Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 440

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 440 (NJ DDR 1956, S. 440); So behauptet z. B. Streit1), daß nicht jeder Angriff auf strafrechtlich geschützte Objekte als Ausdruck des Klassenkampfes anzusehen sei. Sicher ist nicht jeder Rechtsbrecher ein Feind unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates. Im Gegenteil, sehr häufig werden die Gesetze unseres Staates auch von Arbeitern ■und Bauern verletzt, die in ihrem Bewußtsein zurückgeblieben sind und aus den beliebigsten Motiven heraus die strafbaren Handlungen begehen. So unterschlug z. B. ein Hauptkassierer des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes von der Bahnmeisterei in B. einen Betrag von 3000 DM, um seine Geliebte freihalten zu können. Dieser Kassierer wurde von seinen Kollegen als guter Arbeiter geachtet, und sein Auftreten erfolgte stets im Sinne der Beschlüsse von Partei und Regierung. Das Kreisgericht Leipzig-Land verurteilte ihn aber mit Recht nach § 1 VESchG, da es sich um einen schweren Angriff auf das Volkseigentum handelte, brachte aber in seinem Urteil keineswegs zum Ausdruck, daß es sich um einen Klassenfeind, um einen Feind des Staates handelt. Die Handlung dieses Kassierers war zweifellos gesellschaftsgefährlich, denn sie richtete sich gegen bestimmte staatliche und gesellschaftliche Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik und verletzte bestimmte Rechtsnormen unseres Arbeiter-und-Bauem-Staates. Die Handlung eines solchen im Bewußtsein zurückgebliebenen Arbeiters kann also objektiv 'klassenfeindlich sein, denn sie entspricht nicht dem gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß in der Deutschen Demokratischen Republik, sondern hemmt ihn und widerspricht somit den Interessen der herrschenden Klasse der Deutschen Demokratischen Republik. Streits These muß aber zu der Schlußfolgerung führen, daß sich die Untersuchungsorgane, die Staatsan-tvälte und die Richter bei jeder Gesetzesverletzung die Frage stellen: Handelt es sich um eine 'klassenfeindliche Handlung oder nicht? Bei Gesetzesverletzungen der oben beispielhaft angeführten Art müßte Streit diese Frage verneinen und wie wir ihn verstehen auch von einer Strafe absehen. Das würde aber bedeuten, daß das Strafrecht als ein Mittel zum Schutz der Interessen der Arbeiter und Bauern nur noch auf objektive und subjektive Klassenfeinde anwendbar wäre. Diese Auffassung ist, wie auch Geräts, Lekschas und Renneberg betonen, fehlerhaft, denn das Strafrecht hat es nicht nur mit der Bestrafung von konterrevolutionären Staatsverbrechern zu tun. Die Gesetze unseres Staates beschreiben die unsere Arbeiter-und-Bauern-Macht fozw. unsere Bürger in irgendeiner Weise gefährdenden objektiv-feindlichen Handlungen. Wer eine solche in einem Strafgesetz beschriebene Handlung begeht, verhält sich also zu der in der Deutschen Demokratischen Republik führenden Arbeiter- und Bauemklasse zumindest objektiv feindlich. Insofern sind auch Verbrechen von Angehörigen dieser Klasse ein Ausdruck des Klassenkampfes, weil sich diese Personen bewußt oder unbewußt auf die Position des Klassenfeindes stellen. Vor allen Dingen ist die Schlußfolgerung von Streit sehr anfechtbar, daß die Auffassung vom Verbrechen als einem Ausdruck des Klassenkampfes bei kleinen Vergehen zu ungerechtfertigten Verhaftungen geführt habe. Warum spricht Streit nur von 'kleinen Vergehen? Nach seiner Konzeption müßte doch selbst ein schwerer Angriff gegen das Volkseigentum oder persönliches Eigentum von seiten eines im Bewußtsein zurückgebliebenen Arbeiters kein Ausdruck des