Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 387

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 387 (NJ DDR 1956, S. 387); Polizei meldete das als Sabotage und schätzte einen Schaden in Höhe von 40 000 DM, weil es sich um eine Exportmaschine handelte. Die nachträglich geführten Untersuchungen durch den Staatsanwalt ergaben, daß lediglich ein Schaden in Höhe von 50 DM entstanden war. Sehr schwierig ist die Frage zu beantworten, was an den bisherigen Maßstäben für die Bemessung der Strafe geändert werden muß. Richtig ist, daß die in der Vergangenheit angelegten Maßstäbe in der heutigen Phase der Entwicklung nicht einfach weiter angewendet werden können und daß auch deutlicher differenziert werden muß. Richtig ist auch, daß die z. B. im HSchG oder im VESchG vorgeschriebenen hohen Mindeststrafen von fünf bzw. drei Jahren Zuchthaus Anlaß gegeben haben, das Gefühl für die Schwere und Härte der Strafe zu verwischen. Wie sollen aber die neuen Maßstäbe gefunden werden? Es genügt nicht zu fordern, daß sich Staatsanwalt und Richter bei der Bemessung der Strafe bewußt sein müssen, daß jede Strafe, die ein Gericht unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates ausspricht, eine schwere und ernste Angelegenheit für den Verurteilten ist. Wir müssen über die allgemeine Feststellung, daß eine Strafe von einem Jahr Freiheitsentzug eine schwere Strafe ist, hinaus zu konkreteren Kriterien kommen. Diese zu finden, ist nicht leicht und wird auch einer gewissen Zeit der praktischen Erfahrung, der Diskussion am praktischen Beispiel bedürfen. Generell läßt sich sagen, daß die neue Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit einer Tat auch unmittelbare Auswirkung auf die Bemessung der Strafe haben wird. Die Maßstäbe, die wir anlegen, müssen den Anschauungen der fortschrittlichen Werktätigen entsprechen. Derjenige Staatsanwalt und Richter wird eine größere Sicherheit in seinen Entscheidungen zeigen, der in ständiger Verbindung mit den Werktätigen steht und ihre Anschauungen kennt. Dabei sind uns die Schöffen eine große Hilfe. Bei der Beratung des Richters mit ihnen kommt es nicht allein darauf an, sie von der Richtigkeit der beantragten Strafe zu überzeugen; vielmehr ist mit ihnen ernsthaft und sachlich zu beraten, und ihre Hinweise sind mehr als bisher zu beachten. Eine wesentliche Hilfe für das Finden der neuen Maßstäbe wird auch die bevorstehende Änderung unseres Strafensystems sein. Die Einführung der bedingten Verurteilung und des öffentlichen Tadels wird das richtige Gefühl für die richtigen Maßstäbe fördern. Aber auch die verschiedenartige Wirkung, die eine Freiheitsstrafe auf den einzelnen Verurteilten ausübt, ist sicher ein Kriterium, das zu beachten sein wird. Ich denke dabei an solche Fälle, in denen ein Familienvater verurteilt werden muß, der mehrere Kleinkinder oder sogar noch eine kranke Frau zu Hause allein läßt. Es ist eine altbekannte Tatsache, daß die Verurteilung eines Menschen oft für die Familie spürbarer wird als für ihn selbst. Handelt es sich aber um einen Menschen, der an seiner Familie hängt, so wird ihn die Strafe doppelt treffen. Sie wird daher auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts zu bemessen sein. Das gleiche gilt hinsichtlich der alleinstehenden Mütter, die Kleinkinder zu versorgen haben, und auch für Menschen, die bereits in hohem Alter stehen. Es kommt darauf an, alle Gesichtspunkte entsprechend ihrer Bedeutung für das Strafmaß im großen Rahmen der erzieherischen Aufgabe eines jeden Strafverfahrens richtig zu würdigen, ohne andererseits die Repressivfunktion unserer Justiz zu beeinträchtigen. Dabei darf man nicht ängstlich und kleinlich sein. In den vergangenen Wochen hat unser Staat gezeigt, daß die weltpolitische Situation und unsere gewachsene Kraft es ermöglichen, großzügig zu sein Die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft erfordert, daß sich die Oberste Staatsanwaltschaft über die Bedeutung und Folgen von Weisungen im Klaren ist. Wenn der Generalstaatsanwalt ausspricht: „Der Hetzer von heute ist der Terrorist yon morgen“, so ist das ungenügend und verführt zu starrem schematischem Arbeiten. Es muß gesagt werden, daß es bei Hinweisen auf Schwerpunkte der Kriminalität oderauf neue Formen des Klassenkampfes bei der Forderung nach harten Strafen an Deutlichkeit nicht gemangelt hat, daß aber umgekehrt, wenn es darauf ankam, Überspitzungen zu verhindern, allzu große Zurückhaltung geübt wurde, wobei offensichtlich die Furcht vor dem „entgegen-gesetzen Extrem“ und vielleicht auch etwas zu wenig Vertrauen zum einzelnen Staatsanwalt, Richter und Schöffen Pate gestanden haben. Das Oberste Gericht hat sich dadurch, daß es zu viele Berufungen als offensichtlich unbegründet durch Beschluß