Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 394

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 394 (NJ DDR 1956, S. 394); Tatsache ist, daß sich Verbrecher die Spaltung Deutschlands zunutze machen, um nach Westdeutschland zu fliehen. Aber auch mancher Beschuldigte, der wegen seiner Taten nur eine verhältnismäßig geringe Gefängnisstrafe zu erwarten hatte, ließ sich von planmäßigen Hetzern kopflos machen, ging nach Westdeutschland und fiel dort verbrecherischen Organisationen in die Hand, die ihn zugrunde richteten. III Obwohl § 141 Abs. 2 StPO unmißverständlich ausspricht, wann Verdunklungsgefahr begründet ist, findet man in den Haftbefehlen oft die Behauptung, Verdunklungsgefahr läge vor, „weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind“. Wollte man aber erst nach Abschluß der Ermittlungen die Verdunklungsgefahr als beseitigt ansehen, dann müßte schlechterdings in allen Fällen, in denen dringende Verdachtsgründe gegen den Beschuldigten vorliegen, ein Haftbefehl wegen Verdunklungsgefahr ergehen. Das Gesetz jedoch erlaubt es nur, unter bestimmten Voraussetzungen die Verdunklungsgefahr zu bejahen. Es verlangt nicht, daß der Beschuldigte schon Vorbereitungen zur Verdunklung getroffen hat. Wohl aber müssen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß der Beschuldigte verdunkeln will oder wird, und diese Tatsachen müssen aktenkundig gemacht werden. Bei einer Reihe von Verbrechen (z. B. Diversion, Sabotage, Terrorismus, Verbindung zu verbrecherischen Organisationen, Straftaten, die unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses verübt wurden) ist es dem Charakter der Tat wesensmäßig, daß hier Verdunklungsgefahr besteht. Die Tatsachen, die in diesen Fällen den dringenden Tatverdacht begründen, rechtfertigen gleichzeitig die Annahme der Verdunklungsgefahr, weil uns bekannt ist, daß verbrecherische Organisationen mit allen Mittel arbeiten oder weil wir wissen, daß der nichtinhaftierte Täter seinen Einfluß auf die von ihm abhängige Person dazu benutzen wird, sie zu einer falschen Aussage anzustiften. Daneben gibt es aber zahlreiche Fälle, in denen sich die Verdunklungsgefahr nicht ohne weiteres aus den Tatsachen, die den dringenden Tatverdacht rechtfertigen, ergibt. Hier müssen besondere Tatsachen vorliegen, die den Schluß auf Verdunklungsgefahr zulassen. In allen Strafsachen, in denen die Frage nach der Verdunklungsgefahr zu stellen ist, kommt es darauf an, sorgfältige Schlüsse zu ziehen, um entscheiden zu können, ob die Merkmale des Gesetzes über die Verdunklungsgefahr erfüllt sind. So rechtfertigte z. B. der Sachverhalt in der Strafsache gegen Irene Sch. nicht den Erlaß eines Haftbefehles wegen Verdunklungsgefahr. Irene Sch. {damals ohne festen Wohnsitz) hatte sich vom 4. September bis zum 2. Dezember 1954 unangemeldet in der Stadt H. aufgehalten und in dieser Zeit bei ihrem Freund gewohnt. Am 2. Dezember besuchte sie eine Bekannte in deren Wohnung und stahl während des Besuches deren Portemonnaie. Die Geschädigte, die den Verlust ihrer Geldbörse erst bemerkt hatte, nachdem sich Irene Sch. von ihr verabschiedet hatte, erstattete Anzeige. In dem Portemonnaie waren 24 DM und eine Lebensmittelkarte. In der verantwortlichen Vernehmung am 28. Januar 1955 gestand die Beschuldigte den Diebstahl ein, behauptete jedoch, es seien außer der Lebensmittelkarte nur 6,70 DM in der Geldbörse gewesen. Auf Antrag des Staatsanwaltes erging am 1. Februar 1955 Haftbefehl wegen Landstreicherei und wegen einfachen Diebstahls. „Sie ist dieser Straftat dringend verdächtig, und in Anbetracht der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen besteht Verdunklungsgefahr, so daß der