Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 435

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 435 (NJ DDR 1956, S. 435); Zu den Ermittlungsfristen und ihrer oft gerügten schematischen Verlängerung durch den Staatsanwalt erklärte der Referent, daß man sich einmal überlegen muß, was geschehen soll, wenn der Staatsanwalt am Tage des Ablaufs der Frist deren Verlängerung verweigert. § 107 StPO wird erst dann den beabsichtigten Erfolg erzielen, wenn die Fristenüberschreitungen irgendwelche Sanktionen nach sich ziehen. Von den Fragen der Anordnung und Aufhebung der Untersuchungshaft ausgehend, setzte sich der Referent auch mit dem Vollzug der Untersuchungshaft auseinander. Stärker als bisher muß hier dem Grundsatz Rechnung getragen werden, daß der Beschuldigte bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu betrachten ist. Von diesem Gesichtspunkt aus sollte den Inhaftierten das Recht zu einem häufigeren brieflichen und persönlichen Verkehr mit ihren Angehörigen gewährt werden. Sie sollten auch die Möglichkeit erhalten, in der Haft alle zugelassenen Zeitungen und Zeitschriften zu beziehen und über entsprechende Buchhandlungen auch Bücher, insbesondere Fachbücher zu kaufen. Das Recht der Untersuchungsgefangenen, ihre eigene Kleidung zu tragen, darf nicht eingeschränkt werden. Schließlich müssen die Untersuchungsgefangenen das Recht und die Möglichkeit haben, sich Aufzeichnungen, die insbesondere für ihre Verteidigung erforderlich sind, zu machen. Im Falle der Zurückverweisung in das staatsanwalt-schaftliche Ermittlungsverfahren nach § 174 StPO müssen Fristen für die weiteren Ermittlungen sowie die Zuständigkeit für ihre Überwachung festgelegt werden. Es muß auch klargestellt werden, wer in diesem Stadium des Verfahrens die Pflicht zur Haftprüfung nach § 146 StPO hat. Längeren Raum widmete Rechtsanwalt Wolff auch denjenigen Vorschriften, die das Verlesen von polizeilichen Vernehmungen von Zeugen oder Angeklagten zum Zwecke des Beweises gestatten. Er wies dabei darauf hin, daß durch die großzügige Handhabung des § 207 Abs. 1 Ziff. 3 StPO in der Vergangenheit die Möglichkeiten der Verteidigung eingeschränkt wurden und die objektive Wahrheit nicht immer gefunden worden ist. Noch problematischer ist jedoch die Bestimmung des § 209 Abs. 1 StPO. Es ist in unserer Rechtswissenschaft schon längst anerkannt, daß das Geständnis alles andere als die Königin der Beweise ist. In der Praxis spielt es jedoch noch vielfach diese Rolle und dies nicht zuletzt auf Grund des § 209 Abs. 1 StPO. Der Untersuchungsführende kann wegen dieser Bestimmung seine Aufgabe als erfüllt ansehen, sobald er ein Geständnis des Beschuldigten erreicht hat. Diese bequeme Möglichkeit bewirkt, daß die Untersuchungsorgane häufig ihre Arbeit nur auf die Erzielung eines Geständnisses richten und andere Beweise unberücksichtigt lassen. Der § 209 Abs. 1 StPO wirkt sich daher insofern nachteilig auf die Erforschung der objektiven Wahrheit aus. Andererseits darf auch nicht verkannt werden, daß in bestimmten Fällen nur diese Bestimmung die Überführung des Angeklagten ermöglicht. Alles in allem sind jedoch diese Fälle weit seltener, als es heute den Anschein hat. Deswegen sollte die Bestimmung des § 209 StPO überprüft werden. Auf jeden Fall muß von ihr in der Praxis ein möglichst sparsamer Gebrauch gemacht werden, wobei die Bestimmung des § 210 StPO, die bisher häufig übersehen worden ist, immer beachtet werden muß. Auf das Berufungs- und Protestverfahren eingehend, forderte der Referent, daß die Staatsanwaltschaft sich generell dazu bereitfinden solle, dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine Abschrift des Protestes zu übermitteln. Der bisherige Zustand überläßt insbesondere den Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, im Protestverfahren der völligen Ungewißheit, da er nicht weiß, welche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens im Protest gerügt werden, und er deshalb auch dazu nicht Stellung nehmen kann. Die Möglichkeit, eine Berufung durch Beschluß zu verwerfen, wird zu häufig ausgenutzt und dadurch der erzieherische Wert des Verfahrens zweiter Instanz beeinträchtigt. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen in erster Instanz schwere Strafen ausgesprochen worden sind. Unbefriedigend ist auch, daß sowohl der Angeklagte als auch sein Verteidiger zur Hauptverhandlung in der Berufungsinstanz nicht geladen werden. Was den Angeklagten betrifft, so ist seine Anwesenheit auch in der Berufungsverhandlung nicht nur im Interesse des Verfahrens selbst, sondern vor allen Dingen auch im Hinblick auf die erzieherische Wirkung bei dem Angeklagten wie auch bei seinen Angehörigen erforderlich. Eine Gerichtsverhandlung ohne Angeklagten ist für den juristisch nicht ausgebildeten Menschen unverständlich. Dies gilt besonders dann, wenn der Angeklagte keinen Verteidiger hat. Eine Hinzuziehung des Angeklagten zur Verhandlung soll und darf natürlich aus der Berufungsverhandlung kein erneutes erstinstanzliches Verfahren machen. Ungerechtfertigt ist es auch, daß der Verteidiger nach § 287 Abs. 1 StPO vom Tage der Hauptverhandlung nur zu „benachrichtigen“ und nicht zu ihr zu laden ist. Von einem Berufungsgericht ist daraus einmal hergeleitet worden, daß der Verteidiger, der erst nach der