verwarf, viele Möglichkeiten der Anleitung genommen. In den wichtigen Fragen der Abwerbung ist bis heute keine anleitende Entscheidung des Obersten Gerichts veröffentlicht worden, die sich darüber ausspricht, wann eine strafbare Verleitung zur Republikflucht bzw. eine Abwerbung vorliegt. Aber auch das Justizministerium und die Oberste Staatsanwaltschaft haben sich zu diesen Fragen kaum geäußert. Es ist nicht notwendig, fertige Lösungen zu geben, aber eine klare Linie muß vorhanden sein, unter deren Beachtung der einzelne verantwortlich und parteilich entscheiden kann. Ähnliche Fehler sind auch bei den Bezirksorganen festzustellen. Empfangene Anleitungen wurden oft schematisch weitergegeben, ohne die besondere Struktur und die Situation im Bezirk entsprechend zu beachten. Nicht immer wurde beachtet, daß Einschätzungen der Strafpolitik, die allgemein für die Republik gegeben wurden, nicht unbedingt im selben Umfang oder in der gleichen Weise für den Bezirk zutreffen müssen. Ohne vorangegangene Analyse der betreffenden Fragen für den Bezirk sollte keine Anleitung weitergegeben werden. Falsch ist es auch sicher, wenn Rundschreiben, nur mit verändertem Kopf und anderer Unterschrift versehen, weitergeleitet werden. Das wird ganz offensichtlich, wenn darin nicht einmal Anweisungen für die Bezirksorgane selbst gestrichen sind, mit denen Kreisgerichte und Kreisstaatsanwälte absolut nichts anfangen können. Auch hier hat es an systematischer Zusammenarbeit gefehlt. Die zwar fast regelmäßig durchgeführten Besprechungen dienten hauptsächlich dem Austausch von Informationen, hatten aber wenig Auswirkung nach unten. Eine einheitliche Anleitung wurde nicht sichergestellt. Es fehlt an kritischen Auseinandersetzungen mit der eigenen Arbeit. Dieser Mangel ist aber auch bei den Kreisgerichten und Kreisstaatsanwaltschaften festzustellen, wie überhaupt die Kritik von unten nach oben sehr wenig entwickelt ist. Manche Anleitung wäre schneller und richtiger gekommen, mancher Fehler wäre eher behoben worden, hätte es mehr Kritik und Signale aus den Kreisen gegeben. Sich mehr verantwortlich fühlen für alles, was geschieht, mehr Energie bei der Durchsetzung dessen, was als richtig erkannt wurde, auch nach oben hin, aber auch mehr Einsicht in die großen politischen Zusammenhänge, unter deren Einfluß auch unsere Arbeit steht das ist das, was wir brauchen, um zu einer Verbesserung der Arbeit zu kommen. Gegenwärtig berührt viele Richter und Staatsanwälte die Frage, wie soll künftig die Gewährung bedingter Strafaussetzung gehandhabt werden. Noch z. Z. der Anfertigung der Analyse zu § 346 StPO wurde allgemein kritisiert, daß der Anteil der Gewährung bedingter Strafaussetzung noch zu hoch sei. Die der Urteilsfällung verhältnismäßig frühzeitig folgende bedingte Strafaussetzung wurde als Korrektur der Urteile bekämpft. Bei der Staatsanwaltschaft bestand die Tendenz, einen entsprechenden Antrag nicht vof'Verbüßung der Hälfte der Strafe zu stellen. Nun hat die kommentarlose Aufhebung der Richtlinie des Obersten Gerichts eine leicht zu übersehende knappe Notiz in der „Neuen Justiz“1) eine gewisse Unsicherheit hervorgerufen. Zu gewaltig war der Umschwung in der herrschenden Meinung zu § 346 StPO, als daß sofort völlige Klarheit bestehen könnte. Die Frage, ob der Zeitraum bis zum Inkrafttreten des in Aussicht gestellten Gesetzes über die bedingte Verurteilung mit § 346 StPO überbrückt werden kann, bedarf der Klärung. Über den weiteren Ausbau der Erziehungsfunktion in unserer Arbeit wurde auf der Berliner Konferenz vom 10. Mai 1956 ausführlich gesprochen. Es wurde gesagt, daß über die Hauptverhandlung hinaus in der gesamten Tätigkeit aller Organe, die im Verlauf eines Strafver- 1) NJ 1956 S. 263. 387;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Gesamtzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegenüber dem Jahre gestiegen ist ergibt sich bezüglich des Anteils von Verfahren, die auf der Basis von Arbeitsergebnissen des ElfS eingeleitet wurden, an der Gesamtzahl der in Bearbeitung genommenen Verfahren, entwickelte sich seit folgendermaßen:, Bei Verfahren wegen Staatsverbrechen hat der Anteil des operativen Materials folgende Entwicklung genommen:, Der Anteil registrierten operativen Materials an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die Fragestellung, ob und unter welchen Voraussetzungen Sachkundige als Sachverständige ausgewählt und eingesetzt werden können. Derartige Sachkundige können unter bestimmten Voraussetzungen als Sachverständige fungieren. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Tatbegehung, der Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten sowie des Verhaltens vor und nach der Tat.

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