Haftbefehl gern. § 141 Albs. 1 StPO begründet ist“, lautete der Haftbefehl. Rätselhaft ist nur, aus welchen Tatsachen sich die Verdunklungsgefahr ergeben sollte. Daß sich die Beschuldigte vom 4. September bis zum 2. Dezember 1954 unangemeldet in H. aufgehalten hatte (seit zwei Monaten hatte sie wieder einen festen Wohnsitz), stand nach den Unterlagen des Einwohnermeldeamtes unverrückbar fest. Ebenso war nicht zu ‘bezweifeln, daß die Geschädigte, die die Anzeige wegen Diebstahls gegen die Beschuldigte erstattet hatte, an ihren Angaben festhalten würde, die durch das Geständnis der Beschuldigten zum größten Teil ‘bestätigt worden waren. Am 14. Februar 1955 erhob der Staatsanwalt An- klage gegen die Beschuldigte. Aber schon am 18. Februar 1955 'beantragte er beim Gericht die Aufhebung des Haftbefehls und die Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO (alt). Das gleiche Gericht, das am 1. Februar 1955 Haftbefehl erlassen hatte, stellte das Verfahren am 18. Februar 1955 nach § 153 StPO (alt) ein und hob den Haftbefehl auf. Die Vermutung, daß in diesem Fall eingehende Überlegungen über den Erlaß des Haftbefehls wie in bezug auf die behauptete Verdunklungsgefahr gefehlt haben, ist kaum abzuweisen. Wo wirklich die Untersuchungshaft wegen Verdunklungsgefahr gerechtfertigt ist, muß unbedingt dahin gestrebt werden, sie auch nicht einen Tag länger aufrechtzuerhalten, als es zur Verhinderung der Verdunklung unumgänglich notwendig ist. Die Strafverfolgungsbehörden müssen in solchen Fällen vor allem das Beweismaterial, durch dessen Fälschung oder Vernichtung eine Verdunklung zu befürchten ist, sowie die Vernehmung derjenigen Mitbeschuldigten und Zeugen, bezüglich deren sie eine Verdunklung durch Beeinflussung fürchten, sicherstellen. Zur Haftprüfung nach § 146 StPO gehört auch, daß sich der Staatsanwalt bzw. das Gericht in kurzen Zeita‘bständen davon überzeugt, ob und inwieweit durch die bisherigen Untersuchungshandlungen das Beweismaterial sichergestellt ist und wieweit die noch ausstehenden Beweismittel, bezüglich derer eine Verdunklungsgefahr zu fürchten war, unentbehrlich erscheinen. Die Berechtigung zur Inhaftierung wegen Verdunklungsgefahr wird völlig verkannt, wenn in einem Fall, in dem zu Beginn des Verfahrens Verdunklungsgefahr bestand, die Untersuchungshaft über den Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten wird, an dem die zunächst gefährdet erscheinenden Beweismittel sichergestellt bzw. aktenkundig gemacht wurden. Nicht jeder Fall, sondern nur bestimmte Umstände eines Falles können es rechtfertigen, den Haftbefehl wegen Verdunklungsgefahr fortdauem zu lassen, weil ein bereits vernommener Zeuge oder Mitbeschuldigter später „Umfallen“ könnte. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, war es unrichtig, in der beschriebenen Strafsache gegen den Lokheizer K. den Haftbefehl neben dringendem Tatverdacht auch mit Verdunklungsgefahr zu begründen, obwohl der Lokheizer offen und ehrlich ausgesagt hatte und sofort nach dem Unglück die wichtigsten Tatumstände durch Vernehmungen, Tatortbesichtigungen, Photos usw. festgehalten wurden. Der Haftbefehl lautete insoweit: „Es besteht Verdunklungsgefahr, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind“. Aber auch beim Abschluß der Ermittlungen wurde der Haftbefehl nicht aufgehoben. IV Solange keine Gefahr im Verzüge ist, steht nichts der Methode im Wege, nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens zuerst so viele Tatsachen zu ermitteln, daß der dringende Tatverdacht durch sie begründet wird, um sodann über den Erlaß eines Haftbefehls zu entscheiden. § 106 StPO verlangt nicht, daß der Beschuldigte bei Beginn des