Hauptverhandlung von ihrem Stattfinden benachrichtigt worden ist, aus dieser Tatsache keine Rechte herleiten könne. Dies zeigt die Notwendigkeit einer Ladung des Verteidigers. Die nach § 293 Abs. 3 StPO möglichen bindenden Weisungen sollten nach Ansicht des Referenten die Freiheit des erstinstanzlichen Gerichts, das Strafmaß festzusetzen, nicht derartig einschränken, daß die Hauptverhandlung nach Zurückverweisung nur noch einen formalen Charakter trägt. Dies macht den Sinn des Verbots der Selbstentscheidung nach § 292 Abs. 3 StPO im Falle einer höheren Bestrafung praktisch zunichte. Wenn das Protestgericht das Strafmaß mit einer bindenden Weisung derart festlegen kann, so kann es das Verfahren auch durch Selbstentscheidung zum Abschluß bringen. Die Probleme des Strafverfahrensrechts abschließend, erklärte der Referent, daß mehr als bisher die Prozeßbeteiligten auch in ihrer Kleidung der Bedeutung des Strafverfahrens gerecht werden müßten. Zum Schluß seiner Ausführungen beschäftigte sich Rechtanwalt Wolff mit den Aufgaben der Verteidiger im Strafverfahren. Er wies darauf hin, daß es für den Aufbau einer Verteidigung genauso wenig ein Schema geben kann wie für den Aufbau einer Anklageschrift. Dennoch sind nach seiner Ansicht bestimmte typische Fehler zu überwinden. In der Vergangenheit haben die Plädoyers der Verteidiger oft durch Effekthascherei an Wert verloren. Dieser Fehler tritt jetzt nur noch vereinzelt auf. Dagegen ist aber festzustellen, daß viele Plädoyers durch ihre Langatmigkeit mit dazu beitragen, den Eindruck zu erwecken, als ob das Gericht an den Ausführungen des Verteidigers nicht interessiert sei. Wenn die Plädoyers einiger Staatsanwälte kritisiert worden sind, ■weil sie beziehungslos politische Ausführungen brachten, die die Behandlung der Sache selbst nicht förderten, so muß auch bei einigen Verteidigern gerügt werden, daß ihre Ausführungen mit fortschrittlichen Phrasen verbrämt sind, die gerade bei einem marxistisch gebildeten Hörer nur einen peinlichen Eindruck hervorrufen können. Nach wie vor betrachten es auch manche Verteidiger als ihre vordringliche Aufgabe, auf das Gefühl der Beteiligten und der Zuhörer einzu-wirken. Rührseligkeit ist jedoch im Gerichtssaal nicht am Platze. Dies bedeutet nicht, daß es nicht Aufgabe des Verteidigers ist, menschliche Konflikte dort, wo sie von Bedeutung sind, deutlich zu machen. Viele Mängel sind darauf zurückzuführen, daß der betreffende Verteidiger den Schwerpunkt der Verteidigungsmöglichkeiten nicht erkannt hatte. Eine andere Ursache für die angedeuteten Fehler liegt auch noch in der „Weichlichkeit“ mancher Verteidiger, die nicht erkannt haben, daß der Strafprozeß auch eine Form des Meinungsstreites ist. Diese Verteidiger ziehen eine „friedliche“ Berufsausübung der wirklichen Erfüllung ihrer Aufgaben vor. Sie handeln nach dem Prinzip: „Tu mir nichts, ich tue Dir auch nichts.“ Eine solche Einstellung muß auf das Schärfste verurteilt werden. Die neuen Maßstäbe, die das Strafverfahren in der Deutschen Demokratischen Republik bestimmen, erfordern auch von den Verteidigern neue Anstrengungen. Das Plädoyer muß durch kämpferischen Geist, durch Sachlichkeit ohne Langweiligkeit sowie durch eine marxistische Lösung der tatsächlichen und rechtlichen Probleme ausgezeichnet sein. 435;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 435 (NJ DDR 1956, S. 435) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 435 (NJ DDR 1956, S. 435)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Durch die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linie ist mit dem Leiter der zuständigen Abteilung zu vereinbaren, wann der Besucherverkehr ausschließlich durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung von Besuchen verhafteter Ausländer mit Diplomaten obliegt dem Leiter der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Abteilung Staatssicherheit Berlin und den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen am, zum Thema: Die politisch-operativen Aufgaben der Abteilungen zur Verwirklichung der Aufgabenstellungen des Genossen Minister auf der Dienstkonferenz am Genossen! Gegenstand der heutigen Dienstkonferenz sind - wesentliche Probleme der internationalen Klassenauseinandersetzung und die sich daraus für Staatssicherheit ergebenden politisch-operativen Schlußfolgerungen, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Befehl zur Erfassung, Lagerung und Verteilung Verwertung aller in den Diensteinheiten Staatssicherheit anfallenden Asservate Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie für die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern und gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der politisch-operativen Grundprozesse. Durch eine verantwortungsbewußte und zielgerichtete Führungs- und Leitungstätigkeit, in der diese Kriterien ständige Beachtung finden müssen, werden wesentliche Voraussetzungen zur vorbeugenden Verhinderung von Störungen sowie der Eingrenzung und Einschränkung der real wirkenden Gefahren erbringen. Es ist stets vom Prinzip der Vorbeugung auszuqehen. Auf Störungen von Sicherheit und Ordnung er bei seinem Vorgehen ausnutzt, welcher Methoden er sich bedienen wird und wie er in seiner Tarnung entdeckt werden kann.

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