Klassenkampfes und damit nicht strafbar sein. Man kann aber auch nicht die Klassenfeindlichkeit einer Handlung von der Höhe des angerichteten Schadens abhängig machen, wie Streit es tut. Die Klassenfeindlichkeit kann sich nach unserer Ansicht selbst in strafrechtlich unbedeutenden Handlungen ausdrücken. Sie ist in diesen Fällen für das Strafrecht jedoch nicht relevant. Sie wird es aber, wenn sie sich in einer Handlung objektiviert, die in einem Strafgesetz unseres Staates als strafbar charakterisiert ist. Die Ursache der von Streit angeführten ungerechtfertigten Verhaftungen 'bei kleineren Vergehen scheint l) Demokratische Gesetzlichkeit und Klassenkampf, ND vom 8. Mai 1956. ■uns vielmehr das Resultat einer falschen Würdigung des Verhaltens des Täters zu sein, einer unrichtigen Anwendung unserer Gesetze. Denn der materielle Ver-brechensfoegriff hat doch nicht nur zur Voraussetzung, daß sich die Handlung gegen bestimmte strafrechtlich-geschützte staatliche und gesellschaftliche Verhältnisse richtet, sondern diese Handlung muß auch eine bestimmte Intensität aufweisen, sie muß die angegriffenen, strafrechtlich geschützten staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse auch wirklich gefährden. Aber auch die Thesen von Geräts, Lekschas und Renneberg2) scheinen uns nicht in allen Fällen stichhaltig zu sein. So wollen sie als Verbrechen nur Handlungen betrachten, die über die Verletzung einzelner gesellschaftlicher Verhältnisse hinaus in mehr oder minder starkem Grade unsere gesellschaftliche Ordnung gefährden. Nach unserer Ansicht genügt die Verletzung bestimmter staatlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse, wenn sie von einem Strafgesetz der Deutschen Demokratischen Republik mit Strafschutz umgeben sind und wenn die konkrete Verletzung einen bestimmten Gefährlichkeitsgrad erreicht hat. ■ Im übrigen stellt doch diese Verletzung der konkreten, strafrechtlich geschützten Verhältnisse mittelbar immer eine mehr oder minder starke Gefährdung unserer Staats- und Rechtsordnung dar. Eine besondere darüber hinausgehende Gefährdung unserer gesellschaftlichen Ordnung ■kann nicht verlangt werden. Der Auffassung der Verfasser zu folgen 'hieße, in vielen Fällen dem .bestohlenen oder betrogenen Bürger den strafrechtlichen; Schutz zu versagen. Sehr richtig erwidert G ö r n e r 3) auf diese These, daß der Arbeiter von unseren Justizorganen mit Recht erwartet, daß sein persönliches Eigentum vor Zerstörung, Diebstahl usw. auch mit den Mitteln; des Strafrechts geschützt wird. Die Negierung dieser Tatsache hätte eine Erschütterung des Vertrauens der Bürger zu unseren staatlichen Organen' zur Folge. Auf der gleichen Linie liegt die These der obengenannten Verfasser, daß nur die gefährlichsten Erscheinungsformen des Klassenkampfes seitens des Gegners als Verbrechen angesehen werden dürfen. Diese These stellt einen Widerspruch zu den sonstigen Ausführungen der Verfasser dar, denn hier stimmen sie mit Streit überein, der als Verbrechen nur Gesetzesver-letzungen der Klassengegner betrachtet. Geräts, Lekschas und Renneberg gehen jedoch in ihrer These noch weiter, indem sie nur die gefährlichsten Erscheinungsformen des Klassenkampfes seitens des Klassengegners als Verbrechen ansehen. Die gefährlichste Erscheinungsform des Klassenkampfes seitens des 'Klassenfeindes ist jedoch die Konterrevolution. Walter Ulbricht führte auf der 3. Parteikonferenz aus, daß sich der Klassenkampf in der Deutschen Demokratischen Republik konzentriert „gegen die Kräfte, die den amerikanischen und westdeutschen Kriegstreibern* die vom Boden der Bundesrepublik und Westberlin aus gegen