Ermittlungsverfahrens über dessen Einleitung unterrichtet, sondern fordert nur, daß ihm dies bei Beginn seiner Vernehmung mitgeteilt wird. Wann die erste Vernehmung des Beschuldigten zu erfolgen hat, das ist nur im zeitlichen Abstand zur vorläufigen Festnahme bzw. Verhaftung, nicht aber im Verhältnis zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens vorgeschrieben. Die falsche Methode, nach der an die Spitze des Verfahrens die Vernehmung des Beschuldigten und seine vorläufige Festnahme gesetzt wird, führt immer wieder zu der Gefahr, daß man trotz unzureichender Tatsachen für den dringenden Tatverdacht die Freilassung des Beschuldigten von nun an nicht mehr verantworten zu können glaubt. In der Hoffnung, daß die späteren Ermittlungen die zum dringenden Tatverdacht noch fehlenden Tatsachen schon zutage fördern werden, wird oft im Hinblick auf die „Höhe der zu erwartenden Strafe“ der Haftbefehl erlassen. Viele Fälle, in denen sich später ein Sachverhalt herausstellt, der den vorher erlassenen Haftbefehl nicht mehr rechtfertigt, könnten bei zweckmäßigerer Ermittlungsmethode vermieden werden. Das zeigt auch das folgende Beispiel: Am 23. Dezember 1955 besuchte der in T. (Kreis Sch.) wohnende beschuldigte Melker Fr. seinen schwerkranken Vater in Gr. Der 71jährige Vater erzählte seinem Sohn, daß er seine Arbeit in der LPG als Melker 394;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 394 (NJ DDR 1956, S. 394) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 394 (NJ DDR 1956, S. 394)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren, strafprozessualen Prüfungshandlungen in der Vorkommnisuntersuchung sowie in Zusammenarbeit mit operativen Diensteinheiten in der politisch-operativen Bearbeitung von bedeutungsvollen Operativen Vorgängen sind die Ursachen und begünstigenden Bedingungen des Vorkommnisses konkret herauszuarbeiten. Das Staatssicherheit konzentriert sich hierbei vorrangig darauf, Feindtätigkeit aufzudecken und durch Einflußnahme auf die Wiederherstellung einer hohen Sicherheit und Ordnung. Der operative soll auf Grund seiner politischoperativen Grundkenntnisse Einfluß auf die weitere Qualifizierung der Filtrierung sowie der vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougendlichs zur Grundlage der im Ergebnis der vollständigen Klärung des Sachverhaltes zu treffenden Entscheidungen zu machen. Unter den spezifischen politisch-operativen Bedingungen von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte Grundlegende Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung von Aktionen und Einsätzen zu politischen und gesellschaftlichen Höhepunkten Anforderungen an die im Rahmen von Aktionen und Einsätzen sind hohe Anforderungen an die Informationsübermittlung zu stellen, zu deren Realisierung bereits in der Phase der Vorbereitung die entsprechender. Maßnahmen einzuleiten sind. Insbesondere im Zusammenhang mit der Aufnahme Verhafteter in den Untersuchungshaftvollzug, wie Aufnahmeverfahren durch die Diansteinheiten der Linie Erstvernehmung durch die Diensteinheiten der Linie ärztliche Aufnahmeuntersuchung, richterliche Vernehmung innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit grundsätzlich bis maximal am darauffolgenden Tag nach der Verhaftung zu realisieren, bedarf es einer konsequenten Abstimmung und Koordinierung der Maßnahmen aller beteiligten Diensteinheiten. Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteter Haltungen. Unterschriftenleistungen zur Demonstrierung politisch-negativer. Auf fassungen, zur Durchsetzung gemeinsamer, den sozialistischen Moral- und Rechtsauffassungen widersprechenden Aktionen.

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