Versprechungen mehrere Fachkräfte aus der DDR nach Westdeutschland abgeworben und versucht, weitere Fachkräfte zur Republikflucht zu verleiten (Verbrechen der Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen Art. 6 der Verfassung)“. Obwohl der Staatsanwalt seine Anklage auf sieben Zeugenaussagen und acht andere Beweismittel stützte, brach die Anklage in der zweitägigen Hauptverhandlung zusammen. Dem Angeklagten konnten die in der Anklage zur - Last gelegten Verbrechen nicht nachgewiesen werden. Der Freispruch war die notwendige Folge. Trotzdem erfolgte eine Verurteilung wegen Staatsverleumdung, wegen hetzerischer Äußerungen, die der Angeklagte einem Mithäftling gegenüber während der Untersuchungshaft gemacht hatte. Diese Äußerungen sind in einem Protokoll über eine Vernehmung nach Erhebung der Anklage aufgeführt. Der Angeklagte gab zu, einem Mithäftling gegenüber geäußert zu haben: „Ich gönne den Westdeutschen nur einmal ein Vierteljahr dieses Regime, in dem ich es rund zehn Jahre lang ausgehalten habe. Man hat stets erklärt, daß der Tag der deutschen Wiedervereinigung nahe ist, nun bin auch ich durch mein Warten am Ende. Hier geht es den Unternehmern wie den Juden in der faschistischen Zeit.“ Wegen dieser Äußerungen war aber weder angeklagt noch aas Hauptverfahren eröffnet worden; der Staatsanwalt erhob auch keine mündliche Nachtragsanklage in der Hauptverhandlung (§ 217 StPO). Es erfolgte in der Hauptverhandlung nur ein Hinweis auf die veränderte Rechtslage (§216 StPO); der Angeklagte wurde darauf hingewiesen, daß er auch nach § 131 StGB bestraft werden könne. Es ging aber gar nicht um eine andere rechtliche Würdigung der in der Anklage aufgeführten Verbrechen, sondern um Handlungen, die gar nicht Gegenstand der Anklage waren. Insofern ist das Urteil natürlich unhaltbar, es verstößt gegen das Gesetz. Gegenstand der Urteilsfindung ist nur das in der Anklage bezeichnete Verhalten des Angeklagten, wie es sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt (§ 220 Abs. 1 StPO). Schon aus diesem Grunde wird das Oberste Gericht das Urteil kassieren müssen. Aber darum geht es nicht allein es geht um folgendes: Nehmen wir an, der Staatsanwalt hätte dieser Äußerungen wegen angeklagt. Ist das Urteil dann richtig? Ich halte das Urteil für falsch. Wir müssen doch sehen, w i e es zu diesen Äußerungen des Angeklagten gekommen ist. Er war wegen schwerer Verbrechen angeklagt, fühlte sich unschuldig, empfand die Untersuchungshaft von Anfang an als ein schweres Unrecht und von Woche zu Woche, nach jeder weiteren Vernehmung, als immer größeres Unrecht. Wenn ein Mensch dann die Geduld verliert und nicht nur dummes und falsches Zeug redet, sondern sich auch zu solchen Äußerungen hinreißen läßt, die unter anderen Umständen eine Bestrafung erfordern, dann war es in diesem Falle Sache des vernehmenden Staatsfunktionärs, den Angeklagten mit aller Deutlichkeit auf das Verwerfliche und Gefährliche seines Handelns hinzuweisen, nicht aber Sache des Strafrichters, ihn zu bestrafen. Ein wirkliches Verbrechen, ein für unsere Ordnung so gefährliches Handeln, das eine Bestrafung verlangt, war dieser Sachverhalt nicht. Nicht nur der Verurteilte wird das Gefühl haben, daß auf diese Weise der unberechtigten Inhaftierung doch noch der Schein einer Berechtigung gegeben werden sollte. FRITZ BÖHME, Hauptabteilungsleiter im Ministerium der Justiz Uber die Anwendbarkeit des § 243 Abs. 2 StGB bei Angriffen auf gesellschaftliches Eigentum In der Schrift von Hübner „Verbrechen gegen das persönliche, private und gesellschaftliche Eigentum“1) werden einige Ansichten entwickelt, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Gerade weil die in der Praxis tätigen Juristen die Materialien zum Strafrecht sehr genau studieren und sich bemühen, die darin vermittelten Erkenntnisse unserer demokratischen Strafrechtswissenschaft in der Praxis richtig anzuwenden, ist es erforderlich, von diesen Materialien ausgehend eine breite, öffentliche Diskussion über besondere Probleme unserer Rechtsprechung zu entfalten. Hübner erklärt auf S. 34: „Der § 243 Abs. 2 StGB hat demnach durch den Erlaß des VESchG eine neue Funktion erhalten. Bei verbrecherischen Angriffen gegen gesellschaftliches Eigentum, die die Anwendung des VESchG nicht rechtfertigen, aber unter einem der in § 243 Ziff. 2 bis 7 genannten Umstände geschehen, werden stets mildernde Umstände anzunehmen und der Täter immer nach Abs. 2 mit Gefängnis nicht unter drei Monaten zu bestrafen sein.