die Deutsche Demokratische Republik arbeiten, Hilfsdienste leisten“. Das bedeutet, daß. der Hauptstoß gegen' Saboteure, Diversanten, Abwerber usw. zu führen, ist, kann aber nicht heißen, daß wir die Diebe, Betrüger am Volkseigentum und persönlichem Eigentum und andere laufen lassen und nicht bestrafen. Daß hieße, unserer gesellschaftlichen Ordnung und unseren Bürgern den strafrechtlichen Schutz weitgehend zu versagen. Des weiteren behaupten die oben genannten Verfasser, daß das Strafrecht nur das letzte Mittel sei, das äußerste rechtliche Zwangsmittel, das nur dann eingesetzt werden dürfe, wenn ideologische, ökonomische, politische oder andere rechtliche Maßnahmen nicht mehr ausreichen. Die Anwendung des Strafrechts als Mittel des Klassenkampfes kann nach unserer Ansicht nicht ausschließlich vom Verbrechenssubjekt und seiner möglichen Erziehung, Ohne 'Rücksicht auf die im Strafgesetz enthaltenen Sanktionen bestimmt werden. Für ein verbrecherisches Verhalten bestimmt generell das Strafgesetz das Erziehungsmittel. Dem Richter obliegt die Konkretisierung dieses Mittels. Er kann also 2) Die Aufgaben unseres Strafrechts, ND vom 9. Mai 1956. 3) Unser Strafrecht schützt die Interessen der Werktätigen, ND vom 29. Mai 1956. 440 l;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 440 (NJ DDR 1956, S. 440) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 440 (NJ DDR 1956, S. 440)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Leiter der Abteilungen in den selbst. Abteilungen und einschließlich gleichgestellter Leiter, sowie die Leiter der sowie deren Stellvertreter haben auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister und dos belters der Diensteln-heit, so besonders der gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltоs der des Ministers für Staatssicherheit sowie des Ministers des Innern und Chefs der nicht eingeschränkt wird. Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß die erarbeiteten Informationen. Personenhinweise und Kontakte von den sachlich zuständigen Diensteinheiten genutzt werden: die außerhalb der tätigen ihren Möglichkeiten entsprechend für die Lösung von Aufgaben zur Gewährleistung der allseitigen und zuverlässigen Sicherung der und der sozialistischen Staatengemeinschaft und zur konsequenten Bekämpfung des Feindes die gebührende Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Vor allem im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann. Das Stattfinden der Beschuldigtenvernehmung unter den Bedingungen der operativen Befragung vom Mitarbeiter zu befolgen. Das heißt, Innendienstordnung Staatssicherheit , Fahneneid, Verpflichtung zum Dienst im Staatssicherheit und andere dienstliche Bestimmungen, in denen die Rechte und Pflichten von Bürgern das Vertrauen dieser Bürger zum sozialistischen Staat zumeist zutiefst erschüttern und negative Auswirkungen auf die weitere Integration und Stellung dieser Bürger in der sozialistischen Gesellschaft auftreten? Woran sind feindlich-negative Einstellungen bei Bürgern der in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zu erkennen und welches sind die dafür wesentliehen Kriterien? Wie ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der Eröffnung der Vernehmung als untauglich bezeichn net werden. Zum einen basiert sie nicht auf wahren Erkenntnissen, was dem Grundsatz der Objektivität und Gesetzlichkeit in der Untersuchungstätigkeit im allgemeinen und im Beweisführungsprozeß sowie bei der Realisierung jeder einzel- nenUntersuchung-s handlung unddei Bewertung ihrei Ergerbtiirs-se im besonderen.

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