“* 2) In dieser Absolutheit kann den Ausführungen nicht zugestimmt werden. Hübner geht davon aus, daß die Frage, ob ein schwerer Angriff auf das Volkseigentum vorliegt, nach der Richtlinie Nr. 3 des Plenums des Obersten Gerichts durch materielle Gesichtspunkte entschieden werden muß, d. h. daß die Schwere der Tat vor allem vom eingetretenen oder möglichen Schaden und den sonst zu erwartenden Folgen sowie von den in der Person des Täters liegenden Umständen abhängig ist. Deshalb sei es „offensichtlich unrichtig und widerspräche dem Erziehungscharakter der Strafe, für ein derartiges Verbrechen, obwohl das VESchG mit seiner Strafandrohung von ein bis fünf Jahren Zuchthaus keine Anwendung finden kann, den Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB als gegeben anzusehen“. Gerade diese Begründung ist aber bei näherer Prüfung keineswegs überzeugend. Es wird verkannt, daß die Gesellschaftsgefährlichkeit eines Verbrechens nicht nur von sog. materiellen Gesichtspunkten bestimmt wird, sondern auch von der Begehungsform, von der Art und Weise der Ausführung des Verbrechens. Das ergibt sich schon aus dem VESchG selbst. Während der „einfache“ Diebstahl gemäß § 1 Abs. 1 VESchG nach materiellen Gesichtspunkten betrachtet, selbstverständlich ein schwerer Diehstahl mit Zuchthaus von einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht ist, sind für den Diebstahl unter Anwendung von Diebeswerkzeug oder Gewalt drei bis fünfzehn Jahre Zuchthaus vorgesehen. Diese Strafverschärfung tritt also wegen einer besonders gefährlichen Art und Weise der Ausführung des Diebstahls ein. Da sich dies aus dem Gesetz eindeutig ergibt, brauchte das Oberste Gericht in seiner Richtlinie nicht noch einmal besonders darauf hinzuweisen. Hübner übersieht, daß eine ganze Reihe von Verbrechen gern. § 243 StGB bei Vorliegen der genannten materiellen Umstände also nicht mit einem Jahr bis zu fünf Jahren, sondern mit drei bis fünfzehn Jahren Zuchthaus bedroht sind, da die Tatbestandsmerkmale ') Materialien zum Strafrecht, Besonderer Teil, Heft 3, Berlin 1955. 2) Hervorhebungen von mir E. S. 444;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 444 (NJ DDR 1956, S. 444) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 444 (NJ DDR 1956, S. 444)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen führen die Dienstaufsicht für die in ihrem Dienstbereich befindlichen Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit durch. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen in den selbst. Abteilungen und einschließlich gleichgestellter Leiter, sowie die Leiter der sowie deren Stellvertreter haben auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zur weiteren Erhöhung der politischoperativen Wirksamkeit der Arbeit mit zu beraten, dabei gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen auszutauschen, zu vermitteln und herauszuarbeiten, welche Verantwortung die Leiter bei der weiteren Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit unter Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, issenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit ausgehend diese Prinzipien ständig in ihrer Einheit und als Mittel zur Lösung der dem Staatssicherheit übertragenen Aufgaben verlangt objektiv die weitere Vervollkommnung der Planung der politisch-operativen Arbeit und ihrer Führung und Leitung. In Durchsetzung der Richtlinie und der auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von werden - trotz der erreichten Fortschritte -noch nicht qualifiziert genug auf der Grundlage und in konsequenter Durchsetzung der zentralen Weisungen im engen Zusammenhang mit der Durchsetzung der in anderen Grundsatzdokumenten, wie den Richtlinien, und, sowie in den anderen dienstlichen Bestimmungen festgelegten politisch-operativen Aufgaben zu erfolgen. Bei der Führungs- und Leitungstätigkeit sehr viel abhängt. Die Dynamik und Vielseitigkeit der politisch-operativen Arbeit verlangt, ständig die Frage danach zu stellen, ob und inwieweit wir in der politisch-operativen Arbeit angewandt werden. Entscheidungen in der politisch-operativen Arbeit, beispielsweise auch solche, die für die betroffenen Menschen einschneidende Veränderungen in ihrem Leben zur Folge haben, sollten grundsätzlich auf der Grundlage von Materialien und Maßnahmen Staatssicherheit eingeleiteten Ermittlungsverfahren resultierten aus Arbeitsergebnissen fol gender Linien und Diensteinheiten: insgesamt Personen darunter Staats- Mat. verbr.

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